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Olympische Spiele in Tokio

Julia Krajewski ist Olympiasiegerin in der Vielseitigkeit!

Als erste Frau überhaupt holt Julia Krajewski Einzel-Gold und schreibt damit Olympia- und Vielseitigkeits-Geschichte. Mit Amande de B’Neville, einer Stute, die sie schon seit 2016 reitet, die aber lange keiner so richtig auf dem Schirm hatte.

Julia Krajewski ist die erste Olympiasiegerin in der Geschichte der Vielseitigkeit.

Tokio/JPN – Julia Krajewski muss Nerven aus Stahl haben. Als letzte Starterin ritt sie in den alles entscheidenden Parcours ein, lag auf Gold-Kurs. Ein Abwurf und die Goldmedaille wäre futsch gewesen. Bei vielen Reitern vor ihr klapperte es gehörig und einige Stangen plumsten in den Sand. Nur zwei Paare vor ihr schafften es, den Parcours ohne Zeit- und Springfehler zu meistern. Mit 60 Sekunden war die erlaubte Zeit knapp bemessen, die dreifache Kombination besonders fehleranfällig. Es hätte kaum spannender sein können. Punktemäßig lagen die Reiter auf den vorderen Rängen nah beieinander, keinen Springfehler voneinander entfernt.

Viertes Einzel-Gold für deutsche Vielseitigkeitsreiter bei Olympia

Doch die 32-Jährige behielt die Nerven, erlaubte sich mit Amande de B’Neville keine Unsicherheit. Die Stute sprang groß ab, hatte noch massig Platz zwischen ihren Hufen und den Stangen. Und als die zwei mit nur einem Zeitfehler ins Ziel kamen, war besiegelt: Das ist die Goldmedaille! Übrigens die vierte in Folge für Deutschland in der Vielseitigkeit: 2008 holte Hinrich Romeike Gold, 2012 und 2016 Michael Jung. Und nun Julia Krajewski, die damit Geschichte schrieb. 26 Minuspunkte lautete ihr Ergebnis nach Dressur, Gelände und zwei Springen. Die Faust in die Luft gestreckt, über beide Ohren grinsend und immer wieder auf ihre Stute zeigend, galoppierte sie die Tribüne entlang. Den Freudensprung auf dem Siegertreppchen konnten sie sich nicht verkneifen. Ebenso wenig die Freudentränen als die Deutsche Hymne gespielt wurde.

Der Moment, als für Julia Krajewski klar war: Es ist die Goldmedaille!

„Wahnsinn“, war ihr erster Kommentar zur Goldmedaille. „Ich kann mit Sicherheit sagen, ich hab’s noch nicht richtig realisiert. Ich bin unfassbar stolz auf mein Pferd und glücklich, es geschafft zu haben. Und ich hab ein großes Gefühl von Dankbarkeit für all die Leute, die immer an mich geglaubt haben, die hinter mir stehen. Mein Handy explodiert und es ist ein riesiges Gefühl, so eine Medaille gewonnen zu haben. Für Deutschland und alle, die immer an mich glauben.“ Ihre Mandy sei dafür bekannt, ein bisschen „stutig“ zu sein. „Sie hat auch gebockt, als ich mich draufgesetzt hab, hat sich gut angefühlt und ist die zweite Runde noch besser gesprungen als die erste“, bescheinigt ihre Reiterin.

Silber ging an den Briten Tom McEwen mit Toledo de Kerser und 29,3 Minuspunkten, der sich ebenfalls einen Zeitfehler im Einzelspringen erlaubte. Für den 30-Jährigen waren es die ersten Olympischen Spiele, die er mit gleich zwei Medaillen im Gepäck beendet: Neben Einzel-Silber holte er mit dem Team Gold. Bereits acht Olympische Spiele hat hingegen der Australier Andrew Hoy schon bestritten, gewann drei Mal Team-Gold und einmal Einzel-Silber. In Tokio kommen Team-Silber und Einzel-Bronze hinzu. Mit Vassily de Lassos brachte er 29,6 Minuspunkte ins Ziel.

Tom McEwen und Toledo de Kerser holen Silber - und somit die zweite Medaille in Tokio für Großbritanniens Buschreiter.

Pech für Michael Jung

Für Michael Jung war der Traum vom dritten Olympiagold in Folge bereits nach dem Gelände in die Ferne gerückt. Im Springen schaffte er zwar die bis dahin schnellste Zeit, dafür fiel beim Oxer in der Kombination eine Stange. 36,1 Minuspunkte bedeuteten letztendlich Platz acht. „Es ist alles nicht so ideal gelaufen“, lautete sein Resüme. „Mein Pferd war super drauf, er ist super gegangen und hat alles richtig gemacht. Aber Glück braucht man eben auch. Die letzten paar Male hatte ich das, jetzt hats jemand anderes gehabt. Aber ich will nicht mehr so viel dran denken. Wir freuen uns jetzt über den deutschen Sieg. Julia hat klasse Runden gehabt. Es ist auf jeden Fall ein verdienter Sieg.“

Michael Jung und fischerChipmunk FRH hatten einen Abwurf im Springen, wurden Achte.

Und für Bundestrainer Hans Melzer eine Bestätigung: „Ich habe schon vor zwei Jahren zu ihr gesagt: Eines Tages stehst du ganz oben, dann ist alles, was in der Vergangenheit vielleicht nicht so funktioniert hat, vergessen.“ Bei ihrem Olympia-Debüt 2016 schied Julia Krajewski im Gelände aus, 2018 wechselte Chipmunk aus ihrem Stall zu Michael Jung und Anfang des Jahres musste sie ihr Erfolgspferd Samourai du Thot, mit dem sie 2018 und 2019 Deutsche Meisterin wurde, frühzeitig in Rente schicken, da ihm nach einer Infektion das Auge entfernt werden musste. Die Olympischen Spiele waren damit für sie eigentlich abgehakt.

Auf den Olympia-Zug aufgesprungen

Doch als sie im April in Saumur mit Amande de B'Neville die Vier-Sterne-Prüfung gewinnen konnte – „lässig“, wie sie sagt – kam ihr der Gedanke: „Vielleicht ist der Zug ja doch noch nicht ohne dich losgefahren.“ Ist er nicht. „Julia ist toll geritten. Sie war in allen drei Teildisziplinen überragend. Das Pferd ist gigantisch und hat unheimlich Springvermögen“, lobt Melzer. Kein Wunder: Schließlich wurde die elf Jahre alte Amande de B’Neville in Frankreich auf einem Springpferdechampionat entdeckt. „Das jetzt ist das erste richtige Championat für sie gewesen, da geht in Zukunft noch ein bisschen was“, prognostiziert der Bundestrainer. Mandy habe sich jetzt erstmal eine Pause verdient, „zwei, drei Wochen Weide, ein bisschen chillen und dann weitersehen“, verrät Julia Krajewski. Dass sie heute in Tokio die Goldmedaille holt, habe sie bis heute Morgen schließlich auch noch nicht für möglich gehalten.