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Warum der Sattel zum Reiter passen sollte

Schmerzen sind ein eindeutiges Zeichen, dass der Sattel nicht passt. Nicht nur beim Pferd. Auch der Reiter kann durch Form oder Größe so blockiert werden, dass feine, gezielte Hilfen nicht möglich sind. Zeit, sich Raum zum Sitzen zu verschaffen.

Er muss auf dem Pferderücken liegen, ohne zu blockieren und so geformt sein, dass der Reiter sitzen kann.

Liegt der Sattel gut auf dem Pferd, ist alles in Butter. „Der Reiter kommt schon damit klar“, denken viele Sattler und die Kunden glauben ihnen. Doch der Schein trügt. Irgendwann melden Knie-, Hüft- oder Rückenschmerzen, dass ihre Sitzposition alles andere als perfekt ist. Dass es am Sattel liegt, ist vielen aber selbst dann noch nicht bewusst. Beate Altenkirch, Pferdewirtschaftsmeisterin und Bewegungstrainerin nach Eckart Meyners, sieht in vielen Lehrgängen, dass Reiter gar nicht in der Lage sind, korrekte Hilfen zu geben, weil ihr Sattel sie blockiert: „Für viele Reiter sind die heutigen bewegungsstarken Pferde einfach sehr schwer zu sitzen. Ihnen fehlt zum einen die Balance und zum anderen die positive Körperspannung.“ Deshalb suchen sie die Lösung in Sätteln mit tiefen, kleinen Sitzflächen und großen Pauschen. „Sie fühlen sich vermeintlich ‚fest im Sattel‘“, sagt Altenkirch. „Dicke Pauschen vermitteln das Gefühl, dass sie etwas zum Festhalten sind. Das gibt dem Reiter Sicherheit und Stabilität.“

Was leidet, ist die Balance, ein Gefühl, das viele als statisches Ergebnis von genug Übung sehen. Doch eigentlich impliziert Balance, dass der Körper dauerhaft in Bewegung ist, um seinen Schwerpunkt zu halten. „Wer für diese Beweglichkeit keinen Platz im Sattel hat, kann sich nicht richtig ausbalancieren“, zieht Altenkirch als Fazit. Sattlermeisterin Natalie Diebold hat bereits Fälle erlebt, bei denen eine zu kleine Sitzfläche die Beckenstellung so sehr beeinflusste, dass die Reiter dauerhaft im Hohlkreuz saßen und letztendlich einen Bandscheibenvorfall erlitten. Andersherum kann ein zu breit geschnittener Sattel auch dafür sorgen, dass der Reiter unruhig hin- und herrutscht und sich deshalb mit den Knien festklammert.

Männer- und Frauensättel

Generell ist es wichtig, bei der Wahl des Sattels die Anatomie des Reiters individuell zu betrachten. „Schon zwischen Männern und Frauen besteht ein großer Unterschied im Becken. Das männliche ist eher schmal, aber weniger beweglich als das weibliche“, erläutert Beate Altenkirch. Dementsprechend sollte auch die Sitzfläche angepasst sein. Die Ausbilderin sieht häufig, dass sich Reiter nur an den von Reitlehrern gerne als optimal beschriebenen Linien „Kopf-Rücken-Absatz“ und „Zügel-Faust-Unterarm“ orientieren. Allerdings sind dies lediglich Richtwerte, die durch die individuellen Körperproportionen variieren. „Wichtiger ist, dass der Reiter im Gleichgewicht sitzt und seine Hilfen gezielt koordiniert“, sagt Altenkirch. Sehr gute Reiter können auch für sie nicht optimal sitzende Sättel kompensieren und fühlen sehr schnell, wenn sie nicht genügend Bewegungsfreiheit haben.

Springreiter haben dieses Problem generell selten, weil die Sitzflächen in Springsätteln eher flach sind. Hier spielt nur der richtige Schwerpunkt eine wichtige Rolle. „Ein Sattel, der für Reiter und Pferd richtig ist, ist immer irgendwo ein Kompromiss“, sagt Beate Altenkirch allerdings aus Erfahrung. „Aber es ist wichtig, das Gefühl zu schulen, wann man gut sitzen kann.“ Zwischendurch mal in fremden Sätteln Probe zu sitzen, kann einen definitiv nur weiterbringen.

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Die Sechs-Punkte-Kontrolle für einen passenden Sattel:

1. Der Schwerpunkt

Im Bereich des 15. und 16. Brustwirbels des Pferdes liegt der Sattel optimal im Schwerpunkt. Passt dieser nicht, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Losgelassenheit des Pferdes. „Ist der Schwerpunkt zu weit hinten, hat der Reiter automatisch die Tendenz, im Stuhlsitz zu sitzen“, macht Sattlermeisterin Natalie Diebold deutlich. „Liegt der Schwerpunkt hingegen zu weit vorne, muss der Reiter ständig gegen die Schwerkraft anarbeiten, um richtig mitschwingen zu können und den Sattel nicht in Richtung Schulter zu drücken.“ Auf einen Blick kann man erkennen, ob der tiefste Punkt der Sitzfläche knapp hinter dem Widerrist liegt und der Hinterzwiesel nicht abgekippt ist. Ist alles im Lot, darf man Platz nehmen.

2. Die Sitzflächengröße

„Lieber zu groß als zu klein“, lautet der Tipp von Bewegungstrainerin Beate Altenkirch. Dabei fühlen sich viele Reiter auf kleineren Sitzflächen sicherer, weil sie nicht so viel Bewegungsspielraum haben. Solange die Sitzfläche recht flach ist, bleibt der Reiter in der Regel flexibel genug. Doch viele Dressursättel haben tiefe Sitzflächen, die suggerieren, dass der Reiter näher am Pferd sitzt. Das allerdings ist vor allem davon abhängig, ob der Sattel dem Pferd passt und ideal aufliegt. Tiefe Sitzflächen, wenn sie zu klein gewählt sind, engen den Reiter eher ein. „Die Sitztiefe beeinflusst die Beckenstellung“, erklärt Natalie Diebold. Wichtig ist, dass man das Becken problemlos vor und zurück kippen kann.

3. Die Sitzflächenform

Etwas kniffliger wird es bei der Form der Sitzfläche. Sie variiert von Hersteller zu Hersteller und beeinflusst die Druckverteilung auf Sitzbeinhöcker und Schambein. Auch hier sollte man darauf achten, dass man entspannt sitzen kann und der Mittelpositur genügend Spielraum lässt. „Der Sattler kann an der Sitzfläche aber einiges korrigieren“, sagt Diebold. Dies sollte man besprechen, wenn der Sattel dem Pferd gut passt. „Er muss die Sitzfläche passend abschleifen, damit der Reiter seiner Anatomie entsprechend sitzen kann.“ Denn jeder Mensch ist verschieden.

4. Das Sattelblatt

Ein zu langes Sattelblatt provoziert den Reiter, sein Bein nach hinten zu verschieben, um einwirken zu können. Ein zu kurzes Sattelblatt hat hingegen den Nachteil, dass der Stiefelschaft hängen bleiben kann. Es ist also enorm wichtig, dass das Sattelblatt passt. Den Richtwert definiert Natalie Diebold mit drei bis vier Fingern Platz zwischen dem Stiefelrand unter der unteren Sattelblattkante. Große Reiter mit langen Beinen nutzen gerne ein leicht nach vorne geschnittenes Sattelblatt, damit sie ihre Knie winkeln können und ihr Bein nicht überstrecken. „Das kann funktionieren, provoziert in manchen Fällen aber zum Stuhlsitz“, wägt Dressurrichterin Beate Altenkirch ab.

5. Die Pauschen

Sie geben Halt und verwässern das Gefühl, ausbalanciert zu sein. Aus diesem Grund sollte man sich die Pauschen ganz genau ansehen. „Sie sollten sich nach der Form des Oberschenkels richten“, setzt Natalie Diebold als Maßstab. „Eher breitere Oberschenkel brauchen eine hoch angesetzte, nicht zu runde Pausche.“ Generell gilt: Das Knie soll anliegen, aber nicht klemmen. „Reiter mit langem Oberschenkel klemmen sich mit dem Knie häufig hinter der Pausche fest. Das blockiert die Bewegung im Becken“, gibt die Sattel-Expertin zu bedenken. Auch die Dicke der Pausche ist dabei von Bedeutung. „Am besten ist, einmal auszuprobieren, ob man die Bügel auch deutlich kürzer schnallen und trotzdem noch gut sitzen kann“, rät Beate Altenkirch und gibt den weiteren Tipp, Klettpauschen ruhig einmal komplett zu entfernen. „Man braucht Pauschen nämlich nicht unbedingt und bekommt ein ganz neues Sitzgefühl.“

6. Die Breite des Sattelbaumes

Der Pferderücken gibt die Form des Sattelbaumes vor. Aber auch der Reiter sollte da ein Wörtchen mitzureden haben. „Ein zu schmaler Baum übt häufig Druck auf das Schambein aus, ein zu breiter fördert hingegen ein Verdrehen des Oberschenkels“, gibt Natalie Diebold zu bedenken. Der Reiter sollte demnach auf jeden Fall auf sein Sitzgefühl hören. Zwar muss der Baum zum Pferd passen, aber ein guter Sattler arbeitet an einer guten Lösung für beide Seiten. Schließlich gehört es zu den Grundvoraussetzungen eines losgelassenen Pferdes, dass der Reiter sitzen kann.