Herpes-Infektion: Infos für Pferdebesitzer
Info zum Herpesvirus generell:
Bei den Equinen Herpesviren handelt es sich um kleine (250 nm große) Partikel, die nach Infektion über die oberen Atemwege in die entsprechenden Körperzellen des Pferdes eindringen, sich dort vermehren und diese zerstören. Verborgen in den Wirtszellen, sind sie der körpereigenen Abwehr nur schwer zugänglich. Man unterscheidet 5 Subtypen, wobei vor allem EHV1 (Atemwegserkrankungen, Aborte, neurologische Form) und EHV4 (Atemwegserkrankungen) von größter Bedeutung sind.
Herpesinfektionen sind in der Pferdepopulation weit verbreitet (Reed 2005). Schätzungsweise sind bis zu 60 Prozent und mehr Pferde weltweit latent mit EHV1 und /oder EHV4 infiziert (Lunn et al. 2009).
Aber auch in Deutschland hatte fast jedes Pferd, genauer gesagt 85 bis 90 Prozent, schon einmal Kontakt mit einem equinen Herpesvirus. So beträgt die Seroprävalenz für EHV4 nahezu 100 Prozent, für EHV1 wird der serologisch positive Anteil etwa auf 50 bis 80 Prozent geschätzt. Daher werden auch in klinisch gesunden, nicht geimpften Beständen kaum seronegative Tiere gefunden.
Eine Infektion mit equinen Herpesviren ist jedoch altersunabhängig und damit jederzeit möglich. Jedoch infizieren sich vermutlich die meisten Pferde während der ersten Lebenswochen oder -monaten (Foote 2004) (Quelle: MSD Tiergesundheit)
Vorkommen & Bedeutung
Neben Aborten und vereinzelten respiratorischen Erkrankungen verursacht EHV1 auch neurologische Erkrankungen, die durch Paresen und Paralysen (unvollständige oder vollständige Lähmungen) gekennzeichnet sind und in der Mehrzahl der Fälle zum Tod des Tieres führen. EHV1 bedingte neurologische Erkrankung können sporadisch oder epizootisch, also grenzüberschreitend, auftreten (Stierstorfer et al. 2002). Vor allem in den letzten Jahren scheint die neurologische Form der EHV1 Infektion häufiger aufzutreten (APHIS 2007, Lunn et al. 2009). Auffällig ist die Saisonalität der Ausbrüche der neurologischen Form im Spätherbst, Winter und im Frühjahr (Goehring et al. 2006).
Besonders häufig ist bei der neurologischen Form der Phänotyp D752 von EHV1 nachweisbar (Lunn et al. 2009).
Beim Auftreten herpesbedingter neurologischer Störung handelt es sich meist nicht um eine Neuinfektion, sondern um eine Reinfektion mit EHV1 (Bitsch und Dam 1971) beziehungsweise um das Reaktivieren einer latenten beziehungweise bestehenden Infektion. Ursache für das Reaktivieren einer latenten EHV Infektion kann jede Form von Stress sein, besonders häufig wird jedoch von einem Ausbruch der neuronalen Form nach dem Einstellen neuer Pferde in die Herde berichtet (Goehring et al. 2006).
Virusübertragung & -vermehrung
Die wichtigste Art der Virusübertragung ist die Schmier- und Tröpfcheninfektion durch Aufnahme von virushaltigen Sekreten der Atemwege infizierter Tiere, vorwiegend durch Schnauben und direkten Kontakt. Die Übertragung durch Aerosole hängt von der Infektiösität des Virus, den Klimabedingungen und dem Abstand zwischen den Tieren ab (van Maanen 2002). Für die Viruskonzentration in der Luft spielt es auch eine wichtige Rolle, ob die Pferde auf der Weide oder in geschlossenen Ställen gehalten werden. Bedeutende Infektionsquellen stellen zudem abortiertes Fetalmaterial, die Nachgeburt und die Fruchthüllen dar, die große Mengen an infektiösem EHV1 enthalten (Slater 2007).
Latent (ohne klinisches Erscheinungsbild) infizierte Pferde stellen ein Virusreservoir dar und scheiden das Virus unbemerkt, mal mehr mal weniger stark aus. Dadurch erhöht sich der Infektionsdruck im Bestand. (Quelle: MSD Tiergesundheit)
Die Symptome der neurologischen Form
Der zeitliche Abstand zwischen initialer Herpesvirusinfektion und den folgenden neurologischen Symptomen beträgt etwa sechs bis zehn Tage (Allen 2002).
Die klinischen Symptome der neurologischen Form können sehr unterschiedlich sein. Die Schwere der Erkrankung hängt ab vom Ausmaß der neurodegenerativen Schädigung. Möglich sind milde Verlaufsformen mit einer nur leichten Ataxie, über Paresen und vollständigen Paralysen. Zusätzlich kann eine Schweif-, Anus- und Blasenlähmung mit Inkontinenz auftreten (Reed 2005). Festliegende Tiere müssen meist aufgrund von Komplikationen eingeschläfert werden. Den Höhepunkt erreicht die klinische Problematik meist innerhalb der ersten 2-3 Tage nach Beginn der Erscheinungen (Allen 2002).
Die Behandlungsmöglichkeiten von EHV bedingten neurologischen Störungen sind begrenzt und lediglich rein symptomatischer Natur.
Symptome der respiratorischen Form, vor allem EHV4
Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 10 Tagen kommt es zu wässrigem Nasenausfluss, flachem, feuchten Husten, einer Schwellung der Kehlgangslymphknoten und Entzündung des Hals- und Rachenraums, sowie zu einem Anstieg der Körpertemperatur auf 38,8 bis 39,5°C für wenige Tage (Brunner et al. 1998). Gelegentlich ist auch eine Konjunktivitis, also eine Bindehautentzündung, bei den betroffenen Pferden zu beobachten. Einige Pferde entwickeln auch einen Leistungseinbruch.
Ohne Komplikationen klingt die meist nur subklinisch auftretende Infektion der oberen Atemwege binnen 8 bis 14 Tagen wieder ab. Zu einem akuten Verlauf kommt es vor allem bei Fohlen, Absetzern und Jährlingen. Durch bakterielle Sekundärinfektionen kann die Leistungsfähigkeit und die Belastbarkeit des Pferdes erheblich eingeschränkt werden. Besonders häufig treten Streptokokken auf, durch die es zu einem schleimig-eitrigen Nasenausfluss und einer Lungenentzündung kommen kann. Aber auch eine sich anschließende Infektion der unteren Atemwege mit starkem Husten, Lungenentzündung und teilweise Fieber kann die Folge sein. Unbehandelt ergeben sich aus solchen Sekundärinfektionen häufig chronische Atemwegserkrankungen mit irreversiblen pathologischen Veränderungen der Lunge. Nicht selten sind es solche EHV Infektionen, die den Anfang einer chronisch verlaufenden Lungenentzündung (COB) darstellen (Weinbrenner 2004).
Therapiert werden nur akute Fälle. Zum Einsatz kommen dann Fiebersenker, Antibiotika und unspezifische Paramunitätsinducer.
Impfungen
Vor allem die Impfungen gegen Herpes sind hochdiskutiert wegen ihrer vermeintlichen Nebenwirkungen und dem dagegen stehendenden Nutzen bei Einzeltierimpfung im Bestand.
Verschiedenen Quellen zufolge lag die Anzahl der Herpes-geimpften Pferde in Deutschland in den letzten Jahrzehnten bei maximal 30 bis 40 Prozent der Pferdepopulation. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren auf nur noch knapp 10 Prozent gesunken.
Zusammen mit der Tetanusimpfung gehören die Impfung gegen EHV und das equine Influenzavirus zu den sogenannten Core-Impfungen, die von der Ständigen Impfkommission Veterinär (StIKo Vet.) sowie von der FN und anderen Reit- oder Züchtervereinigungen für jedes Pferd zu jeder Zeit empfohlen werden. Zwar schreibt die FN für Turnierpferde im Moment nur eine alle sechs Monate aufzufrischende Impfung gegen die Equine Influenza vor, empfiehlt aber auch die regelmäßige Bestandsimpfung gegen EHV, da es aufgrund des relativ geringen Anteils geimpfter Pferde immer wieder zu Atemwegserkrankungen, seuchenhaften Abortstürmen und neurologischen Symptomen kommt, verursacht durch die EHV Virusspezies 1 und 4. (Quelle: MSD Tiergesundheit)
Obgleich die Folgen einer Herpeserkrankung für Reiter und Züchter gleichermaßen katastrophal sein können und die Wirksamkeit sowie der Schutz der Bestandsimpfung gegen EHV in vielen Studien bewiesen wurden, sind noch immer viel zu wenige Tiere geschützt. Aktuell werden nur 30 bis 50 Prozent aller Pferde gegen Herpes geimpft. Die Herdenimmunität gegen Herpes ist nach wie vor unvollständig, da von einem Bestandsschutz erst ab einer Impfdichte von ungefähr 70 bis 80 Prozent in der Population gesprochen werden kann.
In geimpften Beständen kann die Virusausscheidungen um bis zu 90 Prozent gesenkt werden, sodass die frei zirkulierende Virusmenge dort verglichen mit nicht geimpften Beständen nur noch 10 Prozent beträgt. Dadurch wird auch die Zahl der Neuinfektionen erfolgreich reduziert und möglicherweise können sogar Infektionsketten unterbrochen werden.
Als Schutz vor durch Herpesviren induzierte Erkrankungen sollte der gesamte Bestand regelmäßig gegen EHV geimpft werden. Das empfiehlt neben der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet.) in ihrer Leitlinie zur Impfung von Pferden auch die FN. So gibt die FN in ihrem Regelwerk LPO zum Impfschutz gegen Influenza zusätzlich eine Empfehlung zur Impfung gegen Herpesvirusinfektionen und erachtet die Impfung gegen Tetanus als selbstverständlich.
Jedoch ergibt sich durch die Schutzimpfung kein 100-prozentiger Schutz des Einzeltieres und die Immunität ist zudem nur von kurzer Dauer, wodurch sich auch das relativ häufige Impfintervall von nur 6 Monaten für die equinen Herpesimpfungen erklärt. Zu lange Impfintervalle können zu einer immunologischen Lücke führen und großangelegte Impfprogramme gefährden oder scheitern lassen.
Immunabwehr
Die Immunabwehr, einfach formuliert, besteht aus einer zellulären Komponente (Unschädlichmachung zum Beispiel von Viren befallener Zellen) und einer humoralen Komponente (Bildung spezifischer Antikörper). Beide Komponenten werden durch eine Impfung aktiviert. Das zelluläre System steht schnell, innerhalb weniger Tage zur Verfügung, die humorale Antwort dauert etwas länger. Im Rahmen jeder Impfung kommt es durch die beabsichtigte Reaktion des Körpers auf den Impfstoff immer zu einer kurzfristigen Herabsetzung der körpereigenen Abwehr. Es wird diskutiert diese zeitliche Lücke durch unspezifische Paramunitätsinducer, wie „Zylexis“ minimieren zu können.
Vorsorge für die Impfung:
- an mindestens zwei Tage vor der Impfung tägliche Temperaturkontrolle, Voraussetzung für die Impfung ist ein fieberfreier und klinisch unauffälliger Pferdebestand!
- keine Verwendung von polyvalenten Impstoffen, also Kombinationsvakzinen, beispielsweise gegen Herpes und Influenza. Bereits EHV-grundimmunisierte Pferde können problemlos wiederholt gegen EHV geimpft/ „geboostert“ werden.
- Einhaltung der empfohlenen Ruhepause von einigen Tagen um den Zeitpunkt der Impfung.
- Möglichst viele Tiere des Bestandes durch impfen zu immunisieren (auch alte und junge Pferde!)
- ungeimpfte Pferde eventuell räumlich gemeinsam von geimpften Beständen des Betriebes zu trennen
- absolute Einhaltung der Hygienebarrieren für einen Zeitraum von etwa vier Wochen, beziehungsweise solange eine erhöhte Gefährdung durch erkrankte Bestände in der unmittelbaren Nachbarschaft besteht. Eine begonnene Impfung/Immunisierung bedeutet keinen sofortigen verbesserten Schutz vor einer akuten Herpesinfektion, stellt aber im Rahmen der insgesamt zu erfassenden Maßnahmen eine zusätzliche Option dar, die Virusausscheidung in einem Betrieb sinnvoll zu begrenzen und somit den Infektionsdruck deutlich zu verringern.
Empfehlung für das Verhalten innerhalb EHV-exponierten Regionen
Eine Herpesinfektion ist nach Ausbruch auf einem Hof bei Einhaltung von Hygienbarrieren gut auf diesen Bereich zu begrenzen.
Personen- und Pferdeverkehr aus, beziehungsweise in Herpes-positive Ställe ist absolut zu untersagen!
Allegemein ist es empfehlenswert, den Personen- und Pferdeverkehr (Lehrgänge, Turniere, Stallwechsel und dergleichen), abhängig von der tatsächlichen Entfernung zu den Ställen/Regionen in denen EHV-Infektionen bestätigt wurden, auf ein Minimum zu reduzieren. Zusätzlich bedeutet jeder Transport oder Stallwechsel für ein Pferd Stress und somit eine zusätzlich Beanspruchung des Immunsystems, die zu einer Immunsupression und dadurch Begünstigung des Ausbruchs einer Herpeserkrankung führen kann.
Personen, wie Tierärzte, die zwischen diesen Ställen verkehren müssen, haben individuelle Schutzkleidung, Handschuhe und Schuhschutz zu tragen. Hände waschen, Hände desinfizieren und Benutzung von Desinfektionswannen nach Verlassen betroffener Ställe und vor Betreten „gesunder“ Ställe, unterbinden die Virusübertragung.
Direkter Nasenkontakt mit den Pferden ist zu vermeiden. Insbesondere über Nasensekret, das unter günstigen Bedingungen mehrere Tage durchaus auf Kleidung und glatten Oberfächen infektös bleibt, wird die Erkrankung übertragen.
Regelmäßige/tägliche Temperaturkontrolle. Rektal gemessene Körpertemperaturen über 38,0 °C in absoluter Ruhe, sollten mit dem behandelnden Tierarzt besprochen werden.
Bei EHV-Ausbruch in Pferdebestände im Umkreis – was tun?
- Ein Ausbruch einer EHV-1-Infektion bleibt meistens auf einen Bestand beschränkt. Zur Ausbreitung in andere Bestände kann es aber beispielsweise bei direktem Zaunkontakt kommen, oder dann wenn ein Pferd aus einem infizierten Betrieb in einen anderen wechselt. Sehr unwahrscheinlich ist die Übertragung des Virus durch den Behandelnden (Hände, Gegenstände oder Kleidung) bei intakten Hygienebarrieren (Einmalhandschuhe, Kittel, Kopfbedeckung, Handhygiene, Desinfektionsmatte), es sei denn es wird grob fahrlässig gehandelt. Unter virus-günstigen Umständen, gleichbleibende Temperaturen, geschützt vor Sonneneinstrahlung und Austrocknung, kann das Virus auf Textilien und glatten Oberflächen für mehr als 24 Stunden infektiös bleiben. Tierärzte, Pferde-Zahnärzte und Hufschmiede sollten den Besuch eines Bestandes unter Quarantäne zum Ende einer Tagestour einplanen. Betriebseigene Kleidung und Schuhwerk sollte vor Betreten der Stallungen angezogen werden, und bei Besuch von mehreren Tieren sollte das Prinzip "von Sauber nach Schmutzig" beachtet werden: "Individuelles Tier = individuelle Schutzkleidung!" Materialien wie Nasenschlundsonde, Bremse, Zahngerätschaft, Hufuntersuchungs- oder bearbeitungsmaterial müssen nach Benutzung in seifigen Desinfektionslösungen gereinigt werden. Es handelt sich hier um Vorsichtsmaßnahmen. Eine Virusübertragung von einem Bestand auf den anderen ist bei Beachtung dieser Regeln nahezu ausgeschlossen.
- Die räumliche Distanz zwischen Betrieben aber auch zwischen Pferden bietet die größte Sicherheit um eine Übertragung von Virus zu vereiteln.
- Während eines Ausbruches in der Region wird geraten, den Kontakt mit bestandsfremden Pferden zu meiden. Veranstaltungen oder Lokalitäten bei denen Pferde aus verschiedenen Beständen zusammenkommen, sollten gemieden werden.