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Unsere Kolumne über Reitstiefel und das dazu passende Pferd

Von Kronjuwelen und Herdentieren

Haben Sie auch noch ein Paar Stiefel im Keller, das herrlich anzuschauen, aber fürchterlich zu tragen ist? Wir kennen das. Die Lösung: Einfach ein weiteres Pferd kaufen.

Springstiefel neben Dressurstiefeln auf dem Podium. Immer noch eine Seltenheit.

Bei uns Reitern sitzt der Euro locker, könnte man meinen. Zumindest, wenn es um das Wohl unseres vierbeinigen Sport- und Freizeitpartners geht. Oder um neue Reitstiefel. Frauen braucht man die emotionale Bedeutung von Schuhen eigentlich nicht erklären. Ebenso wenig die Tatsache, dass ein Paar nicht ausreicht. Schuhe sind Rudeltiere, hat mal jemand gesagt. Dann sind Reitstiefel wohl Herdentiere.

Ein Paar reicht nämlich ebenfalls bei Weitem nicht aus. Einen weichen mit Schnürung trägt man zum Springen. Einen festen mit geschwungenem Schaft zum Dressurreiten – der macht nämlich das Bein schön lang. Und dünn. Funktional ähnlich wie diese leberwurstfarbenen Stretch-Mieder, in die man sich bei Gelegenheit hineinquetscht, um im Abendkleid kleine Pölsterchen wegzumogeln. Zurück zum Thema. Den lässigen Zweiteiler, bestehend aus Schlupfstiefelette und einem wabbeligen Chap ohne jegliche eigene Statik, trägt man alltags. Also eigentlich immer. Und sollte man sich mit seinem Pferd doch mal unter Leute wagen und tatsächlich aufs Turnier fahren – weil man denkt, man sei gerade so richtig gut in Form – ja, dann holt man seine Kronjuwelen aus dem Keller.

Die Kronjuwelen sind schwarz. Und sie sind steif. So steif, dass man sich genau überlegt, wo und wann man sie anzieht. Denn elegant vorwärtsbewegen kann man sich in ihnen tatsächlich nur auf dem Pferd. Die Rede ist von 500 Euro teuren Dressurstiefeln, Modell Ofenrohr, bei deren Anblick man ein leidiges Seufzen nicht unterdrücken kann. Zum einen, weil die Erinnerungen an aufgescheuerte Kniekehlen wieder lebendig werden. Zum anderen, weil der Gedanke an die Monatsmiete, die man damals für dieses Paar Stiefel ausgegeben hat, noch immer ein bisschen wehtut.

„Damit sitzt man gleich viel besser auf dem Pferd“, rechtfertigt man die Tatsache, dass man sie nicht schon längst verkauft hat. Wenn man sie trägt, bewegt sich knieabwärts nämlich gar nichts mehr. Man könnte also bei einem Unterschenkelbruch rein theoretisch auf den Gips verzichten. „Nein danke, Herr Doktor. Den brauch‘ ich nicht. Ich hab‘ Dressurstiefel.“ Da man sich aber in den vergangenen fünf Jahren weder das Bein gebrochen hat, noch auf einem Turnier war, fristeten die teuren Dinger ihr Dasein ebenso lang unangetastet in der Stiefeltasche im Keller. Zugegeben, ein bisschen aus der Mode gekommen sind sie mittlerweile schon. Und auch der Reißverschluss musste schon einmal geweitet werden. Als man sie das letzte Mal getragen hatte, konnte man nach zehn Minuten seine Füße nicht mehr spüren. Man beendete das Training vorzeitig, weil man befürchtete, die Stiefel hätten die Blutzufuhr gekappt. Wie war das noch gleich mit dem federnden Fußgelenk …?

Irgendwann kam man allerdings zu dem Schluss, dass nicht die Stiefel das Problem sind. Das Pferd ist schuld. In diesem Fall eine zierliche, 1,50 Meter kleine Ponystute. Einst war man sich ganz sicher, dass man mit ihr in naher Zukunft eine L-Dressur reiten würde. Mindestens. Aus diesem Grund kaufte man schließlich die Stiefel. Rein anatomisch gibt es da jedoch ein kleines Problem: Verschnallt man die Steigbügel auf eine Länge, in der man nicht Gefahr läuft, sich mit den Dressurstiefeln die Unterschenkel abzutrennen, baumeln diese weit unter dem Ponybäuchlein. Die Lösung: Man kauft sich einfach noch ein Pferd, eine Nummer größer! Das Pony, die Liebe seines Lebens, behält man natürlich trotzdem. Dafür hat man sie ja, die Springstiefel.

Diese Kolumne ist in der Märzausgabe 2019 der Reiter Revue erschienen. Sie wollen sofort bestens unterhalten werden? Dann klicken Sie doch mal hier für unser Mini-Abo.