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Oliver Oelrich: „Es passieren immer wieder Fehler“

Oliver Oelrich ist als Dressurausbilder international geschätzt. Anfang März war er in Freckenhorst auf dem Hof Schulze Niehues zu Gast, um gemeinsam mit Norbert van Laak über die Ausbildung von jungen Dressurpferden zu sprechen. Herr Oelrich, was läuft aktuell falsch im Dressursport?

Dressurausbilder Oliver Oelrich sprach beim Züchterabend in Freckenhorst Anfang März über die gelungene Ausbildung eines jungen Pferdes.

Freckenhorst – Oliver Oelrich coacht Pferde und Reiter im internationalen Dressursport. Der 51-Jährige war zehn Jahre lang Disziplintrainer Dressur der Deutschen Reiterlichen Vereinigung und begleitete Menschen wie Pferde in den gehobenen Sport. Zu den aktuellen Prüfungen für Reitpferde hat er eine klare Meinung: Die Prüfungen sind zu lang und die Qualität eines Pferdes könne man deutlich schneller beurteilen. Wie Jungpferdeausbildung seines Erachtens aussehen soll, zeigte er Anfang März gemeinsam mit Norbert van Laak bei einem Züchterabend auf der Anlage Schulze Niehues in Freckenhorst. Züchter Stephan Borgmann hatte für den Abend zehn seiner Pferde zur Verfügung gestellt, organisiert hatte den Abend Stephanie Schoppmeier. Im Interview spricht Oliver Oelrich über die Ausbildung von Jungpferden heute.

Herr Oelrich, werden Jungpferde in Reitpferdeprüfungen heutzutage richtig bewertet?

Die Pferde sollen in einer altersentsprechenden Dressurhaltung gehen. Wir müssen dahinkommen, dass wir bei losgelassen und natürlich gehenden Pferden die Qualität erkennen. Dafür brauchen wir nicht drei lange Seiten lang, Tritte verlängern zu sehen. Wir müssen die Qualität der Pferde schneller erkennen. Das ist unsere Aufgabe als Richter und Trainer.

Was ist noch wichtig?

Die Pferde sollten eine gute Frequenz in den Grundgangarten haben, damit wir sie später auch gut in den versammelten Lektionen ausbilden können. Aktuell werden in den Jungpferdeprüfungen große und eher langsame Bewegungen mit hohen Noten bedacht, die von den jungen Pferden in den seltensten Fällen aktiv von hinten nach vorne entwickelt werden können. Ich glaube, dass die jungen Pferde in einem ruhigeren Tempo mit natürlicher Dressurhaltung vorgestellt werden sollten.

Wie definieren Sie die Dressurhaltung?

Aus meiner Sicht muss der Hals eher flach und in einer guten Länge geritten werden, damit der Rücken des jungen Pferdes genug schwingen kann. Es darf nicht die gekünstelte Aufrichtung sein, die häufig durch die Hand dargestellt wird. Die Pferde dürfen nicht über Tempo geritten werden und sich dann eng machen, denn dadurch kann das Pferd nicht zum losgelassenen Schwingen über den Rücken kommen. Der Reiter muss geschickt und gut reiten. Am Ende des Tages sollen die Pferde in einer schönen, natürlichen Selbsthaltung gehen und nicht in dieser künstlichen Aufrichtung.

Sehen Sie, dass es bereits einen Wandel zurück zum natürlicher gehenden Pferd gibt?

Ja, es ist ein Wandel zu sehen. Trotzdem glaube ich, dass genügend Fachlichkeit gefordert ist. Ein Beispiel: Ich habe Jovian damals bei der Sportprüfung in Verden gesehen. Bei seiner Vorstellung in der Dressuraufgabe unter dem eigenen Reiter ging er mit deutlich zu viel Spannung und übertrieben groß in den Grundgangarten. Das war nur spektakulär aber nicht altersentsprechend. Im Fremdreitertest haben wir ihn ruhiger und altersentsprechend geritten. So konnte man ihn in jedem Tempo sehr gut beurteilen und er erhielt eine 10 für den Trab. Wenn Pferde diese Qualität haben, müssen wir sie auch in der losgelassenen Vorstellung erkennen. Somit bekommt der Reiter nicht den Druck, er müsse uns Bewegungen zeigen, die erst deutlich später durch eine gute Ausbildung hervorgebracht werden können. Bei vielen Pferden wird in jungen Jahren eine unnatürliche Bewegung im Trab geritten, bei der Vorder- und Hinterbein im Ablauf nicht korrespondieren. Diese Pferde dürfen keine hohen Noten bekommen.

Finden Sie, dass Richter und Trainer da am gleichen Strang ziehen? Also die gleichen Grundgedanken haben?

Grundsätzlich glaube ich schon, zumal wir uns alle an der Skala der Ausbildung orientieren sollten. Leider findet eben diese im Grand Prix-Sport kaum noch Beachtung. Reiter können eine Grand Prix-Prüfung mit 70 Prozent und mehr mit einem Pferd beenden, mit dem sie in einem St. Georg keine 60 Prozent bekommen würden, weil das Pferd nicht losgelassen und taktrein in allen Grundgangarten geht. Das widerspricht sich.

Machen Sie sich Sorgen um den Dressursport?

Es gibt eine Verunsicherung bei den Reitern. Sie trauen sich nicht mehr normal nach den klassischen Prinzipien der Dressur zu reiten, weil auch das schon oft kritisiert wird. Hier müssen wir deutlich besser informieren, damit den Sozialen Medien nicht so viel Gehör geschenkt wird. Dort wird Stimmung gemacht und Nicht-Fachleute springen auf diesen Zug auf. Wir sprechen von Sequenzen, wo ein Pferd auch mal etwas tiefer und vielleicht auch mal kurzfristig etwas eng eingestellt geht. Wir haben das Ziel, unser Pferd durch gute Ausbildung ideal vorstellen zu können. Es ist aber schlichtweg nicht möglich, von Anfang bis Ende immer nur das Ideal zu zeigen. Wir haben es mit Sportlern zu tun, die gymnastiziert werden müssen – mal tiefer, mal höher, mal kürzer, mal offener im Hals, um die Bewegungsmöglichkeiten des Pferdes zu entfalten. Wir müssen mehr dafür einstehen, wie wir trainieren und warum wir so trainieren, damit auch Außenstehende es verstehen. Am Ende ist noch nie so gut geritten worden wie heutzutage. Wir sehen wirklich wenig schlechte Ritte. Wir sehen sehr viele sehr gute und harmonische Ritte.

Glauben Sie also, dass der Fokus aktuell verrutscht ist?

Absolut. Der Fokus ist total falsch. Es ist auch nicht richtig, auf einzelne Personen oder Paare zu schimpfen und sie zu verunglimpfen. Vor allem nicht, ohne das Gespräch mit ihnen zu suchen. Jeder muss das Recht haben, sich zu erklären.

An einem Abend wie diesem Züchterabend erklären Sie und versuchen Wissen zu vermitteln. Warum?

Es geht darum, dass die Menschen verstehen, dass Sequenzen entstehen können, die nicht optimal sind. Die Frage ist immer, was der Reiter aus der Situation macht. Natürlich wollen wir solche Momente vermeiden, aber es geht nicht immer, wenn das Pferd in eine ungewohnte Umgebung kommt, jung und unerfahren ist. Es passieren immer wieder Fehler. Wenn wir keine Fehler mehr machen können, werden wir auch nicht besser. Wichtig ist, dass der Reiter sich stets selbst reflektiert, sich fragt, was er hätte besser machen können. Fehler müssen gemacht werden dürfen, damit das Reiten und Ausbilden immer noch besser wird. Es gibt keinen Reiter auf der Welt, der noch nie einen Fehler gemacht hat. Das ist der eine Punkt.

Der andere ist, dass Ideal und Realität nicht immer übereinstimmen können, oder?

Ich glaube, dass alle Reiter grundsätzlich versuchen es für ihre Pferde gut zu machen.

Wirklich alle?

Der größte Teil, mehr als 95 Prozent. Dann haben wir die schwarzen Schafe, die rigoros bestraft werden müssen, da sie keinen Respekt vor unseren geliebten Pferden haben. Da sind wir uns alle einig.