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Im Interview: Dr. Dietrich Baumgart und Claudia Kirchfeld

„Die Leute sollen Freude daran haben, ein Vielseitigkeitspferd zu besitzen“

Der Club der Besitzer von Vielseitigkeitspferden, kurz CBV, ist ein Anstoß, um denjenigen mehr Wertschätzung entgegenzubringen, die für den wichtigsten Part des Sports sorgen: die Pferde. Die beiden Vorsitzenden sprechen mit uns über Ideen, Pläne und das Vorbild England.

Ingrid Klimke und SAP Hale Bob OLD. Der Wallach, mit dem sie zweimal EM-Einzel-Gold gewinnen konnte, gehört der Reiterin. Das ist aber nicht der Regelfall.

Ende März hat sich der CBV erstmals der Öffentlichkeit beim Vielseitigkeitsturnier in Luhmühlen vorgestellt. Wie war das Feedback?

Claudia Kirchfeld: Wir waren sehr dankbar, dass der Veranstalter uns so viel Raum gegeben hat. Wir kamen mit den Menschen dort toll ins Gespräch und konnten in der Geländepause auch öffentlich unsere Ziele erklären. Wir hatten viele Interessenten. Einige haben sich direkt vor Ort angemeldet und andere haben Flyer mitgenommen. Die Wahrnehmung war wirklich super.

Dr. Dietrich Baumgart: Viele Interessenten haben uns drauf angesprochen, nicht nur Pferdebesitzer, sondern auch eine Reihe von Züchtern. Ihnen mangelt es teils an Reitern. Es gibt natürlich die Top-Reiter in Deutschland. Aber nicht jeder kann sich das leisten. Da kann der CBV hoffentlich Kontakte knüpfen zwischen Züchtern und beispielsweise talentierten Nachwuchsreitern. Ich habe selbst auch teils Gespräche geführt mit Menschen, die ich bis dato nicht als Pferdebesitzer wahrgenommen hatte. Ich kannte ihre Namen von Listen, konnte sie aber erst jetzt einordnen. Das war sehr erfreulich. Es ist unsere Intension, dafür eine Plattform zu schaffen.

Wie lange war diese Idee denn schon da und wann wurde sie dann wirklich umgesetzt?

Claudia Kirchfeld: Es ist bei einem Telefonat entstanden. Herr Dr. Baumgart und ich haben über was ganz anderes gesprochen und kamen dann darauf, dass man in diesem Bereich die Tür aufstoßen müsste. Es hat etwas gedauert, bis wir weitere Menschen gefunden haben, die das interessiert hat und die in der Planung dabei waren, um dem Ganzen ein Gesicht zu geben. Daran haben wir ungefähr ein Jahr ziemlich intensiv diskutiert, bis wir gesagt haben: Jetzt ist es reif, den Verein zu gründen und es ist reif, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Dr. Dietrich Baumgart: Frau Kirchfeld und ich kennen uns schon sehr lange, sind zusammen geritten und teilen die Leidenschaft für den Vielseitigkeitssport. Sie hat viele Erfahrungen aus England einfließen lassen. Dort wird es gelebt, die Pferdebesitzer mit zu würdigen. Wir kennen beispielsweise Bettina Hoy sehr gut, die uns auch viele Impulse geben konnte, wie es in England abläuft. Wir haben also geschaut, was dort gemacht wird und was man abgucken kann. Aber auch, was man nicht übernehmen kann. England hat eine völlig andere Kultur der Vielseitigkeitsreiterei als wir in Deutschland. Aber man muss das Rad nicht neu erfinden und kann es auf die deutschen Bedürfnisse anpassen. Es war ein bisschen wie Kuchenbacken und diskutieren, bis man die richtige Mischung hat, damit es vielen Interessenten schmeckt. (lacht)

Mit wie vielen Mitgliedern starten Sie?

Dr. Dietrich Baumgart: Wir haben sieben Gründungsmitglieder. So ist es vom Vereinsregister vorgegeben. Zusätzlich haben ungefähr 25 Anmeldungen, hoffen aber, in dieser Saison jetzt deutlich weiterzuwachsen. Der Jahresbeitrag kostet 90 Euro. Das ist ein zumutbarer Beitrag. Da wir gemeinnützig sind, sind aber auch Spenden natürlich willkommen, damit der CBV weiter wachsen und Projekte angehen kann. Wir haben jetzt den Impuls gegeben und wollen es weiter voranbringen, aber auch die Mitglieder werden entscheiden, wo die Reise hingeht und wofür wir das Geld investieren. Das wird man dann bei der ersten Mitgliederversammlung Mitte des Jahres besprechen.

Wie geht es nun los? Was sind kurzfristige, was langfristige Ziele?

Claudia Kirchfeld: In diesem Jahr wollen wir versuchen, auf möglichst vielen Turnieren Anlaufstellen zu bieten. Damit ein erstes Networking stattfinden kann. Das halten wir für sehr wichtig. Die langfristigen Ziele hängen dann von den Gesprächen und Ideen der Mitglieder ab. Wir haben schon darüber diskutiert, eine Serie für junge Pferde aufzulegen, um die Züchter mehr einzubinden. Sie sind, wie schon gesagt, sehr interessiert daran, Kontakte zu knüpfen und Anschluss an die Szene zu bekommen. Kurzfristig ist es erstmal so, dass wir die Leute zusammenbringen wollen und ein Wir-Gefühl herstellen. Dafür braucht es Treffpunkte auf den Turnierplätzen.

Dr. Dietrich Baumgart: Wir sind in Luhmühlen insofern schon aktiv geworden, dass wir in den beiden Prüfungen Ehrenpreise an die Besitzer der siegenden Pferde verliehen haben, damit der CBV direkt erfahrbar und anfassbar war.

Sind denn auch Reiter unter den Mitgliedern? Sie profitieren ja davon?

Claudia Kirchfeld: Sie finden das auf jeden Fall gut und ich denke, wir werden einige Reiter schon unter unseren Reihen haben. Sie sehen die Notwendigkeit auch. Es geht uns allen letztendlich um den Sport, darum ihn gut aufzustellen und zu verstärken.

Dr. Dietrich Baumgart: Es war auch Peter Thomsens Ansatz, dass die Reiter ein Interesse daran haben, die Pferdebesitzer bei Laune zu halten. Denn auch die Top-Reiter sind ja keine Millionäre, die sich den Sport nebenbei selbst finanzieren. Sie sind auf die Besitzer angewiesen. Deshalb sollten die Reiter ihre Pferdebesitzer motivieren, in dem Club Mitglied zu werden, auch um ihrer selbst willen. Wir hoffen, dass dieser Club auf Dauer ein Platz des Austauschs wird und je mehr Leute immer wieder zusammenkommen, desto besser wird es.

Erhoffen Sie sich auch von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung oder dem Weltreiterverband mehr Initiative, den Besitzern mehr Wertschätzung entgegenzubringen?

Claudia Kirchfeld: Ich kann es mir vorstellen, aber es ist nicht unsere primäre Intention. Wir möchten als selbstständiger Verein agieren. Wenn es dazu führt, dass auch die Verbände den Besitzern und Züchtern noch mehr Wertschätzung entgegenbringt, freut uns das natürlich.

Dr. Dietrich Baumgart: Das Thema Wertschätzung ist ganz wichtig. Denn gerade der Vielseitigkeitssport in Deutschland ist geprägt von vielen Idealisten, die damit definitiv kein Geld verdienen können. Sie investieren aus Liebe zu diesem tollen Sport viel Zeit, Geld und Mühe. Auch wenn man im Regen ausharren muss, entscheidet man sich nicht dafür, Dressur zu reiten und in die Halle zu flüchten. Es sind so viele Leute mit Herzblut dabei. Wir möchten sie mehr wertschätzen durch diesen Verein.

Der Vielseitigkeitssport ist immer mal wieder in der Kritik. Ist die gesellschaftliche Akzeptanz auch ein Thema, womit sich der Verein befassen will?

Claudia Kirchfeld: Es steht in der Tat bei uns auch in der Satzung. Die gesellschaftliche Akzeptanz ist sehr wichtig und muss über die Vielseitigkeitsszene hinausgehen. Die Außendarstellung unseres Sports muss sich weiter verbessern. Unser Ansatz ist da, die Förderung von pferdegerechter Ausbildung und von gutem Reiten, auch schon an der Basis, weiter zu unterstützen. Wir können nicht alles auf einmal anpacken, aber es gehört zu unserer Perspektive. Wir wissen alle, dass Vielseitigkeit olympisch auf der Kippe steht. Ich finde, es hat sich schon viel zum Positiven entwickelt. Blickt man beispielsweise auf die Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr: Da ist nicht ein Pferd im Gelände zu Fall gekommen. Das war ganz fantastisch. Aber wir müssen definitiv weiter dran arbeiten und das ist uns auch ein Anliegen.

Dr. Dietrich Baumgart: Da kann ich absolut zustimmen. Man braucht eine breite Zustimmung, um den Sport betreiben zu können. Natürlich gibt es in jedem Sport Entwicklungspotenzial. Ich sitze in der Stiftung Deutscher Pferdesport und in der Task Force Vielseitigkeit und kann sagen, dass sich durch viel Engagement bereits sehr viel in puncto Sicherheit verbessert hat. Die schweren Stürze sind drastisch zurückgegangen. Das wollen wir auch weiter vorantreiben. Aus Tierschutzgründen und natürlich auch zur Sicherheit der Reiter.

Sie haben schon angesprochen, dass Sie sich in England Inspiration geholt haben. Was sind denn Punkte, die Sie sich abgeschaut haben?

Claudia Kirchfeld: In England ist die Wertschätzung für Pferdebesitzer und für Züchter extrem hoch. Das fängt damit an, dass die Besitzer immer Zugang haben zu den Turnieren, auch zum Stall. Außerdem werden Besitzer genannt. In Badminton oder Burghley bekommen die Besitzer auch immer Ehrenpreise, wenn ihre Pferde gewinnen. Es gibt Sonderpreise für das beste britische Pferd. Und die Treffpunkte gibt es fast auf jedem Turnier. Der englische Club hat sich vor 15 Jahren ebenfalls ganz klein gegründet und besteht heute aus fast 2.000 Mitgliedern. Das hat sich rasant entwickelt. Mit den vielen Mitgliedern können sie heute viele Prüfungen ausstatten mit Gastronomiezelten, einem Owners-Bereich. Vor allem aber sind die Besitzer untereinander super vernetzt und befreundet und fiebern gemeinsam mit.

Dr. Dietrich Baumgart: Meine Tochter ist eine Zeit lang in England geritten. Es ist dort nicht nur im Vier-Sterne-Bereich so, sondern auch schon im Ein- und Zwei-Sterne-Bereich. Der CBV soll auch kein Eliteverein sein für Vier-Sterne-Plus-Leute, sondern soll auch im Breitensport eine Anlaufstelle sein. Ich denke da auch an die Prüfungen für Nachwuchsreiter, bei denen viele Eltern extrem engagiert sind. Das sind die Besitzer, die diesen Sport im Juniorenbereich finanzieren.

Claudia Kirchfeld: Die Leute sollen einfach Freude daran haben, ein Vielseitigkeitspferd zu besitzen. Daraus können sich tolle Zusammenarbeiten wie Besitzergemeinschaften ergeben. Das könnte ein Nebeneffekt sein, ist aber kein Muss.

Die Anregung kam auch mit vom neuen Bundestrainer Peter Thomsen. Die Umsetzung haben Sie in die Hand genommen. Wie eng ist die Zusammenarbeit dennoch?

Dr. Dietrich Baumgart: Wir sind mit Peter Thomsen sehr gut im Gespräch. Er unterstützt den Ansatz wirklich nachhaltig. Er sieht darin eine Chance, den Sport zu stabilisieren und zu erhalten. Denn darum geht es aus meiner Sicht. Wir können im gegenseitigen Interesse mit jeder Unterstützung rechnen.

Claudia Kirchfeld: Die Zusammenarbeit ist unglaublich wertvoll, weil Peter Thomsen natürlich weiß, was gerade los ist. Er weiß, wie die Stimmung ist und wie die Umstände sind. So kann er uns helfen, den richtigen Fokus zu setzen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Informationen unter cbv-vielseitigkeit.de