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Matthias Alexander Rath: „Ich stelle mich der Kritik“

Matthias Alexander Rath wurde nach seinem Training mit Thiago am vergangenen Wochenende in Neumünster scharf kritisiert. Im exklusiven Interview schildert der Dressurreiter die Situation aus seiner Sicht.

Matthias Alexander Rath und Thiago.

Kronberg – Dressurreiter Matthias Alexander Rath hat am vergangenen Wochenende sein EM-Pferd Thiago zum Training mit zu den VR Classics in Neumünster gebracht. Der elf Jahre alte Totilas-Sohn stammt aus eigener Zucht und ist 2016 gekört worden. In der kurzen, auf Social Media veröffentlichten Videosequenz vom vergangenen Wochenende wirkt der Hengst beim Abreiten angespannt und die Stirn-Nasen-Linie befindet sich deutlich hinter der Senkrechten. Reiter Revue International hat bei Matthias Alexander Rath nachgefragt, wie es zu diesen Bildern kommen konnte. Unsere Anfrage wurde schriftlich beantwortet.

Warum haben Sie Thiago mit nach Neumünster gebracht?

Thiago ist ein außergewöhnliches Pferd und ich habe eine große Verbindung zu ihm. Er hat so viel Charakter und Talent für den Sport. Ich habe ihn mit zum Training nach Neumünster genommen, um ihm noch mehr Vertrauen in dieser großen Atmosphäre zu geben. Natürlich hat er schon einige große Turnierplätze gesehen, aber manchmal fehlt es ihm noch an Sicherheit und Selbstvertrauen. Ich nehme meine Pferde deswegen grundsätzlich gerne einfach zum Training mit zu den Turnieren, vor allem zu Saisonbeginn, um ihnen Selbstvertrauen und Routine in fremder Umgebung zu geben.

Wie sieht Ihre weitere Saisonplanung mit dem Hengst aus?

Die nächsten Wochen genießen wir einfach das Training zu Hause. Thiagos erster Saisonstart ist Ende März in Aachen geplant.

In dem Video, das auf Social Media kursiert, wirkt der Hengst sehr angespannt. Wie können Sie das erklären?

Thiago gibt so viel im Training und ist ein sehr motiviertes Pferd, mit viel Impuls nach vorne. Meist können wir diese Energie gemeinsam positiv kanalisieren, aber in Neumünster war er zu Beginn des Trainings in der lauten Halle etwas angespannt. Die Zuschauer waren sehr nah und es war viel los auf dem Abreiteplatz. Natürlich gestehe ich ihm solche Momente zu, ich erwarte nicht, dass er perfekt ist. Er ist ein Lebewesen und ein Pferd, das sich in solchen Situationen eben beeindruckt von der Atmosphäre zeigen kann. Ich konzentriere mich in solchen Momenten darauf, ihn mit viel Ruhe zu reiten, ihm Sicherheit zu geben und versuche, seinen Fokus wieder auf mich zu lenken.

Wie haben Sie sich auf Thiago gefühlt?

Ich spürte, dass er sehr heiß und kurzzeitig etwas angespannt war, also ritt ich ihn sehr ruhig im Leichttraben, damit er sich wieder auf mich konzentrieren und sich an die Umgebung gewöhnen konnte. Ich gebe ihm in solchen Situationen am Anfang immer bewusst viel Zeit.

Die Situation war nicht ideal, aber es waren Stewards und die Bundestrainerin anwesend und haben so wie ich erkannt, dass Thiago einen Moment brauchte, um in der Situation anzukommen und dass er um Verlauf des Trainings immer gelassener wurde.

Wann zeigt Thiago teils seine Zunge?

Thiago kann im Umgang mit dem Gebiss am Anfang etwas „mäkelig” sein, was zu seiner verspielten und ausgelassenen Natur gehört, aber auch hier möchte ich das nicht beim Aufwärmen, beim täglichen Reiten oder im Wettkampf sehen, sondern wir müssen unterscheiden, was schlechtes Training ist und was nur ein Hengst ist, der an einem bestimmten Tag mit seinem Gebiss spielt.

Wie gelingt es Ihnen, Ihr Pferd mehr vor sich zu bekommen?

Ich versuche, ihn durch meine Stimme, einen sehr ruhigen Sitz und durch Übergänge und Richtungswechsel dabei zu unterstützen, in der neuen Umgebung anzukommen, damit er sich auf mich konzentrieren und entspannen kann. Die vielen, kurzen Übergänge ermutigen ihn, mehr Last aufzunehmen und sich an das Trensengebiss heranzudehnen – das war das Ziel. An diesem Wochenende war die Situation nur für kurze Zeit schwierig, aber er hat sich schnell an die Umgebung gewöhnt, wurde immer gelassener und konnte dann zeigen, wie großartig er ist.

Wie lange sind Sie Thiago, wie in der Videosequenz zu sehen, geritten?

Die Videosequenz zeigt einen winzigen Ausschnitt unseres Trainings, aber eben genau die Situation, die nicht ideal war. Ich habe ihn nur für diesen kurzen Moment so geritten, er hat sich im Laufe des Trainings immer weiter entspannt. Ich möchte noch einmal betonen, dass eine falsche Kopf-Hals-Haltung weder meine Absicht noch Teil meines Trainings ist. Ich schätze Thiago sehr und wir beide lernen ständig, wie wir mit verschiedenen Situationen umgehen können. Er ist bei uns geboren und aufgewachsen, wir alle, die mit ihm arbeiten, sehen ihn als Teil unserer Familie und wir wollen nur das Beste für ihn und seine Ausbildung.

Überrascht es Sie, dass diese Bilder für so eine Welle der Entrüstung sorgen?

Ja und nein. Als Pferdesport-Gemeinschaft sind wir nach den kürzlich aufgedeckten, verschiedenen Fällen sensibilisiert. Das ist gut und richtig, denn es zeigt, dass solche Grenzüberschreitungen in unserem Sport keinen Platz haben. Wir alle leben dafür, dass es unseren Pferden gut geht.

Ich würde allerdings manchmal einen differenzierteren Diskurs wünschen. Grenzüberschreitungen sind die eine Sache. Aber Pferde und Reiter sind nicht perfekt. Und das ist die andere Seite. Meiner Meinung nach sollte jede Kritik gesunde und offene Gespräche zwischen Reitern, Richtern, Verbänden und der Öffentlichkeit in Gang setzen, um die Pferde und den Sport zu schützen, damit diejenigen, die sich wirklich für das Wohlergehen der Pferde einsetzen, auch Situationen analysieren und verbessern können.

Was macht die Kritik an Ihrem Reiten mit Ihnen?

Das ist natürlich für keinen Reiter schön, aber es ist auch wichtig, dass die Öffentlichkeit eine Stimme in dem Sport hat, den sie liebt. Wir können nicht erwarten, dass die Zuschauer uns unterstützen und sich dann nicht äußern, wenn sie über eine Situation besorgt sind. Also stelle ich mich der Kritik.

Wenn ich mir das Video ansehe, kann ich sehen, dass Thiago sich in einem kurzen Rahmen befindet. In diesem Moment des Videos war er sehr aufgeregt und heiß und ich wollte, dass er sich in der intensiven Umgebung einlebt. Wer das gesamte Aufwärmen betrachten würde, würde erkennen, dass Thiago nur eine ganz kurze Zeit in einem kurzen Rahmen war, und es sicherlich nicht meine Absicht war, ihn in einer unpassenden Kopf-Hals-Haltung zu halten. Eine solche Reitweise ist nicht die Art der Ausbildung an die ich glaube.

Ich denke, der wichtigste Punkt ist, dass wir als Reiter auf solche Momente achten und das Gesagte ernst nehmen müssen. Pferde sind keine Maschinen, und alle Reiter müssen sich verpflichten, auch zu lernen und sich ständig zu verbessern. Ich möchte, dass die Menschen wissen, dass diese Momente nicht eine ganze Trainingsmethode widerspiegeln, die unethisch ist und gegen die Richtlinien verstößt, denn das ist nicht der Fall für uns oder wie ich meine Pferde trainieren möchte.