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Interview

Herr Schmidt, machen Sie sich Sorgen um die Zukunft des Dressursports?

Hubertus Schmidt ist der Präsident des Deutschen Reiter- und Fahrerverbandes. Im Reiter Revue-Interview spricht der Olympiasieger und Reitmeister über seine Sicht zu den aktuellen Skandalen im Dressursport.

Reitmeister Hubertus Schmidt ist der Vorsitzende des Deutschen Reiter- und Fahrerverbandes.

Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft des Dressursports?

Ja, selbstverständlich. Die Social License ist ein aktuelles Thema, das alle Menschen im Reitsport beschäftigt. Zugleich haben wir immer mehr Menschen, die gar nicht mehr mit Tieren in Kontakt sind und kein natürliches Verständnis vom Umgang mit Pferden mehr haben. Das ist ein Problem. Die Ansichten der PETA sind zudem völlig überzogen. Die aktuelle Situation ist fraglos herausfordernd.

Ich habe Angst, dass es noch mehr negative Schlagzeilen gibt und uns daraufhin das reelle Reiten und Arbeiten mit den Pferden genommen wird. Die Wahlfreiheit, ob man mit Kandare reitet oder nicht, ist für mich undenkbar. Da es meiner Meinung nach indirekt suggeriert, dass das Reiten auf Trense pferdefreundlicher ist, was absolut nicht stimmt. Das nächste worüber wir dann vermutlich diskutieren würden, wäre der Sporen, dann die Gerte und damit wird eine richtige Ausbildung verhindert. Wir müssen vielmehr mit positiven Beispielen voran gehen. Das muss unser Anspruch sein. Denn richtig gutes Reiten ist ein Gymnastizieren für das Pferd. Jeder Sportler muss sich dehnen und strecken. Auch ein Pferd muss mal in einer kürzeren und mal in einer längeren Halshaltung gehen. Das dürfen wir uns unter diesen Bedingungen nicht nehmen lassen.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?

Es sind absolut schreckliche Bilder, die aus dem Stall von Dr. Cesar Parra öffentlich gemacht worden sind. Das, was dort zu sehen ist, ist völlig inakzeptabel. Es ist Tierquälerei. Das hat nichts mit falscher oder richtiger Ausbildung zu tun. So etwas habe ich zuvor noch nie gesehen.

Es gab aber schon Situationen, die ich gesehen habe, die nicht meinem Verständnis von pferdegerechter Ausbildung entsprechen. Bedenken wir die Hyperflexion, die vor Jahren gerne praktiziert wurde und bei entsprechender Dauer grenzwertig war. Ein Pferd kurz mal eng zu machen oder zu hoch einzustellen, ist jederzeit pferdegerecht. Hier muss deutlich unterschieden werden.

Finden Sie, dass die aktuelle Wahrnehmung in der Öffentlichkeit dem tatsächlichen Bild des Dressursports entspricht?

Auf keinen Fall. Bei den Europameisterschaften in Riesenbeck 2023 habe ich so viele gute Reiter gesehen wie nie. Es waren nur ganz wenige, bei denen man nicht gut zuschauen konnte. Ganz anders als die Bilder, die in Dänemark und bei Cesar Parra produziert worden sind. Das ist Quälerei. Das hat mit Ausbildung nichts zu tun.

Diese Bilder gehen aber nun durch die ganze Welt, auch aufgrund der neuen Medien. Das ist in der Hinsicht gut, damit Menschen, die auf diese Art und Weise mit Pferden umgehen, damit rechnen müssen, entdeckt zu werden.

Bilder von Matthias Alexander Rath beim Training in Neumünster haben scharfe Kritik hervorgerufen. Wie beurteilen Sie das?

Ich habe das Video nicht gesehen, daher kann ich es nicht beurteilen. Was ich aber sagen kann: Dressurreiten ist ein Gymnastizieren des Pferdes. Das Ziel ist, dass das Reiten angenehm für Pferd und Mensch ist. Damit ich dahin komme, muss ich die Pferde aber auch durchstellen und rund machen dürfen, um sie dann mehr an die Hand herandehnen zu können. Die Frage ist, ob ein Pferd in die Enge gezogen wird oder ob es locker und mit tiefer Hand tief eingestellt geht. Wenn ein jüngerer Hengst stark wird, ist es verständlich, dass man ihn tiefer einstellt, bis er weniger spannig ist.

Am Abreiteplatz gibt es stets einen Steward und der muss erkennen, warum, wie und in welcher Situation der Reiter sein Pferd vielleicht mal runder macht.

Wenn Sie sagen, dass das Reiten am Ende so angenehm wie möglich für Reiter und Pferd sein soll, bedeutet es dann auch, dass während der Ausbildung die ein oder andere Stresssituation normal ist?

Ich stelle eine Gegenfrage: Was ist eigentlich eine Stresssituation für das Pferd? Wenn ein Pferd die fliegenden Wechsel lernt, wird es nervös. Das Pferd möchte in dem Moment alles richtig machen. Ein übereifriges Pferd wird vielleicht hektisch. Das ist normal, da kommt es darauf an, wie der Reiter mit der Situation umgeht. Bestenfalls baut er nur sehr wenige Wechsel in das Training ein, übt mit Bedacht, viel Zeit und Ruhe. Dann ist die Situation gut gemanagt. Negativ wird es für das Pferd, wenn ich als Reiter es übertreibe und immer mehr will.

Werden Pferde gerne geritten?

Ich bin mir sicher: Zum großen Teil bestimmt. Sie bekommen Anerkennung, Lob und die Möglichkeit innerlich zu wachsen. Es wäre ihnen viel zu langweilig, nur auf der Weide herumzulaufen. Ein Bekannter hält seine Jungpferde in Herden. Die dreijährigen Pferde kommen nachmittags rein, um geritten zu werden. Sie stehen dann teils schon am Tor, gehen von der Herde weg und warten auf den Menschen. Die älteren Pferde sind bei der Arbeit hochmotiviert, freuen sich über Anerkennung und werden gefordert und gefördert. Das macht ihnen Spaß.

Ist der Meinungsaustausch rund um das Thema Pferdewohl im Dressursport Ihres Erachtens bereits differenziert genug?

Es wird meines Erachtens zu viel über einen Kamm geschoren. Die Bilder von Cesar Parra haben – wie gesagt – nichts mit falscher und richtiger Ausbildung zu tun. Da geht es nicht um zu hoch oder zu tief, sondern um Tierquälerei.

Auf der anderen Seite müssen wir die Ausbildung und die Prüfungen genau im Blick behalten. Wenn Menschen, die ihre Pferde zu hoch einstellen, nun gut bewertet werden, hat das Folgen. Daher sind die Richter gefragt, es gleich richtig einzuordnen. Es entspricht nicht der klassischen Reitlehre, das Pferd in absoluter Aufrichtung zu reiten, daher darf es nicht so hoch bewertet werden. Wir brauchen die Diskussion über das richtige Reiten.

Zum Dressurreiten gehört für Sie auch die entsprechende Ausrüstung, oder?

Ich bin ein Verfechter der Kandare und sträube mich dagegen, dass die Kandare ein schlechtes Image hat. Es geht darum, wie die Kandare eingesetzt wird. Sie kann richtig und falsch genutzt werden. Bei vielen meiner Pferde hätte ich nie eine Kandare gebraucht, um sie mit feinsten Zügelhilfen zu reiten. Es waren aber auch viele, bei denen mir die Kandare zur Sensibilisierung geholfen hat. Da geht es darum, einen feinen Impuls einsetzen, um eine Reaktion des Pferdes einzufordern.

Es geht darum, ein Pferd sensibel zu machen und zu halten. Dafür nutze ich auch die Sporen und die Gerte. Es ist besser einmal einen klaren Reiz zu setzen, als die ganze Zeit weiter mit dem Schenkel zu klopfen. Reiten soll angenehm für Reiter und Pferd sein. Das wird es am Ende der Ausbildung.

Wie setzen Sie sich als Deutscher Reiter- und Fahrerverband für den guten Sport ein?

Wir sind aktiv. In Artikeln in Fachzeitschriften und über unsere Internetportale machen wir, wie in diesem Interview, unsere Standpunkte klar. Reiten ist für das Pferd schön und richtig. Turnierpferde werden top gepflegt. Sie gehen regelmäßig zum Schmied, sie kommen zum Tierarzt, sie gehen auf guten Böden. Das müssen wir betonen. Wir müssen gegen ganz schlechte Bilder selbstverständlich angehen.

Was wünschen Sie sich für den Reitsport?

Ich wünsche mir, dass noch besser geritten wird. Ich wünsche mir, dass wir solche Bilder nie mehr sehen müssen. Ich möchte normal über den Dressursport sprechen können. Ich wünsche mir, dass einfach vernünftig gearbeitet wird. Das bedeutet aber nicht, dass man nur noch am langen Zügel reiten darf. Ich wünsche mir, dass die Menschen einen Blick dafür haben, wenn das Pferd gut gymnastiziert ist. Kurz gesagt: Ich wünsche mir so viele gute Bilder wie möglich.