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Leseprobe: Ein Kommentar zum Fall Helgstrand

Eine Zäsur. Hoffentlich.

Der Fall Helgstrand beschäftigt uns nach wie vor. Die Bilder aus dem TV2-Bericht waren erschütternd. Der verrohte Umgang mit dem Pferd erschreckend. Ein Kommentar von Karolin Leszinski, Reiter Revue-Redaktionsleitung Print.

Karolin Leszinski, Reiter Revue-Redaktionsleitung Print.

Es ist die Verrohung, die mich am meisten an den Videoaufnahmen, die Rebekka Klubien bei Helgstrand Dressage gemacht hat, erschüttern. Die Verrohung, die im Umgang und in der Ausbildung der Pferde zu sehen ist, und die Verrohung in der Sprache. Der eine blutet manchmal, der andere blutet immer – als würde es um eine Banalität gehen. Ein Loch im Pferdemaul oder an der Flanke, Creme drauf, fertig ist der Lack.

Ja, man könnte fragen: Was sind das nur für Menschen? Ich frage mich aber viel mehr, warum hat ihnen nie jemand gesagt, dass das nicht normal ist? Wie konnten sie in diese Blase geraten? Das frage ich mich übrigens auch bei Andreas Helgstrand. Ich halte ihn für vieles, aber nicht für verrückt.

Aus meiner Sicht ist das, was bei Helgstrand mit versteckter Kamera gedreht wurde, nur ein Symptom eines kranken Systems. Es ist die Spitze des Eisbergs dessen, was seit Jahren, ach, seit Jahrzehnten toleriert wird. Eine TV-Sendung hält der Pferdewelt unerbittlich den Spiegel vor.

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Niemand sollte sich jetzt wegdrehen. Jeder einzelne sollte jetzt genau hinsehen und auch sich selbst hinterfragen. Denn das ist die allerletzte Chance, noch etwas zu verändern. Sonst ist hiermit der Zug abgefahren. Das war das letzte Ticket. Machen wir uns nichts vor: Es wird auch in Zukunft Szenen geben, in denen Pferde unfair behandelt werden. Die Frage ist nur: Passiert es aus Unwissenheit oder passiert es vorsätzlich oder gar mit System? Weil das Geld regiert. Weil es schnell gehen muss. Weil verkauft werden muss. Weil man sich nicht damit aufhalten möchte, warum ein Pferd „schwierig“ oder „stark“ ist. Bereiter, die in einem Profistall reiten, besitzen in der Regel die reiterlichen Möglichkeiten, ein Pferd ordentlich auszubilden. Aber das alleine reicht nicht. Auch das zeigt der Fall Helgstrand.

Ist dieser nun eine Zäsur? Das bleibt abzuwarten. Fest steht: Wir brauchen bald nicht mehr über Social License debattieren und uns zehnmal im Kreis drehen, ohne die Dinge mutig anzupacken. Jeder Ausbilder, jeder Reiter, jeder Richter, jeder Pferdebesitzer hat jetzt die Chance, das Blatt zu wenden. Auch wir Journalisten. Und ich wünsche mir, wir können dies mit offenem Visier machen und müssen nicht zu Methoden wie Rebekka Klubien greifen. Sie hatte die Wahl: Sie hätte die Hinweise ignorieren können. Sie hat den mutigeren Weg gewählt.