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Blog 1: Von Seniorensport und Eselsohren

Ludger Beerbaum grübelt über das Alter nach, Daniel Bachmann Andersen bekommt vielleicht ein neues Pferd und Isabell Werth hat den Schalk im Nacken sitzen. Geschichten am Rande des Weltcup-Finals in Göteborg.

Isabell Werth war heute am Rande des Vet Checks zu Späßen aufgelegt.

Göteborg hat sich heute von seiner schönsten Seite präsentiert. „Välkommen till Sverige“ muss das wohl heißen – verrät mir der Google Übersetzer. Alles hygge hier. Ohne Kerzenschein, dafür mit Sonnenschein den ganzen Tag, 17 Grad, die Menschen genossen Röstaromen oder Bier samt Sonnenbrille in den Cafés, oder tummelten sich zu Fuß oder mit dem E-Roller durch die Straßen.

Von all dem kriegt man nur etwas mit, wenn man wie ich ein Zeitfenster nutzt, um das Reisegepäck ins Hotel zu bringen. Zu Fuß, soviel Zeit muss sein. Ansonsten verbringen wir hier die meiste Zeit "indoor", das bringt der Weltcup so mit sich. Die Pressestelle befindet sich in einer großen Turnhalle direkt neben dem Scandinavium, das wiederum eine Multifunktionshalle ist. Vor allem die Eishockey-fanatischen Schweden kommen hier regelmäßig auf ihre Kosten. Sprich: Unter der sandigen Tretschicht für die Pferde befindet sich Eis. Warme Füße? Eher Fehlanzeige. Ist frisch hier, da muss hygge schon aus dem Herzen kommen.

Neben dem sportlichen Highlight, der Gothenborg Horse Show, gibt es hier mit der Eurohorse auch noch ein kleines Shoppingparadies für alle Pferdsportfreunde und Reiter. Dänemarks Shootingstar vom Gestüt Blue Horse Bachmann Andersen tummelte sich heute auch auf der Messe mit Frau Tiril und den Kindern Filippa und Fredrik. Die beiden Zwerge hat er gerne auf dem Turnier dabei, erzählt er, allerdings lässt sich das nicht immer einrichten. Aber so ein Weltcup-Finale ist eben was Besonderes und dafür kommen die Schwiegereltern extra aus Norwegen angereist, um das Babysitting zu übernehmen. Vielleicht zeigt ihnen Filippa ihr neues Lieblingspferd, eine Art Schaukelpferd auf Rollen, das sich durch Wippen fortbewegt. War ein Rappe. Ob es morgen verladen wird? Morgen hat der Papa jedenfalls weit weniger Zeit zum Bummeln, da wird er Blue Hors Zack im Grand Prix reiten. Der Hengst sei gut drauf, der Reiter auch – kann also losgehen.

Für die Springreiter ging es bereits los. Heute im Zeitspringen. Dort kam im Presse-Interview mit Ludger Beerbaum die Frage auf, wie lange er denn noch weitermacht. Nicht, weil es an der Zeit wäre – ganz im Gegenteil. Aber weil er wohl schon vor Jahren prophezeit habe, mit 50 würde er Schluss machen. Jetzt ist er 56. Und er hat es mal wieder ins Weltcup-Finale geschafft. Im vergangenen Jahr um diese Zeit, als er sich gerade von seiner Schulterverletzung erholte, da habe er auch nochmal über das Aufhören nachgedacht, „dann habe ich mich doch wieder berappelt“. Er weiß auch nicht, wann es soweit ist, „aber eins weiß ich: mit 60 stehe ich nur noch am Rand. Da reite ich nur noch zu Hause“. Reiten ist der perfekte Seniorensport (davon können Sie sich übrigens im Thema des Monats unserer Mai-Ausgabe selbst überzeugen). Und was Ludger Beerbaums Turnierkarriere angeht, lassen wir uns überraschen.

Einer, der die 60 bereits überschritten hat, ist John Whitaker. Er hatte gestern großes Pech, stürzte samt Pferd im Parcours. Die Whitakers sind zwar harte Knochen – John soll sich nach dem Sturz kurz geschüttelt haben und dann wieder aufgestanden sein – aber unverwundbar sind sie nun doch nicht. Das Schlüsselbein hat der 63-Jährige sich gebrochen. Damit darf er hier auf dem Weltcup-Turnier nicht weiterreiten, wenngleich er „nur“ die Rahmenprüfungen im Fokus hatte.

Im Gegensatz zu John Whitaker sind die Dressurpferde, die heute am späten Nachmittag durch den Vet-Check trabten, allesamt „Fit to compete“. Einen wollten sich die verantwortlichen Tierärzte nochmal genauer in der Box ansehen: Sun of may life, der Hengst der Russin Regina Isachkina. Der mächtige Rappe machte Mätzchen. An Vortraben war kaum zu denken, nach drei Tritten ging der Hengst schon wieder in die Luft, eine Kapriole jagte die nächste – aber die hohe Schule über dem Boden wollte hier wirklich keiner sehen. Bis auf ein Blümchenkübel haute er zum Glück nichts und niemanden um. Tristan Tucker habe ich hier herumlaufen sehen, er könnte sicherlich vermitteln. Nur so eine Idee.

Das deutsche Dressurteam beobachtete am Randes des Vet-Checks und nahe der Capuccino-Bar am Abreiteplatz das Geschehen. Isabell Werth hatte da ihre Weihegold schon wieder in der Box und Zeit für ein paar Faxen. Auf Kosten des Bundestrainer-Duos, Monica Theodorescu und Jonny Hilberath. Wie gesagt, Göteborg war heute ziemlich entspannt, draußen wie drinnen.