Zum Inhalt springen

Drücken Sie Öffnen / Eingabe / Enter / Return um die Suche zu starten

"Die Reiterei ist viel feiner geworden"

Reinhard Richenhagen ist international angesehener Richter, Pferdemann und ein bisschen verrückt, wie der 65-Jährige selbst sagt. Verrückt danach, sein Wissen rund um den Pferdesport zu erweitern und weiterzugeben. Wir haben mit ihm gesprochen.

Reinhard Richenhagen richtete einige Jahre bei den Bundeschampionaten. Nun tritt er als Trainer auf.

Wir sitzen bei den Bundeschampionaten in Warendorf. Was schätzen Sie an der Veranstaltung?

Das Besondere ist natürlich die Vielzahl an tollen Pferden, die Atmosphäre, die Nähe zu den Reitern. Hier trifft man so viele Leute, das ist so schön. Manche habe ich zwanzig Jahre nicht gesehen. Und die Arbeit mit den Pferden reizt mich. Wir als Ausbilder bekommen hier gezeigt, ob wir es richtig gemacht haben.

Wie haben sich die Pferde Ihres Erachtens in den vergangenen Jahren verändert?

In Typ und Qualität des Körperbaus. Vor allem positiv, aber es gibt auch einige Dinge, über die man nachdenken sollte, wie das Fundament und die Hufgröße der Pferde. Die Rittigkeit der jungen Pferde hat sich ungemein verbessert.

Machen es die Pferde den Reitern fast schon zu leicht?

Das wird schnell so gesagt, meist auf die Anlehnung bezogen. Meines Erachtens hat sich das Reiten verändert: Bei den hochmodernen Pferden brauchen die Reiter ungemein viel Gefühl. Feines Reiten ist gefordert. Die guten Reiter machen sich sehr viele Gedanken um ihre Pferde. Da geht es um freie Bewegung auf der Weide, um Bewegung in der Führanlage oder an der Hand, um die Ausrüstung, das Futter und natürlich um das Reiten. So viele Möglichkeiten gab es früher nicht, insgesamt wird mehr auf die Pferde geachtet. Zudem sind wir in der Wissenschaft viel weiter. Die Tierärzte haben ganz andere Möglichkeiten, das alles bringt uns weiter.

Ist es ein Problem, dass so viele in erster Linie auf die Anlehnung schauen?

Eine gute Anlehnung kommt aus einer guten Bewegung und einem aktiven Hinterbein. Erst kommt die Bewegung und dann kommt die Form ins Pferd. Es wird immer kritisiert, wenn die Pferde mal etwas enger werden. Aber das allein ist es nicht. Wir müssen das gesamte Pferd im Blick haben. Die Pferde sind sportlicher geworden. Die Reiterei ist viel feiner geworden. Früher gab es die Aussage: Das ist ein starker Reiter. Das gibt es heute – zum Glück – nicht mehr.

Grundsätzlich ist es heute viel einfacher ein Pferd an den Zügel zu reiten. Früher war man der König in einem Schulbetrieb, wenn man ein Pferd an den Zügel reiten konnte. Darüber spricht heute niemand mehr. Die Pferde haben heute einen viel besseren Körperbau und dadurch ist es für die Pferde viel leichter in die Funktion und Form zu kommen.

Hat sich das Richten auch verändert?

Das Richten hat sich insofern verändert, dass kein Reiter mit sehr aufwendigen Hilfen mehr vorne stehen kann. Wir sind teils schon die Oberpingel. Wir müssen aufpassen, nicht zu pingelig zu werden – auch bei den jungen Pferden. Sie dürfen mal aus der Balance kommen, das müssen wir ihnen zugestehen. Insgesamt ist es so, dass das Reiten harmonischer geworden ist und die Pferde immer rittiger werden. Daher haben wir auch die Noten, die wir heutzutage haben. Dr. Reiner Klimke hat früher mit deutlich weniger Prozent gewonnen als die Stars von heute. Darüber wird auch in der Deutschen Richtervereinigung diskutiert. Manchmal fürchte ich, dass die hohe Notengebung inflationär ist. Heute klatscht niemand mehr bei einer 8,0. Das ist schade.

Wie fließt es in die Bewertung ein, wenn junge Pferde mehr können als sie sollen?

Manche jungen Pferde kommen mit gemachten Bewegungen in die Prüfung. Sie haben bei mir und sehr geschätzten Kollegen keine Chance. Alles hat seine Zeit, vor allem in der Pferdeausbildung. Wir sehen die Qualität des Pferdes, aber wollen keine gemachten Bewegungsabläufe. Es gibt aber auch Fachleute oder Richter, die es nicht erkennen. Das macht es schwierig.

Wie ist es im internationalen Vergleich?

Es gibt internationale Unterschiede. Es ist aber nicht meine Aufgabe, das zu kommentieren. Manche Dinge beobachte ich durchaus traurig gestimmt, weil unsere klassische Idee verloren geht.

Ist der internationale Austausch daher umso wichtiger?

Ganz genau. Wenn jemand zu mir kommt, der sich weiterbilden will, freue ich mich. Ich mache keinen Unterschied von E- bis Grand Prix-Niveau. Wer auch immer sich fortbilden möchte, soll die Chance dazu haben. Daher ist es wichtig, das eigene Wissen zu teilen. Ich freue mich immer, mich mit anderen Reitern auszutauschen. Unser Sport ist so komplex. Man kann gar nicht alles wissen. Wir Reiter und Richter müssen uns immer wieder selbst hinterfragen. Es ist ein Fehler, zu glauben, alles zu wissen.