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Leseprobe

Sensibler Pferdemagen

Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Pferd Magenprobleme hat, ist hoch. Tatsächlich leiden viele Pferde still, weil die Symptome unspezifisch sind. Wie Magenprobleme entstehen und was sie tun können, um ihr Pferd zu schützen.

Der Pferdemagen - sensibel und störanfällig.

Gastroskopien gehören in der Pferdeklinik Sottrum West zur täglichen Arbeit. „Das ist mittlerweile Standard bei uns“, berichtet Dr. Michael Paar, Fachtierarzt für Pferde und Geschäftsführer der Klinik. Der Grund sind Magenprobleme bei Pferden. Denn was viele Pferdehalter nicht im Blick haben: Der Magen des Pferdes ist sehr sensibel und störanfällig.

Die Symptome von Magenerkrankungen sind mannigfaltig, aber unspezifisch. Eine eindeutige Diagnose liefert meistens nur die Magenspiegelung, in der Fachsprache Gastroskopie genannt, bei der eine Kamera mit Hilfe eines Schlauchs über den Nasengang und die Speiseröhre in den Magen eingeführt wird. „Wir könnten 80 Prozent aller Pferde wegen des Verdachts auf ein Magenproblem spiegeln, weil es leider keine eindeutigen Symptome gibt“, erklärt der Tierarzt. Besonders häufig erkranken Rennpferde, die sich im Training befinden. Betroffen sind laut Statistik rund 66 bis 93 Prozent in Abhängigkeit von der Trainingsphase. Bei Sportpferden sind es rund 65 Prozent. Aber auch Freizeitpferde sind statistisch gesehen mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 bis 55 Prozent betroffen.

Pferde, bei denen wiederholt Koliken auftreten, die verminderten oder selektiven Appetit oder Unwohlsein beim Fressen oder zeitlich nah an Fresszeiten zeigen, könnten Kandidaten für eine Magenschleimhautveränderung sein. Bei sehr jungen Pferden und Saugfohlen äußern sich Magenprobleme in vielen Fällen durch das Knirschen mit den Zähnen, unangenehmen Geruch aus dem Maul, starkes Speicheln oder das Abbrechen des Saugens. „Betroffene Fohlen legen sich typischerweise oftmals auf den Rücken an eine Boxenwand, vermutlich um die erkrankten Bereiche zu entlasten. Sie trinken häufiger auch vermehrt Wasser“, erklärt Paar. „Warum besonders Saugfohlen und Absetzer betroffen sind, kann man nur spekulieren, aber möglicherweise hängt das mit der Tatsache zusammen, dass sie weniger Raufutter aufnehmen als ausgewachsene Pferde und somit den Magen weniger abpuffern können.“ Denn die jungen Pferde sind häufiger betroffen als Freizeitpferde. „Bei Absetzern ist bekannt, dass der Stress zum Zeitpunkt der Trennung von der Mutterstute meist schon ausreicht, um stressbedingte Magenschleimhautveränderungen auszulösen“ ergänzt Tierärztin und Fütterungsexpertin Dr. Franziska Bockisch.

Umso wichtiger ist bei einem Verdacht auf Magenprobleme eine genaue Diagnose. Wie Michael Paar erklärt, kann bei der Gastroskopie „im Idealfall sowohl der Schlund als auch der Magen mit seinen zwei unterschiedlichen Teilen, dem nicht drüsenhaltigen und dem drüsenhaltigen Anteil, sowie der Magenausgang und der Zwölffingerdarm untersucht werden.“

Denn Magenproblem ist nicht gleich Magenproblem: von Magenentleerungsstörungen über Magenschleimhautentzündungen bis hin zu Magengeschwüren sind die Gründe vielfältig. Ihre Ursachen haben allerdings oftmals ihren Ursprung in der Fütterung.

Symptome

Optische Veränderungen und Symptome:
Gewichtsverlust und Abmagern, Veränderung der Haarfarbe, stumpfes Haarkleid, Verlust von Muskelmasse, Anzeichen des Schmerzgesichts, Kotwasser, wiederkehrende Koliken, Maulgeruch

Veränderungen im Verhalten:
Aggressivität, Schreckhaftigkeit, Ängstlichkeit, Nervosität, Koppen, Schweifscheuern, Weben, Kopfschlagen, häufiges Gähnen und Flehmen, Beißen beim Gurten, nachlassende Leistungsbereitschaft, Triebigkeit, Zähneknirschen, Teilnahmslosigkeit, Appetitlosigkeit, Aufstoßen, Widersetzlichkeit

Ursachen des Übels

Beispielsweise können zu wenig Raufutter, zu wenig Wasser, Phasen von mehr als sechs Stunden ohne Zugang zu Futter, ranzige oder schlechte Futtermittel, zu große Mengen Krippenfutter und Stress zu Magenschleimhautveränderung führen. „Immer erst Raufutter dann Kraftfutter“, lautet deshalb die Devise von Franziska Bockisch. Für die Dauer der Magenprobleme empfiehlt sie eine getreidefreie Fütterung, viel gutes Raufutter – das kann auch hygienisch einwandfreie Heulage sein – und viel Weidezeit.

„Mineralfutter sollte jedes Pferd kriegen, egal ob magengesund oder magenkrank. Für Magenpferde funktioniert außerdem Luzerne sehr gut. Sie ist schmackhaft, das enthaltene Protein und Kalzium wirkt leicht puffernd auf den Magen und als Heu, Cobs oder Pellets gegeben, bleiben mögliche negative Effekte wie eine mechanische Reizung durch Luzernehäcksel aus“, erklärt sie.

Was man außerdem füttern kann, sind Rübenschnitzel. „Die Pektine darin fördern die Gelschichtbildung, die eine Schutzschicht vor der Magensäure bildet“, erläutert Bockisch. Hierbei ist aber wichtig, die getrockneten Rübenschnitzel etwa ein bis zwei Stunden lang in viel Wasser einzuweichen, damit sie richtig aufquellen und keine Schlundverstopfungen verursachen können. Ein weiterer Tipp zur Fütterung von Franziska Bockisch: „Bei Müslis ist immer wichtig, dass nicht mehr als 25 Prozent Stärke enthalten ist.“

Mehr Informationen zur richtigen Zubereitung von Rübenschnitzeln finden Sie hier.

Ebenso notwendig ist es, den Trainingszeitraum gut zu planen. Das heißt: Niemals auf leeren Magen trainieren. „Pferde sollten immer Heu zur freien Verfügung haben, bevor man sie reitet. Man sagt mindestens 300 Gramm pro 100 Kilogramm Körpergewicht Raufutter sollte ein Pferd vor dem Training gefressen haben, damit die Magensäure im Magen nicht so frei herumschwappt“, rät die Expertin. Durch die Speichelbildung als Folge der Kauaktivität werde der Magen etwas abgepuffert und sei leicht gefüllt mit einem gut durchmischten Brei, der die Magensäure binde. Die Magensäure desinfiziert den Futterbrei ein Stück weit und bereitet die Verdauung vor. Die Füttern von Heu ist also sowohl vor als auch nach dem Training wichtig. Bockisch weist außerdem darauf hin, dass eine Stunde vor und nach dem Training kein Kraftfutter gegeben werden sollte.

Generell führt die Fütterung von zu viel stärkereichem Krippenfutter zur Senkung des pH-Wertes und kann zu Schleimhautveränderungen und schlimmstenfalls zu Magengeschwüren führen. „Alles was zu einer Übersäuerung des Magens beiträgt, muss weggelassen werden“, erläutert Dr. Michael Paar. Einer solchen Übersäuerung kann man außerdem durch die Gabe von ausreichend Heu vor dem Krippenfutter vorbeugen.

Schon gewusst?
Um die Fresszeiten zu verlängern, setzen viele Pferdebesitzer auf Heunetze auf Paddocks oder in den Boxen. Nicht immer eine gute Idee, finden die Tierärzte: „Für viele Pferde ist zum Beispiel ein Heunetz ein riesengroßer Stressfaktor. Wir zwingen die Pferde damit in eine unnatürliche Körperhaltung“, sieht Franziska Bockisch als Problem. Der Versuch, die Fresszeiten von Pferden mit Heunetzen zu verlängern, ist laut Bockisch auch nur mäßig erfolgreich, da die Tiere innerhalb kurzer Zeit genauso schnell mit wie ohne Netz fressen. „Wenn ein Pferd an so einem Heunetz zieht, wurde teilweise eine Krafteinwirkung von 35 Kilogramm auf Genick und Halsmuskulatur gemessen“, verdeutlicht die Tierärztin die negativen Aspekte von Heunetzen.Auch Parasiten, wie Magendasseln, können bei massivem Befall zu Magenproblemen führen. Außerdem ist Stress ein großer Faktor für Magenschleimhautveränderungen. Ein strammes Turnierprogramm, häufige Stallwechsel und damit Veränderungen von Herdenkonstellationen und ähnliche Belastungen erhöhen das Risiko. „Wichtig ist, die Pferde nicht zu überfordern“, gibt Bockisch zu bedenken. Auch die oft als Optimum propagierte 24-Stunden-Weidehaltung, ein Leben im Offenstall oder im Aktivstall können für psychischen Stress sorgen. Nicht jedes Pferd kommt damit gut zurecht. Ein Stressfaktor könne auch der Reiter selbst sein – nicht jedes Pferde-Reiter-Gespann passe zusammen, macht Michael Paar deutlich.

Heilsame Hilfe

Tritt eine Magenerkrankung auf, ist es entsprechend wichtig, die Ursache zu finden und abzustellen. „Im nächsten Schritt beginnt dann die Therapie mit der zu Schleimhautveränderung passendenden Medikation“, sagt Paar. Erkrankungen der Schleimhaut im drüsenlosen Teil des Magens werden Equine squamous gastric disease (ESGD) genannt, Auffälligkeiten im Drüsenteil heißen Equine glandular gastric disease (EGGD). ESGD entstehen vor allem durch falsche Fütterung und durch das Hochschwappen von freier Magensäure. Der untere Magenteil ist besonders anfällig für stressinduzierte Veränderung und häufig sind Probleme in diesem Bereich schwerer zu kurieren. „Gering- bis mittelgradige Befunde sind in der Regel gut zu therapieren. Bei hochgradigen und chronischen Befunden kann man die Prognose leider erst nach einem Behandlungsversuch stellen. Da muss man leider manchmal die aufwändige und langwierige Medikation von teilweise drei bis sechs Wochen auf sich nehmen. Besonders wichtig ist auch hier eine Kontrollgastroskopie“, betont der Paar.

Das gängigste Mittel für magenkranke Pferde ist Omeprazol. Der Protonenpumpenhemmer sorgt dafür, dass die Säurebildung reduziert wird. Das funktioniert in der Regel sehr gut bei Erkrankungen des drüsenlosen Magenteils. Schwierig ist, dass das Mittel nicht zu lange im vollen Magen verweilen darf. Das Medikament muss unbeschadet bis in den Dünndarm gelangen. Dort wird es resorbiert und dann über den Blutweg zu den säureproduzierenden Zellen der Magenschleimhaut geführt. Deshalb muss man den Zeitpunkt der oralen Gabe gezielt wählen. Außerdem macht Franziska Bockisch ein weiteres Problem deutlich: „Omeprazol ist dopingkonform, das heißt, Sie dürfen es im Wettkampf einsetzen. Das führt leider meiner Meinung nach dazu, dass viele Omeprazol als Dauergabe nutzen. Es kommt aber nachweislich bereits nach 14 Tagen Einsatz zu einem Gastrinanstieg.“ Gastrin sorgt dafür, dass im Magen des Pferdes Magensäure produziert wird. Durch die Gabe von Omeprazol werden Hormone gehemmt, deren Aufgabe es ist, das Gastrin auszubremsen. „Dies führt dazu, dass der Gastrin-Blutspiegel innerhalb von 14 Tagen auf das Doppelte ansteigt. Das heißt, sobald wir das Omeprazol absetzen, produziert das Pferd im Zweifel reflektorisch mehr Magensäure als vorher.“

Das Medikament kann aber auch noch andere Nebenwirkungen haben. „Es gibt Untersuchungen, dass beispielsweise Jungpferde und Saugfohlen, die Omeprazol bekommen haben, vermehrt zu Durchfall neigen. Insofern ist für mich Omeprazol das Mittel der Wahl bei einer akuten Magenentzündung, aber definitiv keine Dauerlösung“, stellt Bockisch klar. Unter anderem wurde bei Rennpferden nachgewiesen, dass die Kalziumabsorption um 20 Prozent gemindert wird. Deshalb wird vermutet, dass durch die geringere Kalziumversorgung, als Folge der Gabe von Omeprazol, die Knochenmineralisierung bei Jungpferden gestört werden könnte.

Schon gewusst?
Wenn man mit keinem medizinischen Therapieansatz eine Verbesserung erreicht, ist eine 24 Stunden-Weidehaltung häufig erfolgreich. Darin sind sich die Experten einig. „Was man oft sieht, ist, dass sich die Magenschleimhautveränderung wirklich zurückbilden und manchmal sogar ganz verschwinden“, berichtet Michael Paar. „Das Problem ist, dass diese Pferde eine sehr geringe Toleranz haben, was die weitere Nutzung angeht. Beginnt man sie wieder zu reiten, bekommen diese Tiere relativ schnell neue Geschwüre. Solche Pferde müssen dann unter ganz bestimmten Bedingungen gehalten werden.“Dr. Michael Paar empfiehlt das Weniger-ist-mehr-Prinzip: „Weniger energiereiches Futter anbieten, kleinere Futterportionen, weniger Transporte, weniger Turnierstress für anfällige Pferde und im Gegensatz dazu viel Weidezeit und eine möglichst natürliche Haltung.“

Dr. Michael Paar empfiehlt das Weniger-ist-mehr-Prinzip: „Weniger energiereiches Futter anbieten, kleinere Futterportionen, weniger Transporte, weniger Turnierstress für anfällige Pferde und im Gegensatz dazu viel Weidezeit und eine möglichst natürliche Haltung.“

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