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Europameisterschaften 2019

EM Luhmühlen: Deutschland nach dem Gelände weiter auf Gold-Kurs

Alle deutschen Team-Reiter kamen bei der Europameisterschaft der Vielseitigkeitsreiter fehlerfrei durch das Gelände. Michael Jung und Ingrid Klimke blieben in der erlaubten Zeit. Damit liegt Deutschland nach dem Cross vorn. Michael Jung geht als Führender ins Springen.

Michael Jung und fischerChipmunk FRH an einer kniffligen Stelle: dem bunten Vogel im letzten Wasserkomplex der Strecke.

Luhmühlen – Mit 78,5 Punkten auf dem Konto liegt das deutsche Team bei der Vielseitigkeits-EM nach zwei von drei Teildisziplinen vorne. Es folgen die Briten mit 92,8 Punkten und die Franzosen mit 93,6. Durch die heutige Geländestrecke sind alle deutschen Team-Reiter ohne Hindernisfehler gekommen. Zudem liegen Michael Jung und fischerChipmunk FRH mit ihrem Dressurergebnis von 20,9 Minuspunkten weiter vorne. Die Titelverteidiger Ingrid Klimke und SAP Hale Bob OLD sind mit 22,2 Minuspunkten aus der Dressur nach dem Gelände Zweite.

Auf der von Mike Etherington-Smith gestalteten Strecke verteilten sich insgesamt 26 Hindernisse und 40 Sprünge auf rund 5.800 Meter. 10:10 Minuten hatten die Reiter dafür Zeit. Es ging anders herum, als noch beim letzten Turnier im Juni. Das erste Wasser kam an fünfter Stelle bereits sehr früh. Insgesamt drei Wasserkomplexe mussten Pferde und Reiter heute meistern. Der letzte nach dem achten Minutenpunkt. Ein kritisches Hindernis mit schnell aufeinander folgenden, leicht versetzten Hecken, und einer kringeligen Linienführung über zwei Bootshäuser und schließlich über einen bunten Vogel, der im Wasser sitzt. Auf der Schlusslinie forderten zwei versetzte Hecken noch einmal volle Konzentration von Pferd und Reiter. Ein weiteres Highlight der Strecke war die Wellenbahn. Das zweite Element, die Mauer, von der es maximal nach unten geht, war jahrelang verschüttet und wurde extra für die EM wieder ausgegraben. Nach ihr galt es noch eine Ecke zu überwinden. Die Reiter konnten die Mauer entweder rechts oder links überwinden, ebenso die Ecke. Allerdings mussten sie sich früh genug für eine Richtung entscheiden. Im Schnitt hielt die Geländestrecke jede Minute eine Aufgabe für die Paare bereit. Taff, aber machbar – wie viele Reiter zeigten.

Andreas Dibowski und FRH Corrida lieferten eine starke Runde für das deutsche Team.

Den Auftakt für das deutsche Team machten Andreas Dibowski und seine zehnjährige Hannoveraner Stute FRH Corrida an dritter Stelle. Anfangs hielt der Reiter seine Contendro I-Tochter noch ein wenig zurück, um die Kräfte für den anspruchsvollen Kurs mit vielen Aufgaben ein wenig einzuteilen. „Es gibt sehr viel zu springen und ein so mächtig und vorsichtig springendes Pferd wie Corrida kostet das viel Kraft“, schilderte Dibowski im Nachhinein. Zwar passierten den beiden keine Hindernisfehler, doch am letzten von drei Wasserkomplexen der EM-Strecke musste Andreas Dibowski doch von seinem Plan abweichen, immer den direkten Weg zu reiten. Er entschied sich für die Alternative. „Ich musste sehr doll nach vorne reiten über die beiden Hecken und flog ein bisschen aus der Linie“, schilderte er die Situation. Danach die schmale Blumenkiste mit der Nummer 18c anzureiten, schien ihm zu riskant. Die Alternative schien ihm deutlich sicherer. „Das macht vielleicht ein, zwei Sekunden aus“, sagte er. Auch beim Vogel im Wasser am gleichen Komplex hielten die Zuschauer noch einmal die Luft an. FRH Corrida fiel davor in den Trab, sprang aber dennoch ab. „Das war so nicht geplant, ich wollte sie eigentlich nur aufnehmen, weil sie mir ein wenig lang wurde. Aber sie springt gut.“ Nach 10:12 Minuten kamen Dibowski und seine Stute ins Ziel. Zwei Sekunden hinter der erlaubten Zeit, was 0,8 Minuspunkte auf sein Dressurergebnis addiert. Mit 35,4 Minuspunkten liegt er momentan an 22. Stelle.

Kai Rüder hat nicht etwa jemanden im Publikum gegrüßt, sondern versucht einhändig die Balance im Sattel von Colani Sunrise zu halten.

Kai Rüder und Colani Sunrise, die als zweites Paar für die deutsche Mannschaft ins Gelände starteten, hatten so ihre Probleme in der Startbox. Der 13-jährige OS-Wallach dachte, es ginge schon los, noch bevor er richtig in der Box stand. „Es ist relativ eng im Startbereich. Mein Pferd war eigentlich super entspannt, ist dann aber in der Atmosphäre explodiert. Ich habe meiner Pflegerin zu früh gesagt, dass sie ihn losmachen kann“, erklärte er die Situation im Nachhinein. „Er blockierte dann auch, als ich die Beine zumachte und wollte in die andere Richtung. Er sah nur Sprung eins. Da wollte er hin.“ Nach gutem Zureden durch seinen Reiter ließ Colani Sunrise sich dann doch überzeugen, die Startbox zu betreten. Allerdings kostete diese Situation dem Paar eine Menge Zeit. Nach 10:50 kamen sie ins Ziel – nach einer tadellosen Runde ohne Fehler. „Er ging sehr sicher und hat alles super gelöst“, so die Einschätzung des Reiters. Doch zu ihrem top Dressurergebnis von 25,8 kommen 16 Zeitstrafpunkte hinzu. Somit liegen Kai Rüder und Colani Sunrise nach dem Cross mit 41,8 Zählern auf Rang 35 und lieferten heute für das Team das Streichergebnis.

Michael Jung und fischerChipmunk FRH am letzten Wasserkomplex, der noch einmal volle Konzentration forderte.

Nun lag es an Michael Jung und Ingrid Klimke, die Pole Position des deutschen Teams zu wahren. Die ersten zwei britischen Team-Reiter Pippa Funnell mit Majas Hope und Piggy French mit Quarrycrest Echo kamen bereits ohne weitere Strafpunkte durch das Gelände. Michael Jung und sein Neuzugang fischerChipmunk FRH, den er Anfang des Jahres von der amtierenden deutschen Meisterin Julia Krajewski übernahm, wurde seiner Favoritenrolle wieder einmal gerecht. „Er ist ein tolles Pferd, hat mitgekämpft, aber er weiß ja auch, wie es geht“, freute sich der Reitmeister über eine gelungene Runde. Am Hindernis Nummer 17, einem Tisch, der Pferd und Reiter auf den letzten Wasserkomplex vorbereiten soll, kam es jedoch zu Irritationen. „Mir ist jemand in den Weg gelaufen und hat gewunken, wollte mich aber auch nicht wirklich stoppen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte“, schilderte Jung die Situation. Die Zuschauer an dem voll besetzten Wasserkomplex riefen ihm zu, weiterzureiten. Das tat der Multi-Champion dann auch. „Das war ein richtiger Shit-Sprung“, brachte er es auf den Punkt. „Ich war verwirrt, habe mich danach noch einmal umgedreht und wir haben unseren Rhythmus total verloren.“ Daher gelang auch die erste Kombination im letzten Wasser nicht wie gewünscht. Dennoch konnten Michael Jung und sein elfjähriger Hannoveraner Wallach ihr Dressurergebnis von 20,9 Minuspunkten nach Hause reiten und übernehmen vor dem abschließenden Springen die Führung.

SAP Hale Bob OLD unter Ingrid Klimke: frisch und voll in seinem Element.

Titelverteidigerin Ingrid Klimke genoss am letzten Wasserkomplex verbale Unterstützung vom Publikum: „Ich dachte, die Linie zum Vogel wäre richtig gut. Dann haben aber im Publikum alle ‚hopp‘ gerufen. Der Sprung hat dann super geklappt“, erzählte die Reitmeisterin lachend. Sie sah diese Linie aber auch als einen schwierigen Punkt des Kurses gegen Ende, vor allem, weil es für den Vogel keine Alternative gab. Ihre Einschätzung: „Das ist eine richtig schwere Aufgabe.“ Sie und ihr 15 Jahre alter Helikon xx-Nachkomme blieben im Gelände ohne Hindernisfehler und brauchten 10:06 Minuten. „Bobby ist frisch und da draußen voll in seinem Element. Wir waren immer fünf oder zehn Sekunden vor der Zeit und ich wusste, wenn ich den Rhythmus halte, wird es passen.“ Es passte. Mit ihrem Dressurergebnis von 22,2 Minuspunkten gehen Ingrid Klimke und SAP Hale Bob OLD morgen von Rang zwei ins Springen. Sie liegt damit nicht einmal einen Hindernisfehler von Michael Jung entfernt.

Bundestrainer zufrieden

Auf Rang drei hat sich nach dem Gelände der Franzose Thibaut Vallette vorgearbeitet. Der Oberstleutnant und sein 15 Jahre alter, französisch gezogener Wallach Quing du Briot ENE HN schafften die Strecke in 10:06 Minuten mit einer völlig weißen Weste. Vallette und sein Pferd kennen sich schon lange. Dies sind die dritten Europameisterschaften, an denen sie gemeinsam teilnehmen. „Heute haben wir das Gelände zum ersten Mal in der erlaubten Zeit geschafft“, freute er sich nach seinem Ritt. Bundetrainer Hans Melzer ist mit dem Team-Ergebnis des heutigen Tages zufrieden: „Dass die Franzosen und die Engländer schnell sind, wissen wir ja. Uns hat heute die Situation mit Kai ein bisschen aus der Rolle gebracht. Er war ja schnell und wäre vermutlich fünf Sekunden unter der Zeit gewesen. Am Ende mussten wir uns darauf verlassen, dass sie andern beiden das Gelände in gewohnter Form mit ihrem Dressurergebnis beenden. Das hat ja auch hingehauen und bietet uns ein kleines Polster.“ Der morgigen Entscheidung im Springen blickt Melzer optimistisch entgegen: „Es steht außer Frage, dass alle gut springen. Die Pferde sind fit und es sind alles erfahrene Reiter. Ich wäre sehr froh, wenn wir morgen mit vier Nullrunden im Team diese EM beenden und unser Polster nicht aufbrauchen müssen“, hofft Melzer.

Einzelreiter liefern gute Runden ab

Auch die deutschen Einzelreiter können sich größtenteils über erfolgreiche Geländeritte freuen. Allen voran Sandra Auffarth, die mit dem zehn Jahre alten Diamant de Semilly-Nachkommen Viamant du Matz auch nach dem Gelände ihr Dressurergebnis von 31,7 Minuspunkten behält und damit derzeit auf Rang 13 liegt. „Ich hätte nicht erwartet, dass man fast eine halbe Minute unter der erlaubten Zeit bleiben kann, weil die Wasserkomplexe doch sehr technisch sind“, zeigte sich Sandra Auffarth nach ihrem Ritt verwundert. „Sie sind aber schön flüssig zu reiten. Der ganze Kurs ist ein Fluss, man kann von Anfang bis Ende seinen Rhythmus halten.“ Von ihrem Pferd ist sie „total begeistert. Er hat bis zum Ende super durchgezogen, wo anderen ein bisschen die Luft ausging.“

Sandra Auffarth ist nach dem Gelände "total begeistert" von ihrem noch unerfahrenen Viamant du Matz.

Anna Siemer und FRH Butts Avondale beenden das Gelände ebenfalls mit ihrem Dressurergebnis. Mit 31,9 Minuspunkten liegen sie aktuell auf Platz 15. Obwohl sie sich während des Kurses drei Mal für eine Alternative entschied, die mehr Zeit kostet, schaffte sie die Strecke in 10:02 Minuten. Hans Melzer habe ihr gesagt, sie müsse auch trotz Alternativen in der Zeit bleiben. „Er sagte: Du hast das schnellste Pferd, jetzt zeig‘ das auch.‘ Sie ist ein Vollblüter, diese lange Prüfung liegt ihr einfach. Ich habe während der Strecke vielleicht zwei Mal geschnalzt“, sagte Siemer nach ihrem Ritt. Direkt dahinter auf Platz 16 liegt Anna-Katharina Vogel mit DSP Quintana. Auch die beiden blieben ohne Hindernisfehler in der erlaubten Zeit. Ihr Zwischenstand: 32,3 Minuspunkte. „Wenn sie ihren Flow hat, darf ich sie nicht zurücknehmen, dann verliert sie ihren ganzen Rhythmus“, erklärt die 22-Jährige ihre schnelle Zeit von 9:43 Minuten.

Christoph Wahler und sein zehnjähriger Holsteiner Carjatan S legten im Gelände eine Punktlandung hin und kamen nach 10:10 Minuten in Optimalzeit ins Ziel. Ihr Dressurergebnis von 33,8 Minuspunkten reicht momentan für Platz 18. „Der Ritt fing super gut an. Die ersten ein, zwei Sprünge war mein Pferd ein bisschen irritiert, weil es so laut war, aber ich hatte das Gefühl, dass ihn das angespornt hat. Ins erste Wasser ist er ein bisschen mit einem Hasensprung rein. Das war gut, weil er dadurch abgebremst hat und die erste Distanz passte“, analysierte Wahler den Weg am ersten Wasserkomplex über eine Bürste hin zu einem schräg stehenden Boot vier Galoppsprünge später. Auch an den beiden anderen Wasserkomplexen musste der 25-Jährige ein wenig Überredungskunst zeigen. „Carjatan ist dann aber das ehrlichste Pferd. Er springt überall drüber“, sagte sein Reiter, der jede Aufgabe auf dem direkten Weg meisterte.

Christoph Wahler und Carjatan S bei ihrer Punktlandung.

Felix Etzel liegt mit seinem elfjährigen Hannoveraner Bandit momentan mit 36,3 Minuspunkten auf Platz 26. Er sammelte wegen Zeitüberschreitung 3,2 Minuspunkte. Jörg Kurbel und Joseras Entertain You blieben ebenfalls ohne Hindernisfehler, brauchten aber zehn Sekunden zu lang. 39,2 Minuspunkte bedeuten aktuell Platz 32. Josefa Sommer und ihr 17 Jahre alter Hamilton hatten zwei Verweigerungen und liegen mit ihrem Ergebnis von 85,7 auf Platz 54. Nadine Marzahl und Valentine verpassten Hindernis Nummer neun, eine Hecke namens Rennbahnsprung, und schieden somit aus. Die Britin Laura Collett, die nach der Dressur Dritte war, stürzte heute mit ihrem Pferd London am bunten Vogel im letzten Wasser. Pferd und Reiterin blieben glücklicherweise unverletzt. Das EM-Abenteuer ist für sie damit aber vorbei.

Morgen um neun Uhr geht es für die Pferde in die zweite Verfassungsprüfung. Um 11:15 Uhr entscheidet das abschließende Springen über die EM-Titel.

Das Ergebnis finden Sie hier.