Leseprobe: Sexualisierte Gewalt im Pferdesport
„Wir sind viele“
Ein bis zwei Kinder in jeder deutschen Schulklasse sind von sexualisierter Gewalt betroffen. Sexuelle Übergriffe durch Erwachsene sind Realität. Auch in Reitvereinen. Das ist Fakt, eine unangenehme Wahrheit, die kein Tabuthema sein darf. Sophie, Hanna, Paul und Lena oder wie die Kinder und Jugendlichen auch heißen, brauchen Hilfe. Konkret: Eine direkte Anlaufstelle, an die sie sich wenden können und Menschen in ihrem Umfeld, die aufmerksam sind, wenn ihnen etwas komisch vorkommt. „Nichts zu sagen, schützt die Täter und Täterinnen“, sagt Julia von Weiler, Diplom-Psychologin und Vorstand der Organisation Innocence in Danger, einer weltweiten Bewegung gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen.
Eine aktuelle Studie der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs wirft ein anderes Licht auf den Sport, als das, was gern nach außen getragen wird. Es geht um Machtmissbrauch, um Fallgeschichten von 72 Betroffenen aus unterschiedlichen Sportarten, um Täterprofile und die Auswirkungen der sexualisierten Gewalt auf das Leben der Betroffenen. Es sind Geschichten, die bewegen. Für die Betroffenen sei der Sport zerstörend gewesen, starke gesundheitliche Einschränkungen seien häufig die Folgen der Übergriffe, erklärt Prof. Dr. Bettina Rulofs, die die Studie leitete. „Sie teilen ihr Leben in eine Zeit vor dem Missbrauch im Sport und in eine Zeit nach dem Missbrauch im Sport ein, weil das so ein einschneidendes Erlebnis war“, sagt Rulofs.