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Ohne Sattel reiten: eine gute Idee?

Es ist ein Gefühl von Freiheit: reiten ohne Sattel. Aber wie gesund ist die oben-ohne-Taktik für das Pferd? Und sind Reitpads oder baumlose Sättel eine Alternative? Unsere Experten klären auf!

Den Sattel zur Abwechslung mal wegzulassen, kann den Sitz verbessern. Aber man sollte es nicht übertreiben.

Bei all den Diskussionen um passende Sättel atmen viele Reiter tief durch – und stellen sich dann die Frage, ob es nicht besser ohne geht? Als Winnetou der Neuzeit quasi, aber gerne trotzdem im Viereck unterwegs. Viele Profis machen es gelegentlich vor und stellen Videos von sich ins Netz, auf denen sie die kleine Freiheit genießen. Isabell Werth oder Jessica von Bredow-Werndl zum Beispiel haben schon bewiesen, dass auch bei ihren Pferden ohne Sattel Piaffe, Passage und fliegende Wechsel funktionieren. Warum also nicht ganz auf den Sattel verzichten? Aus gutem Grund, betonen die Experten.

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Denn der Sattel sei dazu da, die Druckpunkte des Reiters breiter und gleichmäßiger auf dem Pferderücken zu verteilen, als es ohne Sattel der Fall sei. Der Reiter drücke mit seinen Sitzbeinhöckern ansonsten punktuell in den langen Rückenmuskel des Pferdes. Auf Dauer ein unangenehmes Gefühl, das nicht zur Losgelassenheit führt. „Die grundlegende Frage bei diesen Überlegungen ist doch, warum überhaupt Sättel erfunden wurden“, rollt Anke Just das Thema auf und gibt die Antwort: „Um das Reiten für Mensch und Tier auch über einen längeren Zeitraum erträglich zu machen. Der Sattelbaum dient dem Schutz des Pferdes!“ Pads oder baumlose Sättel sind ihres Erachtens keine Alternative. „Bei den Sattelkissen müssen die Steigbügel irgendwo befestigt werden. Ohne stabilen Sattelbaum werden sie starke Druckpunkte auf dem Pferderücken schaffen.“

Auch für Sattelhersteller Jochen Hennig sind baumlose Sättel und Kissen Augenwischerei und keinesfalls pferdefreundlich. „Die Pads lassen die Dornfortsätze und den Widerrist nicht frei. So kann das Pferd den Rücken nicht korrekt aufwölben.“ Nicht umsonst gebe es in den normalen Sätteln den Ausschnitt für den Widerrist, denn dieser müsse nach rechts und links frei beweglich sein, um überhaupt Biegung zu erlauben.

Vorsicht Ungleichgewicht!

Pferde-Osteotherapeutin Claudia Schebsdat gibt außerdem zu bedenken, dass der Sattelbaum die natürliche Asymmetrie des Reiters auf dem Pferderücken etwas ausgleiche. „Bei baumlosen Sätteln wird das Gewicht viel ungleichmäßiger verteilt. Dadurch passt sich die Muskulatur des Pferdes der Schiefe des Reiters viel schneller an.“

Was sie aber für sinnvoll hält, ist das immer mal wieder kurzzeitige Reiten ohne Sattel. „Man bekommt so eine Idee, wo man hingehört. Das Pferd setzt einen nämlich automatisch an den tiefsten Punkt seines Rückens.“ Dressur-Ausbilder Hubertus von Zedtwitz setzt das Reiten auf dem blanken Pferderücken in seinem Unterricht gezielt ein. „Ohne Sattel lassen sich alle Lektionen reiten. Erst verkrampfen sich die Reiter, aber dann trauen sie sich und lassen los, um die Bewegung durchzulassen. Denn nur so können sie ohne Sattel sitzen. Und das hilft ihnen auch später wunderbar im Sattel.“

Die Energie zurückfedern

Alternativ lässt von Zedtwitz seine Schüler in Sätteln mit großen Sitzflächen und ohne Pauschen reiten. Eine Taktik, die auch Bewegungstrainer Eckart Meyners bevorzugt. Zwar rät er Anfängern, auch schon einmal auf dem blanken Pferderücken den Bewegungsablauf des Tieres zu erfühlen, gibt aber zu bedenken, dass der richtige Sitz nur im Sattel und mit Steigbügeln erlernbar ist. „Das Bein darf nicht hängen, denn dann wird der Winkel des Oberschenkels zu flach“, erklärt er. „Die Energie, mit der der Reiter in den Bügel federt, kommt zu ihm in der Bewegung zurück.“ Ohne Steigbügel verläuft diese Energie sprichwörtlich im Sande. Deshalb ist Meyners auch ein Gegner des Reitens ohne Steigbügel, das viele Ausbilder gerne zur Festigung des Sitzes in ihren Unterricht einbauen.

Sattelpads sind für ihn ebenfalls keine Alternative. „Sie bieten zu wenig Halt und trüben die Wahrnehmung der Bewegung des Pferdes und des eigenen Bewegungsablaufes. Ich überlege immer, warum man so etwas entwickelt.“ Denn um das eigene Gleichgewicht und Gefühl zu schulen, genüge es völlig, in einem passenden Sattel zu sitzen – und sich einfach darauf einzulassen, die eigenen Bewegungen zu erfühlen und auszuprobieren, welche einen positiven Effekt beim Pferd auslösen. Und wie der Experte noch einmal betont: „Fehler müssen dabei erlaubt sein!"

Dieser Artikel ist erschienen in Reiter Revue 4/2015.