Die Seltene Diagnose - Spannende Fälle aus der Pferdemedizin
Das schiefe Gesicht
Der kleine Naif sieht anders aus als andere Fohlen. Sein Oberkiefer ist zur linken Seite verzogen. Laienhaft gesagt hat er ein schiefes Gesicht. Doch man kann ihm helfen. Dr. Marc Koene ist Chefarzt in der Tierklinik Lüsche und einer der wenigen Veterinäre in Deutschland, der erfolgreich Fohlen mit dem Wry Nose Syndrom operiert. Gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Heico-Rüdiger Krause, einem auf Gesichtsrekonstruktion spezialisierten Facharzt, hilft Dr. Koene seit 18 Jahren betroffenen Fohlen. Die beiden haben auch Naif operiert. www.tierklinik-luesche.de
Auf die Frage, was das Wry Nose Syndrom genau ist, berichtet der Tierarzt: „Bei Menschen heißt diese Deformation des Oberkiefers Schiefgesicht, dabei sind der Oberkiefer und das Nasenbein verdreht, in der Regel nach links. Dadurch kommt es zu einer Verengung im Nasenbereich und die Zähne liegen nicht mehr aufeinander. Betroffene Fohlen können in der Regel zwar saugen, aber kein Gras zupfen. Da man Pferde nicht ein Leben lang flüssig ernähren kann, werden die meisten leider euthanasiert.”
Aber nicht Naif. Er wird operiert. Es ist eine zweigeteilte OP: Erst sägen die Ärzte die eine Seite des Oberkiefers und brechen die andere Seite, dann richten sie den Kiefer gerade und fixieren ihn mit Platten. Anschließend brechen sie außerdem das Nasenbein für die Korrektur. Bei manchen betroffenen Fohlen werden Löcher in die Nasenscheidewand gebohrt, um das Wachstum zu korrigieren. „Die Operation kann zwei bis drei Stunden dauern“, erläutert Koene. Daher sei es besonders wichtig, den richtigen Zeitpunkt für den Eingriff zu wählen. Die Fohlen müssen kräftig genug sein, sollten noch saugen und zudem müssen die Knochen stabil genug sein, damit man die Platten befestigen kann. „Je älter die Fohlen bei der Korrektur sind, desto besser wird das Ergebnis“, sagt Koene.
Der Ursprung der Deformation liegt nicht im Erbgut der Pferde. „Man glaubt, dass es an einer Fehl-lagerung in der Gebärmutter liegt, wenn der Oberkiefer angelegt wird. Warum er meist nach links verdreht ist und nicht nach rechts, ist nicht bekannt. Man weiß nur, dass es nicht erblich ist“, sagt der Tierarzt.
Die Prognose für die meisten operablen Wry Nose-Patienten ist gut. „Bei Naif sieht es im Moment sehr, sehr gut aus.“ Dr. Koene weist jedoch darauf hin, dass noch ein langer Genesungsweg vor ihm liegt. „Es spricht aber nichts dagegen, dass er ein funktionsfähiges Reitpferd wird.“
Auf Naif wartet ein weiterer ambulanter Eingriff zur Entfernung der eingesetzten Platten und eine lange Regenerationsphase. Seine Besitzerin wird ihn weiterhin bestmöglich unterstützen. Denn der kleine Hengst hat einiges an Wachstum nachzuholen.
Mehr Infos und Bilder von Naif finden Sie auf Instagram unter naif.deraussergewoehnliche