Zum Inhalt springen

Drücken Sie Öffnen / Eingabe / Enter / Return um die Suche zu starten

Reithalfter im Experten-Check

Kombiniertes, Hannoversches und Englisches Reithalfter sind die Klassiker am Pferdekopf. Wie sie wirken und welche Vorteile die unterschiedlichen Modelle haben, erklären unsere Experten Martin Plewa, Dr. Kathrin Kienapfel und Thies Kaspareit.

Das Kombinierte Reithalfter sieht man sehr häufig am Pferdekopf. Aber ist es auch das beste?

Das Reithalfter gehört zur Trense wie die Butter zum Brot. Natürlich gibt es manche, die lieber „ohne“ reiten, so wie es eben auch Menschen gibt, die ihr Brot lieber ohne Butter essen. Geschmackssache. Für alle anderen ist das Reithalfter aber mehr als ein Accessoire. Und auch laut dem ersten Band der „Richtlinien für Reiten und Fahren“ vervollständigt ein Reithalfter die Zäumung: „Es darf weder zu eng noch zu weit verschnallt werden. Ein Reithalfter bietet eine gewisse Begrenzung der Kieferbeweglichkeit, darf diese aber niemals unterbinden.“

Mit der „Zwei-Finger-Regel“ kann man überprüfen, ob das Reithalfter richtig sitzt. Dafür werden einfach zwei Finger am Nasenrücken unter das Reithalfter geschoben. Passen sie problemlos drunter, hat das Reithalfter die richtige Weite. In den Richtlinien werden verschiedene Reithalfter vorgestellt: Das Englische, Kombinierte, Hannoversche und das Mexikanische. „Korrekt verschnallt, beeinflussen sie das Pferd kaum“, sagt Pferdewirtschaftsmeister und Reitmeister Martin Plewa.

Unsachgemäßes Verschnallen führt zu Verspannungen

Aber warum heißt es dann im Volksmund, dass manche Reithalfter schärfer sind als andere? „Die Reithalfter wirken dann stärker auf den Pferdekopf ein, wenn sie nicht korrekt verschnallt sind. Manche kann man sehr stramm ziehen“, sagt der Ausbilder und mahnt: „Die unsachgemäße Verschnallung beeinträchtigt die Kautätigkeit des Pferdes oder unterbindet sie sogar völlig. Kann das Pferd nicht kauen, verkrampfen die Kopf-Hals-Muskulatur, also die Muskeln zwischen Genick sowie erstem und zweitem Halswirbel, und die Unterhalsmuskulatur. Das Pferd verspannt sich dann, gibt den Rücken nicht her und versucht gegen den Zügel zu gehen. Manche schnallen die Riemen dann noch enger. Das Schlimmste, was man in dem Fall tun kann.“ Bei mauligen Pferden rät Plewa, den Nasenriemen und den Kinnriemen weiter zu stellen. „So erreiche ich, dass das Pferd Zunge und Unterkiefer bewegt und sich die Muskeln wieder lösen.“

Auch Dr. Kathrin Kienapfel mahnt, das Reithalfter keinesfalls zu eng zu verschnallen. „Der Zweck eines Reithalfters ist es, das Aufsperren des Mauls zu begrenzen. Wer ein Reithalfter richtig zuzieht, macht dies nur, um seine eigene Inkompetenz zu vertuschen, weil die Pferde wegen zu harter Hand sonst sperren. Bei feiner Hilfengebung und einer ruhigen Hand braucht man keine Fessel.“ Sie hat in einer wissenschaftlichen Untersuchung in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Dr. Holger Preuschoft festgestellt, dass für die Enge eines Reithalfters der enger geschnallte Riemen maßgeblich ist. Nasen- und Kinnriemen schränken die Kieferbeweglichkeit also gleichermaßen ein. „Wer testen möchte, ob das Reithalfter korrekt sitzt, muss deshalb beide Riemen überprüfen und zwar nicht etwa an der Seite, sondern auf dem Nasenrücken.“ Das gilt für alle Reithalfter.

Sie wollen mehr Tipps rund ums Thema Ausbildung, Fütterung und Gesundheit? Dann testen Sie die Reiter Revue im Mini-Abo!

Die Reithalfter im Experten-Check

Das Hannoversche Reithalfter

Es besteht aus einem Nasenriemen, der sich zu den Seiten hin verjüngt und an beiden Enden mit kleinen Ringen versehen ist, an denen sowohl der Kinnriemen als auch das Genickstück befestigt sind. Besonders wichtig ist hier die korrekte Lage des Nasenriemens. „Er muss etwa vier Zentimeter über dem Nüsternrand liegen, um nicht auf den empflindlichen Nasenknorpel zu drücken“, erklärt Martin Plewa. Beim Verschließen darf der Nasenriemen nicht an das Gebiss stoßen, dann wäre er zu groß. Ist er zu klein, drückt das Seitenstück auf das Jochbein. „Diesem Reithalfter wird unterstellt, dass es ein Aufsperren das Mauls am ehesten verhindert“, sagt Plewa.

Stimmt nicht, wenn bei fest verschnalltem Kinnriemen genügend Platz für zwei Finger zwischen Nasenriemen und Nasenrücken bleibt. Ausbildungsexperte Thies Kaspareit umschreibt die Wirkung des Hannoverschen Reithalfters so: „Im Vergleich zu dem Kombinierten Reithalfter überträgt das Hannoversche den Zügeldruck vom Unterkiefer etwas direkter auf den Nasenrücken, auf dem es auch etwas tiefer liegt. Wenn Pferde darauf gut reagieren, kommt man als Reiter besser zum Nachgeben. Das ist die gewollte Funktion, die jedes Reithalfter erfüllen sollte. Und wie jedes andere, muss auch das Hannoversche korrekt verschnallt sein."

Das Hannoversche Reithalfter ist ein Klassiker.

Das Englische Reithalfter

Es liegt deutlich weiter oben als das Hannoversche Reithalfter. Der Nasenriemen sollte zwei Zentimeter unter dem Jochbein des Pferdes liegen. „Es ist das Reithalfter, bei dem es prinzipiell heißt, dass sich die Pferde dagegen am leichtesten wehren beziehungsweise das Maul am besten öffnen können“, gibt der erfahrene Ausbilder Martin Plewa die landläufige Meinung wieder. Daran zweifeln Kathrin Kienapfel und Holger Preuschoft und haben dies auch in einer empirischen Untersuchung belegt: Sie haben an einem Pferdeschädel überprüft, wie weit sich das Maul mit unterschiedlichen Verschnallungen öffnen lässt. „Ein enger Riemen allein, egal wo er um den Kiefer liegt, begrenzt die Öffnung des Mauls“, sagt Kienapfel. Um dem Pferd das Kauen zu ermöglichen, muss zwischen den Schneidezähnen ein Mindestabstand von 17 Milimetern sein.

„Um diesen Abstand zu gewähren, muss der Nasenriemen um ein bis zwei Löcher weiter als beim vollständigen Schluss der Zähne eingestellt werden, und das gilt für alle Reithalfter!“ Kienapfel folgert daraus weiter: „Der Nasenriemen sollte, ausgehend vom zugezogenen Maul, zwei Löcher nachgelassen werden, um dem Pferd wirklich Erleichterung zu verschaffen. Wer den Riemen nur ein Loch weiter stellt, ermöglicht es dem Pferd, gerade mal ein Zuckerstück aufzunehmen.“

Das Kombinierte Reithalfter

Es ist das verbreiteste Reithalfter und ergänzt sozusagen das Englische Reithalfter um einen Kinnriemen. „Häufig wird dazu auch Sperrriemen oder auch Pullerriemen gesagt, aber das weckt falsche Assoziationen. Es ist kein Riemen, mit dem das Maul zugesperrt wird, vielmehr sollte er lockerer verschnallt sein als der Nasenriemen“, sagt Martin Plewa. Wenn der Kinnriemen ein halbes bis ein ganzes Loch lockerer sei als der Nasenriemen, sitze er richtig, so Plewa.

Das Kombinierte Reithalfter sieht man am häufigsten am Pferdekopf.

Kritiker sagen, dass der Riemen die Atmung behindere und der Unterkiefer nicht mehr seitlich verschoben werden könne. Stimmt nicht, weiß Plewa – bei korrekter Verschnallung. Vielmehr übt der Riemen einen leichten Gegendruck beim Aufsperren des Mauls aus. Eine Studie der Universität Bielefeld ergab, dass der einzige Unterschied zwischen der Englischen und der Kombinierten Zäumung darin besteht, dass die am Unterkiefer wirkenden Kräfte beim Kombinierten auf zwei Stellen verteilt werden und nicht an einer Stelle konzentriert wirken.

Das Mexikanische Reithalfter

Beim Mexikanischen Reithalfter gibt es zwei verschiedene Arten der Verschnallung: Bei der ersten verläuft der obere Riemen unterhalb des Jochbeins. Also im Prinzip wie beim Kombinierten Reithalfter. Bei der zweiten Variante läuft der obere Riemen über das Jochbein des Pferdes. „Hier heißt es, dass der Riemen auf Akupunkturpunkte des Pferdes drücken kann“, weiß Martin Plewa. Außerdem ist zu beachten, dass die Sperrwirkung geringer ist, wenn der Winkel der sich kreuzenden Riemen größer ist. Außerdem kann der Punkt, an dem sich die Riemen kreuzen, erheblichen Druck auf den empfindlichen Nasenrücken ausüben. „Daher ist er auch oft gepolstert“, sagt Martin Plewa. In seinen Augen liegt ein wesentlicher Unterschied zum Kombinierten Reithalfter darin, dass Mexikanische Zäume häufig aus sehr dünnen Riemen bestehen. Schick, aber nicht unbedingt angenehm für das Pferd: „Je dünner der Zaum ist, desto mehr Kraft wirkt punktuell ein. Ist die Auflagefläche doppelt so groß, wirkt nur noch ein Viertel der Kraft ein.“ Jedoch warnt er auch vor zu dicken Lederteilen: „Kürzlich habe ich ein Pony mit einer so massiven Trense gesehen, dass die Lefzen beim Annehmen des Zügels schon am Reithalfter hingen. Das darf auch nicht sein.“

Das Micklem Bridle

„In meinen Augen ist das Micklem Bridle ein sehr vernünftiges Modell, das mich an das Bügelreithalfter erinnert, das leider aus der Mode gekommen ist“, so Plewa. Der Vorteil liegt seines Erachtens darin, dass der Nasenriemen recht weit oben sitzt. Außerdem sei der Unterkiefer im positiven Sinne mit zwei Riemen auf der Rückseite fixiert – gut für die Druckverteilung. Auch die FN hat nichts gegen den Micklem-Zaum, sondern hat ihn als eine Variante des Kombinierten Reithalfters anerkannt, sodass Turnierreiter damit auch in den unteren Klassen starten dürfen. „Mit einer Einschränkung: Die Fixierung der Gebissringe am Nasenriemen ist nicht erlaubt. Damit würde die Wirkweise eines gebisslosen Zaums mit der eines Zaums mit Gebiss kombiniert, das ist nicht zugelassen“, so Kaspareit.

Das Schwedische Reithalfter

„Das Schwedische Reithalfter wird mit einer Umlenkrolle verschlossen, dadurch ergibt sich der sogenannte Flaschenzugeffekt. Kurz, man kann es sehr stramm zuziehen. Natürlich ist das nicht regelkonform“, sagt Martin Plewa. Seines Erachtens ist ein Englisches Reithalfter durchaus ausreichend. Kaspareit ergänzt: „Es ist im Prinzip keine eigene Form des Reithalfters, sondern definiert sich lediglich über die Umlenkrolle. Im Turniersport ist es erlaubt, allerdings mit der klaren Einschränkung der Verschnallung und dem Hinweis auf die Zwei-Finger-Regel.“

Der Artikel ist in der September Ausgabe 2015 der Reiter Revue International erstmals veröffentlicht worden.