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Interview mit Thomas Münch über sein Engagement an der ukrainischen Grenze

„Es ist unfassbar"

Thomas Münch ist Vermarktungsleiter beim Westfälischen Pferdestammbuch. Gemeinsam mit mehreren Mitarbeitern war er an der ukrainischen Grenze, um Hilfsgüter zu bringen, Geflüchtete mit nach Deutschland zu nehmen und Pferde aus dem Kriegsgebiet zu transportieren, unter anderem Cornet Obolensky und Comme il faut. Wir haben mit ihm gesprochen.

Thomas Münch, Vermarktungs- und Zuchtleiter des Westfälischen Pferdestammbuchs, war an der ukrainischen Grenze.

Sie waren an der ukrainisch-polnischen Grenze. Können Sie mir bitte Ihre Eindrücke schildern, Herr Münch?

Thomas Münch: „Wir sind mit vier Mann an die rüber gefahren und ich persönlich habe nur einen Bulli voll mit Material an die Grenze gebracht und Geflüchtete mit zurück nach Deutschland genommen. Es ist dramatisch was dort passiert. An der Grenze sind so viele Frauen und Kinder. Am liebsten würde ich noch einmal zurück fahren und Kinder in Sicherheit bringen.

Das ist das eine, das andere ist die gewaltige Hilfsbereitschaft von polnischen, deutschen, französischen und spanischen Freiwilligen, die ich gesehen habe. Sie alle haben gemeinsam versucht, das Chaos zu bewältigen und den Flüchtlingen zu helfen. Wie die Menschheit da zusammenhält, ist beeindruckend.

Mit welchen Fahrzeugen sind Sie an die Grenze gefahren?

Thomas Münch: „Wir sind mit zwei Neunsitzern losgefahren und haben Cornet Obolensky und Comme il faut im LKW des Gestüts Zhaskiv entgegen genommen. Außerdem haben wir weitere Pferde nach Polen gebracht, die dort nun versorgt werden. Während zwei Mitarbeiter sich um die Zollabwicklung und die beiden Hengste gekümmert haben, haben wir unsere Hilfsgüter ausgeladen und sind dann mit Geflüchteten wieder nach Hause gefahren."

Wie hat sich entschieden, wen Sie mitnehmen?

Thomas Münch: „Die freiwilligen Helfer haben meine Route durch ein Mikrofon geschrien und dann standen da zehn Menschen, die mitwollten. Vier weitere kamen noch hinzu und dann sind wir los. Ehrlich gesagt, absolut verrückt."

Dann überlassen sich die Menschen ein Stück weit dem Zufall?

Thomas Münch: „Komplett. Die eine Familie hatte Freunde in Hannover, dort habe ich sie hingebracht, einige andere Personen habe ich nach Berlin gebracht, von dort aus sind sie teils weiter nach Kiel, um in einem Fischlokal zu arbeiten, andere sind weiter nach Barcelona geflogen, zu Bekannten. Sechs Personen sind mit uns nach Münster gefahren. Ihnen habe ich vor unserer Abfahrt auf einer Landkarte Münster gezeigt. Sie haben mit dem Kopf genickt und wir sind los. Es ist eine Frau mit zwei Kindern und deren Großmutter sowie eine weitere Frau mit ihrer Tochter, die wir mit nach Münster genommen haben."

Die Menschen sind nun bei Ihnen am Pferdezentrum untergebracht, richtig?

Thomas Münch: „Genau, auf unserem Gelände stand ein Haus, das der LVM gehört, leer und es war ungewiss, was damit geschieht. Nun hat es eine sehr sinnvolle Verwendung gefunden. Wir wollen auch noch weitere Geflüchtete aufnehmen. Eine der Frauen ist gerade jetzt Oma geworden. Ihr Enkelkind ist in diesen Tagen in Kiew geboren. Sie hat die große Hoffnung, dass die junge Mutter mit dem Kind bald reisefähig ist und dann würden wir sie, also die Verwandten der bei uns bereits untergebrachten Familie, aufnehmen. Falls sie nicht mehr aus der Stadt kommen, nehmen wir andere Geflüchtete auf."

Ich stelle mir vor, dass Sie die Bilder aus der Grenzregion nicht mehr vergessen werden.

Thomas Münch: „Diese Massen an Menschen und vor allem Frauen und Kindern, das ist nicht zu beschreiben. Das ist wirklich verrückt."