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Ingrid Klimke im Interview

„Wenn ich mit den Pferden zusammen bin, bin ich glücklich“

Ingrid Klimke. Es gibt wohl kaum einen Namen, der öfter genannt wird, wenn nach einem Vorbild im Reitsport gefragt wird. Im exklusiven Interview spricht sie darüber, was einen guten Reiter auszeichnet, welches Pferd sie persönlich überrascht hat und warum der Reitmeister-Titel für sie eine besondere Bedeutung hat.

Ingrid Klimke mit ihrem Herzenspferd Freudentänzer, ein Sohn des Franziskus' und Halbbruder von Damon Hill.

Reiter Revue: Ingrid, was macht für dich ein gutes Pferd aus?

Ingrid Klimke: Für mich zeichnet sich ein gutes Pferd vor allem durch seinen Charakter aus. Mit der Leistungsbereitschaft, alles für den Reiter geben zu wollen, kann man später dauerhaft im Sport weit nach vorne kommen. Weil diese Pferde motiviert und neugierig sind. Sie fragen geradezu, „was machen wir heute?“. Solche Pferde mag ich besonders gerne.

Welches deiner Pferde hat dich durch seinen Charakter auch mal überrascht?

Mein Braxxi. Weil viele dachten – und ich anfangs auch: „Was ist das denn für ein kleines Pony?“ Aber er war eben doch ein ganz Großer, durch seinen Charakter, nicht über sein Vermögen. Von daher hat er mich vieles gelehrt. Er konnte im Parcoursspringen manchmal nicht das geben, was ich mir gewünscht hätte, aber im Gelände und auch zu Hause in der Ausbildung hat er wirklich seinen wahnsinnigen Charakter bewiesen und mir immer zu 100 Prozent Freude gegeben.

Ingrid Klimke und FRH Butts Abraxxas 2013 im Gelände von Luhmühlen – „er war eben doch ein ganz Großer“.

Du hast einige Reiter ausgebildet, viele im Sport kennengelernt – was zeichnet einen guten Reiter aus?

Ein guter Reiter ist einer, der wirklich in sein Pferd hineinhorcht. Einer, der auch mal sagen kann: Weniger ist mehr. Bei allem Ehrgeiz und allem, was man mit dem Pferd vorhat und ihm beibringen möchte, ist Geduld ganz wichtig. Man muss die Ausbildung langfristig sehen, in kleinen Schritten denken. Bei zu viel Ehrgeiz, steht sich der Reiter im Weg.

Auf der anderen Seite ist ein guter Reiter einer, der auch wirklich fleißig ist und mit Konsequenz und Durchhaltevermögen dranbleibt. Die Pferde brauchen einen sieben Tage die Woche, auch mal früh, auch mal spät. Das gehört dazu.

Ist Beharrlichkeit etwas, was auch dich ausmacht?

Auf jeden Fall! Immer weiter arbeiten, das ist meine Devise.

Wir eröffnen mal ein gedankliches Wunschkonzert: Welches Pferd hättest du gerne mal geritten oder würdest du heute gerne mal reiten?

Damals war es Totilas, aber nur zu Hause, alleine. Nur mal fühlen. Er hat mich 2010 sehr begeistert. Und wenn ich an die WM in Herning denke, fällt mir Glamourdale ein. Es ist bestimmt ein irres Gefühl, Glamourdale zu galoppieren und die lange Seite ist sicherlich schnell vorbei. (lacht) Aber ich muss auch sagen, ich habe heute selber so tolle Pferde im Stall, dass ich über jedes einzelne froh bin, wenn ich mich mit ihm beschäftigen kann.

Was hast du den Pferden zu verdanken?

Die Pferde haben mich unheimlich viel gelehrt. Diese Eigenschaften, die man braucht, um Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen oder auch ganz viel Lebensfreude und Lebensenergie zu entwickeln und zu spüren. Ich bin dankbar für jedes Pferd, das ich ausbilden durfte, das gereift und gewachsen ist. All die kleinen Schritte zu Hause, dann die ersten Turniere, jedes Jahr zu merken, dass man weiterkommt. Es ist aber auch dieses Gefühl, sich auf die Pferde verlassen zu können, für das ich dankbar bin. Ich sehe in den Pferden für mich einen Lebenssinn: Ich weiß, ich werde gebraucht, sie warten auf mich. Pferdeausbildung ist einfach meine Leidenschaft. Wenn ich mit den Pferden zusammen bin, bin ich glücklich.

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Du hast sicherlich unzählige besondere Momente mit den Pferden im Sport erlebt, kannst ein paar für uns herauspicken?

Einer der bewegendsten, waren meine ersten Olympischen Spiele mit Sleep Late, der damals erst neun war. Dass wir es geschafft haben, diesen Kurs mit Rennbahn über 13 Minuten zu gehen, das war unglaublich und für uns beide schon ein Sprung ins kalte Wasser. Aber auch mein erstes Weltcup-Finale in ’s-Hertogenbosch mit Nector, das erste Mal Badminton und Burghley mit Braxxi. Oder jetzt mit Franz, mit all den Höhen und Tiefen, die wir zusammen erlebt haben: Dann gibt es eben diese Momente, in denen man denkt, jetzt greifen alle Puzzleteile zusammen.

Aber es sind gar nicht unbedingt die Erfolge, die einen Moment so außergewöhnlich machen. Auch abseits des Sports gibt es sie: im Training zu Hause, bei besonderen Ausritte am Strand zusammen mit dem Team beispielsweise oder beim Horsemanship-Training, wenn ich merke, Siena hört auf meine Zeichen und wir haben für uns noch eine andere Art der Kommunikation gefunden. Ich bin in solchen Momenten so überwältigt und denke, genau dafür mach‘ ich das.

Welche Leitsätze haben dich dein bisheriges Leben lang mit den Pferden begleitet?

Da fällt mir sofort ein Satz von meinem Vater ein: „Durch die Ausbildung sollen die Pferde gesünder und schöner werden.“ Und von Herrn Stecken: „Die halbe Parade endet mit dem Nachgeben.“

Was wäre für dich ein Leben ohne Pferde?

Ein Leben ohne Pferde macht für mich keinen Sinn. Das möchte ich mir nicht vorstellen. Die Pferde sind meine Leidenschaft und es macht mir Freude, diese Leidenschaft zu teilen, mit Menschen, die auch diese Begeisterung für Pferde haben. Ob es das Team zu Hause oder die Mannschaft ist, die Freunde oder Fans sind. Die Begeisterung für das Pferd schweißt zusammen und das brauche ich auch.

Wie blickst du auf die teils kritische Entwicklung im Reitsport?

Ich sehe das zweideutig. Einerseits: Ja, wir Sportreiter müssen uns immer wieder hinterfragen, was wir besser machen können und welche Kritikpunkte berechtigt sind. Andererseits brauchen wir uns nicht zu verstecken. Wir haben Partner, um die wir uns unglaublich gut kümmern und die, wenn sie nicht so zufrieden, gesund und motiviert wären, diese Leistung weder im Viereck, noch im Parcours oder Gelände erbringen würden. Ich weiß, wie gerne die Pferde arbeiten, und ich weiß auch, wie gelangweilt sie sind, wenn sie den ganzen Tag nur auf der Wiese stehen. Diesbezüglich wünschte ich mir mehr Knowhow bei den Kritikern und die Bereitschaft, die Kritikpunkte von allen Seiten zu durchleuchten.

Wir müssen die Kritiker mitnehmen, sie einladen, uns öffnen. Sonst wird diese Kluft immer größer und wenn es eskaliert, ist keinem geholfen.

2012 hast du als zweite Frau in der Geschichte den Titel „Reitmeister“ verliehen bekommen. Mit welchem Gefühl trägst du diesen Titel und reitest als „Reitmeisterin“ angekündigt in die Prüfungen?

Ich bin stolz auf den Reitmeistertitel. Und ich finde es gut, dass das auch immer wieder gesagt wird, weil es an mich die Erinnerung ist: Ich bin Vorbild, ich versuche, mein Bestes zu geben. Fehler passieren trotzdem und dann denke ich: „Ach Mensch, das hätte ich doch besser machen können!“ Die Leute sollen ruhig wissen, Reitmeister sein heißt auch, bodenständig und nahbar zu sein und weiterarbeiten zu wollen. Ich möchte zeigen, was gut ist und was nicht. Fehler passieren allen. Denn es stecken immer Lebewesen dahinter, Menschen und Pferde.

Vielen Dank für das Gespräch.