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Flug frei!

Freispringen – So wird Ihr Pferd zum Überflieger

Abwechslung, Grundschule, Talentschau – Freispringen erfüllt viele Zwecke und macht den Kopf frei. Noch keine Idee, welchen Freiflug Sie Ihrem Pferd anbieten können? Bei uns finden Sie 14 Meister-Tipps und acht Übungen zum Nachbauen. Guten Flug!

Tipp 1: Flughafen Reitbahn

Eine große Halle wünscht sich jeder Reiter – geht’s ans Freispringen, sind ellenlange Banden eher kontraproduktiv, vor allem bei jungen Pferden. Experten wie Pferdewirtschaftsmeister Harm Sievers verkleinern also zunächst große Reitbahnen auf etwa 20 mal 30 Meter. Dafür verwendet der Holsteiner Freispring-Profi am liebsten Fänge und hängt Latten oder Hindernisstangen dazwischen. Genauso grenzt Sievers die Sprunggasse ab, damit die Start- und Landebahn für das Pferd optisch gut sichtbar ist. „Die Pferde müssen erkennen, wo sie hin sollen“, erklärt Harm Sievers das Ziel.Viele greifen auch zum Flatterband als Absperrung – das geht, sagt Sievers, ist aber zweite Wahl hinter den massiver wirkenden Fängen und Stangen. Das Hindernismaterial sollte übrigens gerade für junge Pferde nicht zu bunt sein, in einheitlichem Material finden Youngster mehr Ruhe.
Die Abgrenzungen sollten beim Freispringen bewusst gewählt werden.

Tipp 2: Die Crew am Boden

Nichts geht über gutes Personal – das ist beim Freispringen nicht anders und gemeint sind damit die hellwachen Helfer, die sich in der Halle verteilen. „Lieber ein Mann mehr als weniger“, ist die Devise von Harm Sievers. „Damit die Pferde nicht erst fünf Mal umdrehen.“ Mit Stimme und Peitsche als Hilfsmittel lotst jeder Helfer von seiner Position aus das Pferd durch die Bahn, gibt die Richtung immer von hinten treibend an. An jeder kurzen Seite sollte sich ein Helfer postieren und „in der Mitte am liebsten auch zwei, damit die Pferde wirklich außenrum gehen“, erklärt Sievers. Wichtigster Mann ist für Harm Sievers der Mann am ersten Sprung: Er ist dafür verantwortlich, dass das Pferd in gutem Tempo in die Sprungreihe galoppiert, er muss blitzschnell und mit Fingerspitzengefühl reagieren. Der erste Helfer darf sich nicht zu früh auf das Pferd zu bewegen, damit es nicht umdreht. „Er muss Ruhe reinbringen, wenn Ruhe gebraucht wird, und unterstützen, wenn es vorwärts gehen muss. Da gehört eine Menge Erfahrung dazu.“ Gute Peitschenführer sind genauso Könner wie gute Reiter – sie haben Einfühlungsvermögen.
Genügend Bodenpersonal ist beim Freispringen unabdingbar.

Tipp 3: Flug-Vorbereitung

Generell, und ganz besonders in der kalten Jahreszeit, geht nichts über ein ausgiebiges Aufwärmprogramm. 15 bis 20 Minuten fleißigen Schritt sollten Sie mindestens einplanen, egal ob an der Hand oder in der Führanlage. Vor den ersten Sprüngen lassen Sie Ihr Pferd noch einige Minuten traben und galoppieren, dann sind auch Sehnen, Bänder, Muskeln und Gelenke startklar und Sie verringern das Verletzungsrisiko. Nur dann erzielen Sie mit dem Freispringen auch den gewünschten Effekt: gelassenes Springen durch den ganzen Körper. „Kommen die Pferde zu kernig in die Halle, kriegt man sie nicht ans Springen, weil sie viel zu verspannt sind“, erklärt Harm Sievers.

Tipp 4: Vielflieger

„Nein, es gibt keine Grenze, was die Anzahl der Hindernisse in der Sprungreihe angeht“, meint Harm Sievers. Bei der Vorbereitung der jungen Pferde auf die Freispringprüfungen bei Körungen und Co. belasse er es jedoch bei der Standardzahl von drei Sprüngen – hier geht‘s um Routine und Sicherheit. Bei älteren, freispringerfahrenen Pferden, für die die Sprunggasse der Abwechslung und der Gymnastik dient, sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. „Dabei kann man dann auch die volle Hallenlänge ausnutzen“, sagt Sievers. Einmal pro Woche einen Tag für Gymnastikreihen einzuplanen, hält der Holsteiner Profi für „‘ne gute Sache“.

Tipp 5: Sprit aus

Vorsicht bei Youngstern, ihnen geht plötzlich und dann sehr schnell die Luft aus, „das dauert manchmal keine 30 Sekunden“, weiß Harm Sievers, „dann kann der Körper nicht mehr und der Geist sowieso nicht.“ Diese Tatsache sollte man nicht unterschätzen und lieber früher aufhören. „Selbst wenn der Sprung an diesem Tag nicht der beste war, ist es besser nur drei, vier Durchgänge freispringen zu lassen, als noch einen fünften Durchgang zu starten. Man provoziert sonst eher eine ‚Baustelle‘ als einen Lerneffekt“, findet Harm Sievers.

Tipp 6: Der Start

Die Pferde in die Reihe hineinlaufen zu lassen, findet Harm Sievers besser, als sie „wie die Löwen bis zum ersten Sprung zu führen“. Auf Körungen habe sich das mittlerweile auch eingebürgert. „Dort lassen sie die Pferde an der kurzen Seite hinein und da stehen dann zwei versierte Peitschenführer, die ohne Einwirkung am Zügel, die Pferde in die Reihe lotsen. Damit haben wir die beste Erfahrung gemacht.“

Tipp 7: Hilfmittel für einen guten Flug

Ab durch die Mitte, lautet das erklärte Ziel beim Freispringen. Die meisten Pferde drängen jedoch zur Bande, oft aus Respekt vor dem Menschen. „Damit sie gerade bleiben und sich nicht an der Bande verhaspeln, arbeitet man mit Stangen oder Fängen an der Bande. Wir haben zum Beispiel Freispringständer an der Bande, in die wir schräg eine Planke legen, damit die Pferde von der Bande wegbleiben. Oder man legt auf den Boden direkt an der Bande eine Planke – da passiert nichts. Stangen sollte man dagegen nicht hinlegen, die Verletzungsgefahr wäre zu groß, wenn sie draufspringen.“ Am besten baue man von vornherein so auf, dass das Pferd gar nicht erst zur Bande drängt. „Dann lernen sie das unglaublich schnell.“

Tipp 8: Höhentraining vermeiden

Das letzte Hindernis in der klassischen Dreier-Kombination bei Freispringwettbewerben ist dasjenige, das in der Höhe verändert wird, in der Regel ein Oxer. Wie hoch man diesen baut, das hängt vom Sprungvermögen des Pferdes ab. Oberstes Gebot ist hier Fingerspitzengefühl. „Legt man die Stange bei einem jungen Pferd ein paar mal zu oft zu hoch und das Pferd macht dabei schlechte Erfahrungen, macht man mehr kaputt als heile“, warnt Harm Sievers. Er setzt lieber auf Breite. Statt 1,30 Meter hoch, nur 1,20 Meter, aber dafür 1,30 Meter breit – „damit bringt man ihnen viel mehr bei als mit irgendwelchen ‚Endhöhen’.“ Ob ein Pferd Talent hat oder nicht, das erkenne man sowieso nicht an den Höhen, die es überwinde (siehe Tipp 14).

Tipp 9: Kurswechsel

Harm Sievers findet, dass man grundsätzlich auf beiden Händen freispringen lassen sollte. Er gibt aber zu, dass er es selbst in der Vorbereitung von Jungpferden auf die anstehenden Prüfungen meist bei der linken Hand belasse. Sie sollen Sicherheit gewinnen, Routine schafft Vertrauen. Wenn aber das Freispringen einen gymnastischen Zweck erfüllen soll, kann und soll man linke und rechte Hand variieren.

Tipp 10: Piloten-Ausbildung

Harm Sievers ist Holsteiner, aber seit Jahren verantwortlich für das Freispringen beim Trakehner Hengstmarkt. Daher weiß er nur zu gut, wie man junge Pferde, die ein halbes Jahr vor der Körung frisch von der Weide und aus dem Herdenverband kommen, an die ersten Sprünge heranführt. Nämlich gleich am nächsten Tag. „Die Pferde sind dann meistens noch locker und entspannt. Das ist für sie am besten und man sieht gleich, was für Typen sie sind.“ Zunächst geht’s bei Sievers nur außenrum und über eine Planke auf dem Boden. „Das ist für die Jungen schon ein kleines Ereignis, wenn sie alleine in dieser Halle sind.“ Ein paar Tage später darf Junior einen kleinen Sprung an der langen Seite wagen. Ein Cavaletti oder ein Mini-Steil von 50 bis 60 Zentimeter mit Cavaletti untergebaut. Es zählt nicht die Höhe, sondern der Weg.

Tipp 11: Düsenjäger

Ein Trick bei erfahrenen, älteren Pferden, die zu flott auf die Reihe zusteuern: eine Planke Mitte der kurzen Seite. Oder: „Die Helfer an der kurzen Seite halten das Pferd auch schon mal an, wenn es zu doll um die Ecke schießt. Der Helfer beruhigt das Pferd und versucht es mit mehr Ruhe in die Reihe zu bringen“, sagt Sievers.

Tipp 12: Tollkühne Bruchpiloten

Es gibt diese Kandidaten, die sich regelrecht in die Hindernisse stürzen. Die Freispringreihe wird zum Mikado-Feld. Ihnen kann geholfen werden. Planken am Boden nach einem Hindernis sind eine Variante. Eine weitere ist das Vorrollen der Unterlegstange eines Hindernisses. Das Pferd springt früher ab und mehr durch den Körper. Aber auch hier gilt: in Maßen und nicht ständig, sonst geht das selbstständige Taxieren verloren.
Eine Planke auf der Erde kann helfen, die Aufmerksamkeit zu steigern.

Tipp 13: Schüchterne Flugbegleiter

Neben den tollkühnen Piloten gibt es auch jene, die eher zaghaft in den Stangenwald steigen. Angsthasen? Nicht unbedingt, oft sind es übervorsichtige Kandidaten. „Die Helfer müssen so ein Pferd an den ersten beiden Sprüngen ein wenig unterstützen, sodass es Sicherheit gewinnt.“ Bei solchen zurückhaltenden Pferden verzichtet Harm Sievers auf Planken vor, zwischen und hinter den Hindernissen. „So ein Pferd soll erst mal einen Rhythmus finden und locker durch die Reihe galoppieren.“

Tipp 14: Die Talentfrage

Ja, man kann Talente beim Freispringen erkennen, „aber es ist nicht immer der, der am besten freispringt, auch der, der am besten im Parcours geht“, sagt Harm Sievers. So sollte man nicht allzu viel auf übersprungene Höhen beim Freispringen geben, sondern mehr auf die Einstellung des Pferdes achten, sein Interieur. Wie verhält es sich beim Freispringen? Wie lernt es, ist es pfiffig? Taxiert es selbstständig den Sprung? Wie verhält es sich, wenn es einen Fehler gemacht hat? Kampfgeist und Cleverness sind die Werte, die Kenner beim Freispringen entdecken.