Zum Inhalt springen

Drücken Sie Öffnen / Eingabe / Enter / Return um die Suche zu starten

Dorothee Schneider im Interview

„Zum Reiten gehören sehr viele Emotionen“

Reitmeisterin Dorothee Schneiders Leben dreht sich um Pferde. Es geht ihr um den gemeinsamen Weg mit dem Pferd. Ihre Gedanken zur harmonischen Ausbildung von Pferden lesen Sie im exklusiven Interview.

Dorothee Schneider ist eine von Deutschlands erfolgreichsten Ausbilderinnen.

Was reizt Sie an der Ausbildung von Pferden?

Das Hand in Hand gehen mit dem Pferd. Ich hatte den Pferdevirus schon in mir, da war ich noch nicht mal auf der Welt. Meine Eltern hatten einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einer Trakehner Zucht. Mein Vater ist bis Grand Prix geritten und hat bis Grand Prix gerichtet. Ich habe auf selbstgezogenen Pferden anfangen dürfen zu reiten. Es ist schön, von den Eltern so eine Basis zu bekommen. Für mich ist es ein Highlight, auf jungen Pferden zu sitzen und zu fühlen, was das Pferd mitbringt, zu spüren, welche Höhepunkte das Pferd hat – körperlich sowie mental. Darauf basierend stricke ich für jedes Pferd ein individuelles Konzept der Ausbildung. Der rote Faden ist der gleiche, aber durch den Charakter und Körper jedes Pferdes wird die Ausbildung sehr individuell. Ich gehe darin vollkommen auf und ich liebe meinen Beruf. Ich gehe mit den Pferden so gerne den reellen Weg. Ich versuche alles drumherum so zu organisieren, dass es für die Pferde passt. Das spontane Gefühl, wie das Pferd heute drauf ist, ist in der Ausbildung das entscheidende. Damit bin ich bisher gut geritten. Ich bin froh, dass ich es so leben darf.

Was hat sie reiterlich besonders geprägt?

Ich musste mir meine Reitstunde früher erfegen. Meine Eltern waren sehr eingespannt. Dadurch, dass wir selber Trakehner gezüchtet haben, hatte ich eine tolle Basis. Ich habe mir viel von meinem Papa abgeguckt und meine Eltern haben mich stets unterstützt. Ich hatte außerdem die Möglichkeit bei anderen Reitlehrern zu reiten, zudem habe ich mir viel abgeschaut. Wenn mein Papa mit 87 Jahren nun ab und an am Vierecksrand sitzt und mir noch den ein oder anderen Tipp gibt, dann ist das unglaublich bereichernd. Meine Eltern kommen noch mit zu Turnieren und da weiß ich, dass vieles richtig gelaufen ist. Sie sind stolz auf mich. Sie haben mein Talent gefördert, haben mir die Möglichkeit mit den jungen Pferden gegeben und das ist besonders. Wir konnten nie teure Pferde kaufen, aber ich durfte Pferde in den Sport bringen und daran bin ich gewachsen.

Die Reiter Revue gibt es übrigens auch im Abo. Oder Sie kaufen ein einzelnes Heft als E-Paper, um unverbindlich reinzuschmökern.

Auf welchen Moment Ihrer Karriere schauen Sie mit besonders viel Stolz zurück?

2012 mein erstes Championat, die Olympischen Spiele in London, war für mich ganz besonders. Ich stand auf der Longlist und plötzlich durfte ich mitfahren. Es war so aufregend. Man weiß vorher nicht, wie Kopf und Körper reagieren. Als junges Mädchen stand ich am Turnierplatz und habe gesagt, dass ich auch mal für Deutschland reiten möchte. London war einfach Gänsehaut pur. Diva Royal war damals erst zehn Jahre alt. Es kam überraschend und war so schön. Ich konnte es mental auch genießen, dort zu reiten. Ich hatte ein Lächeln im Gesicht. Über die Jahre immer wieder Pferde auszubilden, die für Deutschland starten können, ist unvergleichlich.

Einige Pferde mussten Sie gehen lassen, ehe jene dieses Top-Niveau erreichen konnten.

Mein Weg an die Spitze war relativ lang. Die Pferdeausbildung ist mein Beruf und dementsprechend sind viele Pferde vorher verkauft oder anderweitig vergeben worden. Wie lange ich ein Pferd habe, liegt nicht nur an mir. Die Besitzer von Diva Royal haben mir damals grünes Licht gegeben, dass ich die Sichtungen reiten darf. Das war mein großes Glück. Sie war das erste Pferd, mit dem ich eine Olympia gehen konnte. Ich werde sie nie vergessen und dieses Gefühl wird mich immer tragen.

Und dann kam Showtime.

Showtime durfte ich ab dreijährig ausbilden und konnte mit ihm an zwei Olympischen Spielen teilnehmen. Das sind Gänsehautmomente, die immer präsent sind. Dafür bin ich sehr dankbar. Er ist das Pferd meines Lebens. Ich habe vorher viele Pferde ausgebildet. Sie sind alle besonders. Doch mit Showtime habe ich eine besondere Reise hinter mir. Dieses Gefühl ein Pferd selber auszubilden und später zwei Olympiaden mit ihm reiten zu dürfen, ist unbeschreiblich. Er hat einen sehr großen Platz in meinem Herzen.

Dorothee Schneider mit Showtime

Sind Sie dankbar, Pferde nun so lange halten zu können?

Ich kannte es sehr lange anders. Ich bin den Besitzern meiner Pferde sehr dankbar. Sie haben ein Herz für Pferde, sie wollen das wir zusammen fließen können. Sie haben einfach Freude daran. Gabriele Kippert, die Besitzerin von Showtime wollte mir damals ein Pferd zur Verfügung stellen und seitdem darf ich Showtime reiten. Dieses Vertrauen in mich, bedeutet mir unglaublich viel.

Was ist für Sie das Entscheidende in der Pferdeausbildung?

An erster Stelle steht für mich das Wohl des Pferdes. Man muss sich der Verantwortung bewusst sein, dass man sich mit einem Lebewesen auf den Weg macht. Es gilt, dafür zu sorgen, dass alles optimal organisiert ist und das Pferd auch Pferd sein darf. Wenn man an sich arbeitet und einen guten Sitz erreichen möchte, damit man das, was man möchte, auch dem Pferd vermitteln kann, ist das ein Anfang. Reiter müssen selbstkritisch sein. Sich stetig verbessern zu wollen, ist wichtig. Man muss natürlich auch mal zufrieden sein können, aber das bin ich mit mir persönlich selten. Ich möchte immer besser werden, ohne überehrgeizig zu sein, denn das bin ich nicht. Jedoch bin ich ein ehrgeiziger Mensch, aber immer positiv und im Sinne des Pferdes. Mir geht es darum, mich zu verändern, um dem Pferd die bestmögliche Basis zu geben. Als Reiter muss man sich der Verantwortung des Pferdes gegenüber bewusst sein, die Schwächen und Stärken des Pferdes kennen und den Kopf unterstützen, sowie den Körper gymnastizieren. Und sich auf den Weg machen, sich bestmöglich zu optimieren.

Das klingt schön und anstrengend.

Ja, es ist anstrengend. Doch es macht Spaß, weil man die Früchte erntet. Wenn man nicht an sich arbeitet, dann entwickelt man sich auch nicht weiter. Dabei wollen wir das doch alle und dafür muss man sich zuerst an die eigene Nase fassen.

Was zeichnet ein gutes Pferd aus?

Drei elastische Grundgangarten für den Sport und eine gute gesundheitliche Basis sowie die Einstellung, sich gerne bewegen zu wollen.

Es geht Ihnen um den gemeinsamen Weg.

Ja. Das Pferd muss es gerne machen, sonst sind die Aufgaben einfach zu anstrengend und zu schwer. Es ist die große Aufgabe für uns Reiter, dem Pferd die Freude und die Gesundheit zu erhalten. Es geht um den Weg Hand in Huf. Nur so kann das Pferd im Viereck glänzen. Wenn das Pferd die Aufgaben nicht gerne erfüllt, ist das der Anfang vom Ende. Der Kopf muss den Körper stützen.

Was zeichnet einen guten Reitlehrer aus?

Er kann erklären, wie ein Pferdekörper funktioniert. Er sollte den individuellen Charakter erkennen und dem Schüler dabei helfen, den Charakter des Pferdes bestmöglich zu fördern. Ein guter Reiter muss das Pferd bestmöglich mit Sitz und Hilfen unterstützen. Wichtig ist, den Schülern zu lehren, dass sie erst sich selbst hinterfragen, ehe sie einen Fehler dem Pferd in die Schuhe schieben.

Mir ist wichtig: Es ist immer der Reiter, der sich hinterfragen muss. Es geht beim Reiten nicht um ein Schema F, sondern darum, das Pferd zu unterstützen. Wenn man sich auf den Weg macht, in das Pferd hineinzuhorchen, dann kommt man weiter. Das versuche ich vorzuleben.

Wie gehen Sie aus Rückschlägen gestärkt hervor?

Im ersten Moment ist es bitter, weil man emotional involviert ist. Ich bin ein Mensch, der sich selbst hinterfragt. Ich muss mich dann immer erst einmal sammeln und dann überlegen, was der Grund für den Rückschlag oder eine Verletzung ist. Ich versuche, es zu analysieren und in die richtige Richtung zu verändern. Ich will immer daraus lernen und dann den Fokus neu setzen. Den Weg darf man nicht aus den Augen verlieren. Es gibt immer Rückschläge, aber es geht auch immer wieder nach vorne. Rückschläge lassen Reiter besser werden.

Was haben Sie von den Pferden gelernt?

Jedes Pferd ist individuell. Das Ziel, Pferde verstehen zu wollen, hat mich sehr geprägt. Die mentale Flexibilität, die die Pferde von mir verlangen, und das individuelle Eingehen auf jedes Pferd haben mich geprägt. Die Ruhe zu bewahren und an ein Pferd zu glauben, das kommt vom Reiten. Der Glaube an mich selbst, der Glaube ans Pferd – das haben mich die Pferde gelehrt. Den Spaß am Sport zu bewahren, auch wenn es mal steinig ist, haben die Pferde mich gelehrt. Zum Reiten gehört viel Geduld und sehr viele Emotionen.

Das Interview mit Dorothee Schneider haben wir für unsere Serie "Unsere Reitmeister" geführt. In jeder Reiter Revue-Ausgabe stellen wir einen Reitmeister vor. Sie wollen mehr über die Größen des Reitsports erfahren? Dann klicken Sie sich doch mal zu einem Heft.