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Kolumne

Die Schlammschlacht

Reiten ist ein Outdoor-Sport. Und das bedeutet, dass Pferd und Reiter nicht zu zimperlich sein dürfen, was Dreck angeht. Manchmal verzieren uns eben Matsch-Sprenkel statt Glitzersteinchen.

Schlammbad? Ein Genuss für diesen niedlichen Vierbeiner. Nur die Nachbereitung ist dann extrem aufwendig.

Kinder lieben es, im Matsch zu spielen und sich dreckig zu machen. Wenn es mal nicht geregnet hat und keine Matschgrube in greifbarer Nähe ist, wird eben der Sandkasten geflutet. Mit zunehmendem Alter verschwindet er irgendwie, dieser Drang sich in jeder Situation und bis zur Unkenntlichkeit von oben bis unten mit Modder zu bedecken. Vielleicht, weil Mama sich mittlerweile nicht mehr um die Wiederherstellung des Urzustandes kümmert und dafür sorgt, dass die Klamotten sauber und duftend im Kleiderschrank liegen ...

So schaute ich auch eher semi-begeistert aus der Wäsche, als eines Abends die wöchentliche Springstunde auf dem Plan stand, das Wetter aber mal so gar nicht mitspielte. Der Regen der vergangenen Tage hatte den Springplatz in ein Abenteuer-Wellenbad verwandelt. Aber egal ob es regnet, hagelt oder die Temperaturen auch nur knapp über dem Gefrierpunkt liegen – noch steht der Parcours draußen. Also wird „Open Air“ geritten. Und wir Reiter sind ja dafür bekannt, hart im Nehmen zu sein. Jetzt war es also an der Zeit, das unter Beweis zu stellen.

Zugegeben: Es kostete Überwindung, mit frisch geputzten Stiefeln durch die Moorlandschaft namens Springplatz zu waten, um die Hindernisse an Ort und Stelle zu rücken. Mehr oder weniger anmutig versuchte ich die Kontamination mit Schlamm und Wasser auf ein Minimum zu reduzieren. Doch ein unüberlegter Schritt und das Wasser schwappte über meinen Fuß und krochdurch die Löcher der Schnürsenkel in meinen Stiefel. Jackpot. Innerhalb kürzester Zeit verwandelte sich mein Fuß in einen Eisklumpen. Aber Rückzieher machen gibt’s nicht, schon gar nicht bei Reitern! Während ich mich also noch über den See in meinen Stiefeln ärgerte, setzte Petrus noch einen drauf: Ein Hagelschauer prasselte auf uns nieder, während wir Fänge, Stangen und Planken durch den Morast zogen. Endlich im Sattel, ließ sich tatsächlich noch die Sonne blicken. Sollte sich doch alles zum Guten wenden? Eine abrupte Vollbremsung riss mich aus meinen Tagträumen. Zu früh gefreut, das Pony hatte sein Seepferdchen noch nicht gemacht. Also Schenkel dran, ein motivierender Klaps mit der Springgerte, um meine Argumentation nochmals zu unterstreichen und schon hüpfte es mit einem Satz über die Eingangsschwelle auf den Reitplatz. Man könnte fast sagen: Es stürzte sich in die Brandung. Bei seiner eleganten Landung auf allen Vieren spritzte ordentlich Schlamm umher. Meine Stiefel konnte man ja schon vergessen, bevor ich überhaupt aufs Pferd gestiegen war. Nun waren also auch Sattel, Reithose und natürlich mein Gesicht mit Matsch-Sprenkeln übersät.Was soll’s, Schlammpackungen machen ja angeblich schön.

Und dann kam sie tatsächlich, die Wendung in meinem persönlichen Feierabend-Krimi. Im Galopp und nach den ersten Sprüngen machte es plötzlich Spaß, sich mal wieder so richtig dreckig zu machen. Wie damals im überfluteten Sandkasten. Auch mein Pony schien Gefallen an der Schwimm... – äh – Springstunde zu haben. Nach dem Training ging es dann mit nassen Füßen,voller Matsch und einem Lächeln im Gesicht zur Schrittrunde ins Gelände. Der Regen, der mittlerweile wieder eingesetzt hatte, war nun eine willkommene Abkühlung. Nutzte aber nur wenig, denn wieder am Stall angekommen, sah mein Pony aus aus wie nach seinem ersten Tough Mudder – Sie wissen schon, dieser Lauf, bei dem die Teilnehmer sich durch Schlammgruben wühlen müssen. Nach einer halben Stunde Premiumwäsche mit extra Unterbodenreinigung stand zumindest das Pony sauber, zufrieden und Heu knabbernd in seiner Box. Jetzt musste nur noch ich irgendwie nach Hause kommen, ohne dabei den Wert meines Autos um mehr als die Hälfte zu senken. Den Fahrersitz verkleidete ich also stilvollmit gelben Müllsäcken – es gibt für alles eine Lösung. Und nach einer heißen Dusche dachte ich: „Geiler Abend.“ Ja, Kinder lieben es im Matsch zu spielen – Reiter anscheinend auch.

Diese Kolumne ist in der Juni-Ausgabe 2016 erschienen, das Thema ist aber jedes Jahr wieder aktuell! In jeder Ausgabe widmen wir uns in der Kolumne "Durchgegangen" den kleinen Momenten des Reiterlebens. Der Beitrag in der aktuellen April Ausgabe 2023 ist geradezu elektrisierend. Verpass keine Ausgabe mehr und sicher dir hier dein Reiter Revue Abo.