Zum Inhalt springen

Drücken Sie Öffnen / Eingabe / Enter / Return um die Suche zu starten

Was tun bei Futterneid?

Was tun bei Stress an der Raufe?

Kaum sind die Rollen des Futterwagens zu hören, geht das Scharren, Beißen und Treten gegen die Boxenwände los. Wenn Futterneid diese Züge angenommen hat, wird es Zeit für Veränderungen im Stall. Denn ansonsten stehen die Pferde unter massivem Stress.

Ein biestiger Blick, ein Biss in Richtung des Artgenossen: Futterneid ist weitverbreitet.

Es bollert aus der Box hinten rechts, ganz deutlich ist zu hören, wie das Pferd mit dem Huf gegen die Boxentür tritt. Ein Stallkamerad aus der linken Boxenreihe zeigt die Zähne und legt dermaßen die Ohren an, dass sich kein Pferd traut, zur Futterzeit an seiner Box vorbei zu gehen. Kein seltenes Szenario in Boxenställen. In Offenställen gibt es das Phänomen, dass Pferde von einem Futterplatz zum nächsten laufen, weil Artgenossen sie immer wieder verscheuchen. Ohrenanlegen, Auskeilen, Beißen oder Umrempeln – auch von Menschen – all das sind Zeichen von Futterneid. „Schon bevor Pferde sich, andere Pferde oder Menschen verletzen, sollte man etwas unternehmen, denn das geht über das natürliche Rangordnungsverhalten hinaus“, positioniert sich Agraringenieurin Ulrike Amler.

Die extremen Ausprägungen von Futterneid entsprechen nicht dem natürlichen Verhalten von Pferden. Ihr Körper ist darauf ausgerichtet, viele Stunden am Tag zu fressen, besonders ihr Magen-Darm-Trakt. „Das liegt daran, dass Pferde evolutionsmäßig betrachtet nicht dann fressen mussten, wenn sie Beute erlegt hatten, wie es bei Hund oder Mensch der Fall war, sondern Wasser und Raufutter ständig und unbegrenzt zur Verfügung stand“, erläutert der Verhaltenskundler Ingolf Bender.

Der Nachschub fehlt

Leichtes Drohen ist von Natur aus das Maximum an Aggression in Sachen Futter. So untermauern ranghohe Pferde ihre Stellung in der Herde und sichern sich die beste Position zum Fressen. „Damit ist die Sache bei frei lebenden Tieren unspektakulär friedlich geklärt“, weiß Bender. Der Verhaltensforscher macht deutlich: „Futterneid wird durch die Haltung provoziert.“ Ulrike Amler gibt zu bedenken, dass Pferde ein ausgeprägtes Rangordnungsverhalten haben. „Sie ordnen sich gern an passender Stelle ein“, erklärt sie. Auch in einem Stall mit Boxenhaltung gibt es eine Rangordnung. „Konsequenterweise müsste die beim Füttern befolgt werden“, sagt Amler. Also bekommt das ranghöchste Pferd zuerst sein Futter. Rangniedere Pferde respektieren das. Pferde, die futterneidisch reagieren, haben Hunger.

Aber genauso unterschiedlich wie sich Menschen bei Hunger verhalten – einige sind unausstehlich und andere beeinträchtigt das Hungergefühl kaum – tun das auch Pferde. Bei sehr futterneidischen Pferden steigen Pulsschlag und Cortisolspiegel an, sie haben Stress. Kleinere Portionen mit kurzen Zeiten ohne Futter und der ständige Zugang zu Raufutter verhindern das Absacken des Blutzuckerspiegels. Ulrike Amler schlägt vor, Slowfeeder wie Heunetze einzusetzen, oder drei- bis viermal am Tag Raufutter vorzulegen, mit der größten Portion über Nacht.

Geselliges Mümmeln

Die innere Uhr der Pferde ist sehr genau. Indem man sich an regelmäßige Fütterungszeiten hält, erspart man dem Pferd steigende Erregung, die sie mit Wiehern und Scharren äußern. Generell löst ein Pferd, das gerade frisst, bei anderen Pferden immer den Wunsch aus, auch zu fressen. Ingolf Bender rät daher, allen Pferden eines Bestandes gleichzeitig Futter vorzulegen. Wenn die Fütterung über Computer-Fressstände organisiert wird, sollte den Pferden, die beim Kraftfutter gerade nicht an der Reihe sind, Raufutter zur Verfügung stehen.

Pferde mit hoher Position in der Rangordnung fordern ihren Platz beim Fressen ein, auch wenn der über die Boxenwand hinausgeht. Boxennachbarn müssen den persönlichen Abstand wahren, können so aber nicht entspannt fressen, wenn der Trog an der falschen Stelle hängt. Für Ingolf Bender besteht der Knackpunkt darin, eine Haltungsänderung vorzunehmen, die zu „mehr natürlichem Verhalten“, also weniger Futterneid führt. Er gibt auch den Tipp, die Tröge nicht an Boxentrennwänden anzubringen, sondern lieber mittig an der Front- oder Rückwand. So können alle Pferde ihren Individualabstand einhalten. Denn Pferde, die am Fressplatz nur durch eine Boxenwand getrennt sind, haben Stress.

Im Offenstall

Bei Offenställen empfiehlt Ulrike Amler, so viele Raufutterplätze zu schaffen, dass jedes Pferd 1,2 zur Verfügung hat. Für zehn Pferde also zwölf Plätze. „Damit wird man dem Bewegungsdrang Herr und auch rangniedere Pferde haben immer Platz zum Fressen“, erläutert die Buchautorin. „Enge verursacht unnötigen Stress. In der Natur grasen auch nur eng befreundete Pferde nahe zusammen“, betont Bender. Braucht ein Pferd oder nur ein Teil der Herde Kraftfutter, sollten die betreffenden Tiere an einem von der Herde entfernten Ort gefüttert werden. Mit einigen Verhaltensweisen fördern Pferdehalter den extremen Futterneid, erklärt Amler: Zum Beispiel, wenn sie einem Pferd der Herde Leckerlis geben, denn auch sie stehen dem Ranghöchsten zuerst zu.