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Zehn Fragen an Sabine Reimers-Mortensen (VDTH)

Die Vereinigung Deutscher Tierhalter (VDTH) wurde im vergangenen Herbst gegründet und setzt sich für die Überprüfung der neuen Tierärztegebührenordnung ein. Vorsitzende Sabine Reimers-Mortensen gibt einen Einblick in die Arbeit.

Sabine Reimers-Mortensen, Vorsitzende der Vereinigung Deutscher Tierhalter.

Warum hat sich im Herbst vergangenen Jahres die VDTH gegründet?
Sabine Reimers-Mortensen: Die Novellierung der Tierärztegebührenordnung (GOT) hat gezeigt, dass den circa 20 Millionen Haushalten in Deutschland und ihren rund. 35 Millionen Haustieren eine Interessenvertretung fehlt, die sich in politischen Meinungsbildungs- und Gesetzgebungsprozesse Gehör verschafft. Nur deshalb waren die massiven Gebührenerhöhungen für tierärztliche Leistungen möglich. Die Standesorganisationen der Tierärzte sprachen und sprechen immer noch von Gebührenerhöhungen von 20 oder 25 Prozent. Das hätten wohl die meisten Tierhalter nachvollziehen können. Tatsächlich zeigen Hunderte von Rechnungen, die uns vorliegen, dass sich die Behandlungskosten durch die GOT 2022 vielfach verdoppelt und in Einzelfällen auch bis zu 300 Prozent erhöht haben.

Wo liegen die Hauptprobleme der GOT?
Die GOT 2022 basiert auf einem neuen Leistungsverzeichnis, das viele neue Gebührentatbestände schafft. Dadurch werden für den gleichen Behandlungsfall nach der GOT 2022 deutlich mehr Leistungsziffern abgerechnet. Die Gebührenerhöhungen resultieren also nicht nur aus Gebührenerhöhungen für einzelne Leistungen, sondern auch aus der neuen Abrechnungssystematik. Hier hat man versäumt, die Kosten typischer Behandlungsfälle vor und nach der GOT 2022 zu vergleichen, um eine fundierte Aussage zu den Mehrbelastungen der Tierhalter treffen zu können.
Weiterhin wurde bei der Novellierung der GOT 2022 versäumt, zeitgemäße Prinzipien von Transparenz und Verbraucherschutz in der GOT zu verankern. Der Tierarzt muss jetzt zwar die Leistungsziffern der Gebührenordnung nennen, er braucht aber Steigerungen aufgrund der Ausübung seines billigen Ermessens weder auszuweisen noch zu begründen. Da verbindliche Abrechnungsregeln und Auslegungen, zu denen die Tierärztekammern berechtigt wären, fehlen, können Tierhalter und ihre Versicherungen weder das Preisleistungsverhältnis von Praxen vergleichen noch ihre Rechnungen angemessen kontrollieren.

Wie konnte es zu einer so fehlerhaften Neuordnung der GOT kommen?
Dem gesamten Rechtssetzungsprozess für die GOT 2022 mangelte es an einer effektiven Vertretung der Tierhalterinteressen. Offensichtlich ist das Landwirtschaftsministerium davon ausgegangen, dass die Beauftragung eines Beratungsunternehmens mit der Festsetzung der neuen Gebührensätze hinreichend für Wissenschaftlichkeit und Objektivität bürgt. Das Beratungsunternehmen nutzte als Input allerdings ausschließlich Angaben von Tierärzten, größtenteils gefühlte Zeitschätzungen, die nicht objektiv überprüft wurden. Die neuen Gebührensätze wurden mit Interessenvertretungen der Tierhalter weder diskutiert noch verhandelt. Auch der offizielle Anhörungsprozess lief ins Leere. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen gab keine Stellungnahme ab, da er sich nicht mit der Tiermedizin beschäftigt, die FN wurde nicht um Stellungnahme gebeten. So fanden 20 Millionen Haushalte kein Gehör.

Was wollen Sie mit der Petition der VDTH erreichen?
Wir fordern mit der Petition eine sofortige Überprüfung der GOT, damit die tatsächlichen Auswirkungen festgestellt und faktenbasiert eine Nachbesserung stattfinden kann. Weiterhin möchten wir erreichen, dass Transparenz und Verbraucherschutz in Anlehnung an die Ausgestaltung der Gebührenordnung für Ärzte gestärkt werden.

Es gibt ja bereits von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) eine Petition in Sachen GOT. Warum noch eine von der VDTH. Ist das nicht eher kontraproduktiv?
Die beiden Petitionen richten sich an unterschiedliche Adressaten. Die FN plant, die mit der Petition „GOT-so-nicht!“ gesammelten Unterschriften öffentlichkeitswirksam an Landwirtschaftsminister Cem Özdemir zu überreichen und damit Druck auf das verantwortliche Ministerium innerhalb der Bundesregierung auszuüben. Die Petition „GOT-Ja, aber fair!“ der VDTH richtet sich dagegen an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. Wir möchten erreichen, dass die massiven Gebührenerhöhungen in das Bewusstsein möglichst vieler Politiker gelangen und eine parteiübergreifende Auseinandersetzung mit den Nöten der Tierhalter und ihrer Tiere stattfindet.


Die Online-Petition der VDTH ist ja erst im Januar an den Start gegangen. Warum hat es so lange gedauert und wo lagen die Probleme?
Eigentlich war eine weitgehend zeitgleiche Veröffentlichung der beiden Petitionen und somit auch eine parallele Bewerbung über Social Media geplant. Basierend auf Angaben des Büros des Petitionsausschusses sind wir von einer Veröffentlichung unserer Petition in der ersten Dezemberwoche ausgegangen. Stattdessen erhielten wir die Information, dass eine Veröffentlichung aufgrund angeblich fehlender Belege nicht erfolgen würde. Obwohl wir Belege innerhalb kürzester Zeit nachreichten, wurden wir hinsichtlich einer Veröffentlichung völlig im Ungewissen gelassen. Dank vorhandener politischer Kontakte konnten wir die Veröffentlichung letztlich durchsetzen, sie erfolgte jedoch ohne jegliche Vorankündigung am 8. Januar 2024. Dabei stellten wir fest, dass Umformulierungen stattgefunden hatten, die nicht mit uns abgestimmt waren und die wir nicht akzeptieren konnten. Auch das hat zu Verzögerungen geführt.

Geht man auf die Online-Petition des Deutschen Bundestages erscheint das Procedere der Registrierung und der Abstimmung doch recht komplex. Ist das so und wenn ja, warum?
Das Verfahren für die Mitzeichnung ist in der Tat komplizierter als auf privaten Petitionsplattformen. Der Unterstützer muss sich zunächst registrieren und dies mit einem Email-Link bestätigen. Erst dann kann eine digitale Zeichnung erfolgen. Leider erreichte uns in den letzten Tagen das Feedback zahlreicher Unterstützer, die die Mitzeichnung auf halber Strecke aufgrund technischer Probleme oder aufgrund der Unübersichtlichkeit aufgegeben hatten. Wir können nur alle bitten, am Ball zu bleiben und durchzuhalten.

Wie sehen denn die Tierärzte Ihre Initiative?
Hier gibt es sehr unterschiedliche Reaktionen. Während einerseits von vielen Tierärzten die Errungenschaft „GOT 2022“ mit allen Mitteln, leider aber auch ohne jegliche sachliche Auseinandersetzung, verteidigt wird, scheint bei einer zunehmenden Anzahl von Tierärzten die Erkenntnis zu reifen, dass die GOT nicht zu einem fairen Interessenausgleich zwischen Tierärzten und Tierhaltern führt. Offensichtlich gehen teilweise auch die Konsultationszahlen zurück, wodurch Mehreinnahmen aus den Gebührenerhöhungen durch ein schrumpfendes Leistungsvolumen aufgefressen werden. Dies trifft wohl insbesondere in grenznahen Regionen Deutschlands zu, wo Tierhalter die Möglichkeit haben, ihre Tiere im benachbarten Ausland behandeln zu lassen.

Welche Aktivitäten haben Sie sonst noch ergriffen?
Sabine Reimers-Mortensen: Die VDTH führt ihre umfangreichen Recherchen etwa zum Entstehungsprozess der GOT 2022, den rechtlichen Rahmenbedingungen einer staatlichen Gebührenordnung, der praktischen Anwendung der GOT durch die Tierärzte und der Aufgabenwahrnehmung durch die Tierärztekammern fort, um Missstände aufzudecken und sich auf Augenhöhe in Diskussionen einbringen zu können. Wir versuchen, unser politisches Netzwerk auszubauen, damit wir relevante politische Entscheidungsträger mit sachlichen Informationen versorgen und sie auf die Nöte der Tierhalter aufmerksam machen können. Selbstverständlich machen wir auch durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und eine große Präsenz in den Medien regelmäßig auf das Ergebnis unserer Arbeit aufmerksam.

Sehen Sie schon irgendwelche Erfolge Ihrer Arbeit?
Ja, absolut. Unter anderem aufgrund unserer intensiven Aufklärung kamen am 17. Januar die Mitglieder des Bundestags-Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Ergebnis, dass die Honorare für tierärztliche Leistungen tatsächlich exorbitant gestiegen sind und für die GOT Nachbesserungsbedarf durch die Bundes- und die Länderregierungen gegeben ist. Dieses erste Ergebnis darf allerdings nicht dazu führen, dass wir in unserem Engagement nachlassen. Aber wir sind stolz, dass wir es in wenigen Monaten geschafft haben, bei den kontroversen Diskussionen ernst genommen zu werden, und das ist keinesfalls selbstverständlich. Wir können nur jeden Tierhalter dazu aufrufen, im Interesse seines Tieres wie in seinem eigenen Interesse die Petition der VDTH zu unterzeichnen, auch dann, wenn die Petition der FN bereits unterzeichnet wurde. Die Stimmen der FN-Petition werden vom Petitionsausschuss des Bundestages nicht mitgezählt.

Die Petition der VDTH kann unter folgender Adresse gezeichnet werden:www.vdth-ev.de

PM/VDTH