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Olympiasiegerin Julia Krajewski im Interview

"Ich habe gelernt, dass es immer wieder bergauf geht"

Bei den Olympischen Spielen in Tokio schaffte Vielseitigkeitsreiterin Julia Krajewski, was vor ihr noch keine Frau geschafft hatte: Sie holte olympisches Einzelgold. Das ist nun sechs Monate her. Mit dem CHIO-Magazin hat sie über die Zeit danach gesprochen.

Julia Krajewski und ihre "Mandy", mit der sie bei den Olympischen Spielen in Tokio Geschichte schrieb.

Seit Ihrem Olympiasieg sind inzwischen sechs Monate vergangen. Was hat sich seitdem verändert?

Die Resonanz war überwältigend. Das Gefühl, zu realisieren, dass ich mit meiner Geschichte, die ja oft genug bergauf und bergab gegangen ist, so viele Menschen berührt habe, ist einfach immer noch unbeschreiblich schön. Und es hat mich auch nochmal darin bestärkt, dass es richtig war, immer weitergemacht und nie aufgegeben zu haben.

Sie sprechen die Rückschläge an …

… ja, davon gab es einige. Aber ich würde sagen, ohne diese schweren Momente, die ich erlebt habe, würde ich heute nicht da stehen, wo ich jetzt bin. Ich habe gelernt, dass es immer wieder bergauf geht. Dass ich, egal was passiert, nie meine Motivation verliere. Einfach, weil ich meinen Job unheimlich gerne mache und liebe, was ich tue.

Sie sind die erste Frau, die olympisches Gold in ihrer Disziplin gewonnen hat. Wertet das für Sie diesen Erfolg noch weiter auf?

Tatsächlich war mir das zuerst gar nicht so bewusst. Mit Bettina Hoy war ja schon einmal eine Frau ganz nah dran am Olympiasieg. Und bei Europa- und Weltmeisterschaften gab es auch schon Frauen, die ganz oben auf dem Treppchen standen. Dadurch war es also irgendwie an der Zeit, dass auch eine Frau Olympiasiegerin in der Vielseitigkeit wird. Beim Reiten haben wir gegenüber den Männern ja auch keinen wirklichen Nachteil, da ist die Gleichberechtigung längst Realität. Aber klar, Gleichberechtigung ist ein Riesenthema, auch im Sport, da passt es ganz gut in unsere Zeit.

Ist der Erfolg auch ein Zeichen an junge Mädchen: Habt keine Angst vor den Jungs, Ihr könnt es schaffen!

Ganz bestimmt. Unser Sport und gerade der Olympiasieg sind ja auch global und es gibt viele Regionen in der Welt, in denen die Unterschiede beim Thema Gleichberechtigung noch deutlich größer sind als bei uns. Vielleicht gibt mein Erfolg in Tokio ja dem ein oder anderen Mädchen den Kick zu sagen: Ich kann Träume haben und es lohnt sich, dafür zu kämpfen – auch wenn der Weg mal schwer ist. Wenn man da so eine kleine Inspiration sein kann, ist das wirklich schön.

Ist mit diesem Erfolg auch der Druck größer geworden?

Natürlich bin ich jetzt überall präsenter. Wenn ich jetzt irgendwo auf einem kleineren Turnier starte, werde ich immer als Olympiasiegerin angekündigt. Und natürlich erwarten die Leute jetzt immer viel. Von diesen Erwartungen, die andere an einen stellen, kann man sich aber immer ein Stück weit abschotten. Das gelingt mir in der Regel gut. In Bezug auf den Anspruch, den ich selbst an mich habe, ist das schon schwieriger. Den eigenen Kopf bekommt man ja so schnell nicht ausgeschaltet. Darin bin ich auch nicht sonderlich gut.

Hatten Sie denn schon Zeit, den Olympiasieg zu genießen?

Grundsätzlich fällt es mir sehr schwer, in einem Moment zu verharren. Ich muss mir immer wieder in Erinnerung rufen, dass ich etwas wirklich Großes geschafft habe und mir sagen: Freu Dich da mal eine Weile drüber, bevor Du Dir Gedanken darüber machst, wie das nächste Turnier wohl verlaufen wird.

Der ehemalige Bundestrainer Hans Melzer hat Ihnen nach dem Siegerinterviews in Tokio das Talent einer Moderatorin zugeschrieben …

… ja, da musste ich ein wenig schmunzeln. Das war nämlich nicht immer so. Als junges Mädchen habe ich mich nicht einmal getraut auf der Meldestelle anzurufen und abzuhaken. Oder in der Schule habe ich lieber eine Klausur mehr geschrieben, als ein Referat zu halten. Es ist mir also keinesfalls in die Wiege gelegt worden, so locker mit anderen Menschen zu sprechen. Das habe ich erst im Laufe der Zeit gelernt.

Ihre Partnerin in Tokio war Amande de B'Neville. Was ist sie für ein Typ?

„Mandy“, wie sie bei uns im Stall heißt, ist eine absolute Stute. In ihren Augen ist sie keine Prinzessin, sie fühlt sich sogar noch ein bisschen wichtiger. Wie eine Königin vielleicht. Und so lebt sie auch ihren Alltag. Es gibt im Umgang Dinge, die mag sie gerne und es gibt Dinge, die mag sie nicht so gerne. Da ist es immer an mir und meiner Pflegerin, Kompromisse zu finden.

Und im Training? Ist sie da eine Musterschülerin?

Sie ist immer hochmotiviert, gibt eher 20 Prozent zu viel als zu wenig. So war es auch während ihrer Ausbildung. Das Springen war schon immer übermäßig gut. Ich habe aber fünf Jahre üben müssen, es in normale Bahnen zu lenken. Und auch beim Dressurreiten muss ich ihr immer wieder sagen: Ein bisschen weniger tut es auch.

Wann war klar, dass sie einen zukünftigen Star unter dem Sattel haben?

Ich wusste schon immer, dass sie sehr besonders ist. Aber es hat einfach lange gedauert, ihren Übermut zu normalisieren. Wenn ein Pferd jung ist, kann das im Laufe der Ausbildung in beide Richtungen gehen, auch wenn die Qualität gut ist. Ein Erfolg, wie wir ihn in Tokio geschafft haben, ist dann am Ende eine Art Gesamtkunstwerk. Ein Moment, in dem alles perfekt zusammenläuft. So etwas kann man nicht voraussehen.

Die Ausbildung von Pferden ist Ihre Leidenschaft. Was fasziniert Sie daran?

Mir macht es immer viel Freude, zu sehen, wie die jungen Pferde sich entwickeln. In der Arbeit mit ihnen erlebt man als Reiter auch viel schneller Erfolgserlebnisse. Wenn man als Paar irgendwann auf einem sehr hohen Niveau angekommen ist, geht es ja nur noch darum, gewisse Dinge immer weiter zu verfeinern. Da geht es oft nur um Nuancen, die sich nicht in so großen Erfolgserlebnissen widerspiegeln, wie das bei der Arbeit mit den Youngstern der Fall ist.

Als zweites Standbein sind Sie Trainerin. Was macht diese Arbeit für Sie so besonders?

Die Arbeit mit jungen Reitern finde ich sehr spannend und lehrreich – auch für mich selbst. Unten zu stehen und eine Lösung für ein Problem finden zu müssen. Das gibt mir auch Inspirationen für das eigene Reiten.

Welchen Tipp geben Sie jungen Reitern mit auf den Weg?

Es ist ganz wichtig, offen für Kritik und für Verbesserungsvorschläge zu sein. Und der persönliche Wille, immer besser werden zu wollen, ist für mich eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich zu sein.

Wie entspannt denn eine Olympiasiegerin?

Am liebsten mit einem guten Buch auf der Couch. Ich lese sehr gerne historische Romane. Und wenn ich es schaffe, ein paar Tage am Stück frei zu machen, nutze ich die Zeit, um neue Orte auf der Welt zu erkunden.

Und welche sportlichen Ziele gibt es noch?

Oh, da gibt es noch eine ganze Menge. Es stehen noch ein paar 5*-Turniere auf meiner Liste, die ich reiten möchte. Und das Saisonziel 2022 sind ganz klar die Weltmeisterschaften im September in Italien. Ich glaube an Motivation wird es mir nie mangeln. Ich habe noch viel vor.

Zählt dazu auch, den Sieg im SAP-Cup beim CHIO Aachen aus dem Jahr 2018 noch einmal zu wiederholen?

Natürlich. Der CHIO Aachen ist jedes Jahr etwas ganz Besonderes. Den Moment, in dieses Stadion als Siegerin einzureiten, werde ich nie vergessen. Und dieses Gefühl würde ich sehr gerne noch einmal erleben.

-PM-