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Weltreiterspiele 2018

Distanzreiten: Favoriten und Medaillenträume

Zwei Medaillen gab es für die deutschen Distanzreiter seit ihrer ersten Weltmeisterschaft 1986 in Rom (ITA). In Tryon (USA) lautet das Ziel: in den Top-Fünf mit der Mannschaft. Alles über die deutschen Reiter und ihre Pferde.

Distanzritte bei den Weltreiterspielen gehen über 160 Kilometer und erfordern eine ganz besondere Teamarbeit.

Sehr erfolgreich, besonders in den Einzelwertungen, sind im Distanzreiten die Nationen Frankreich, Spanien, die Vereinigten Arabischen Emiraten sowie das Gastgeberland, die USA. Die Distanzreiter tragen ihre Weltmeisterschaften alle zwei Jahre aus. Titelverteidiger in Tryon ist die Mannschaft aus Spanien. Seit 1986 konnten sie bereits vier Mal Gold holen, die USA sogar schon sieben Mal. Für Deutschland holte 1986 Bernhard Dornsiepen Senior Einzel-Bronze. Bei den Weltreiterspielen 2010 im amerikanischen Lexington gewann die deutsche Distanz-Equipe Mannschafts-Bronze.

Bei der letzten Weltmeisterschaft 2016 im slowakischen Samorin war Ursula Klingbeil auf Rang 26 beste Deutsche von insgesamt 133 Teilnehmern. Titelverteidiger im Einzel ist Jaume Punti Dachs aus Spanien mit seinem Pferd Twyst Maison Blanche. Zwei Jahre zuvor, bei den Weltreiterspielen in Frankreich 2014, lief es besonders bitter für die Deutschen. Alle schieden aus. Das soll in Tryon nicht passieren. „Wir haben nur eine kleine Distanzreiter-Szene und der Sichtungsweg ist anspruchsvoll, aber wenn alles gut läuft, haben wir eine realistische Chance auf die Top-Fünf – mit viel Glück vielleicht sogar auf eine Medaille“, erhofft sich Nico Hörmann, FN-Koordinator für die Disziplinen Reining und Distanzreiten bei der FN-Jahrespressekonferenz in Warendorf. Unterstützt wird die Mannschaft von Annette Nothhaft als Equipechefin und dem Tierarzt Sebastian Bartke, sowie zahlreichen Helfern der einzelnen Reiter.

Ursula Klingbeil mit Aid Du Florival

Mit zum Team der deutschen Distanzreiter bei den diesjährigen Weltreiterspielen gehört die 58-jährige Ursula Klingbeil und ihre französische Stute Aid Du Florival. Ursula Klingbeil reitet schon rund zwanzig Jahre im Distanzsport, 2010 wurde sie Deutsche Meisterin. Zum Distanzreiten kam die im bayerischen Buch lebende Tierärztin über einen Freund. „Ich habe mit den herkömmlichen Disziplinen wie Dressur und Springen angefangen, aber dann hat ein Freund von mir mich mit zu einem Distanzritt genommen. Und seitdem bin ich dabei“, erzählt sie. „Mich fasziniert vor allem diese natürliche Fortbewegung mit dem Partner Pferd durch alle möglichen Länder und Landschaften. Ich war schon fast überall: Dubai, Abu Dhabi, Spanien, Portugal, Nordeuropa …“ Auf die Weltreiterspiele in Tryon bereitet sie sich vor, wie auf jedes andere Championat, das Pferd soll fit aber ausgeruht sein. Je nach Bedingungen werden Schwerpunkte gesetzt. „In Tryon scheint das Gelände gut, aber hügelig zu sein. Da setzt man dann als Reiter seinen Fokus auf das Training im hügeligen Gelände“.

Ihr Pferd, die elfjährige Aid Du Florival, kennt Ursula Klingbeil gut. Fünfjährig kam sie aus Frankreich in den Stall nach Bayern. „Sie war komplett roh. Eigentlich sollte ich sie einreiten, qualifizieren und dann sollte sie verkauft werden. Sie lief jedoch ein gutes Rennen nach dem anderen und ist eben geblieben.“ Für sie ist die Stute Aid Du Florival etwas ganz Besonderes, erklärt Ursula Klingbeil. „Sie bringt Leistung auf dem Punkt. Zuhause ist sie manchmal ein bisschen dickköpfig, aber beim Rennen ist sie voll dabei.“ Für Tryon erhofft sie sich einen guten Platz mit der Mannschaft und im Einzelergebnis. „Wir sind ja, im Gegensatz zu manch anderen Startern keine Voll-Profis, sondern müssen nebenher auch noch arbeiten, um uns den Sport zu finanzieren.“ Eine Zeichen konnte das Paar dieses Jahr schon beim 160-Kilometerrennen im französischen Lignières setzen. Da wurden Klingbeil und Aid Du Florival Siebte.

Rebecca Arnold und Serpa

Das zweite Paar im Team sind die 40-jährige Rebecca Arnold und der elfjährige Wallach Serpa aus Nürtingen in Baden-Württemberg. In Sachen Championat bringen sie schon einige Erfahrung mit, 2005 reiste sie zur Distanz-WM nach Dubai (UAE), letztes Jahr ging sie bei den Europameisterschaften im belgischen Brüssel an den Start. Ihr Familienname Arnold hat in der Distanzreiterszene Gewicht: Ihre Cousinen Sabrina und Melanie reiten ebenfalls erfolgreich Distanzrennen. „Durch meine Cousinen bin ich auch selber erst zu diesem Sport gekommen, damals war ich elf. Das erste Rennen ging über 45 Kilometer, das habe ich auch spontan gewonnen. Ab da hat mich das Fieber gepackt“, beschreibt Rebecca Arnold.

Die erste Reitstunde nahm sie bereits mit fünf Jahren. „Aber das war noch nichts Regelmäßiges“, ergänzt sie. Ihr Pferd Serpa, ein Australian Stock Horse, kam vor vier Jahren zu ihr. „Serpa war sieben und kam aus Ungarn. Mit seinem Besitzer hatte er bis dahin nur kleine Wanderritte gemacht. Als ich ihn gekauft habe, wollte ich erstmal testen, wie er sich so gibt und da war er sehr positiv. Serpa ist unglaublich lauffreudig und hat Spaß am Sport.“ Am Distanzreiten schätzt Arnold vor allem die Nähe zum Pferd und das Gemeinschaftsgefühl. „Man ist eine lange Zeit alleine im Sattel, nur zusammen mit dem Pferd. Wir lernen unheimlich viel voneinander und wachsen zu einer Einheit zusammen. Reiter und Pferd kennen sich auswendig.“

In Tryon wünscht sie sich eine gute Platzierung mit dem Team. „Wir sind nur drei Reiter. Da ist es erstmal das Wichtigste, dass alle gesund und in der Wertung ins Ziel kommen. Fällt einer aus, fällt die Mannschaft auseinander.“ Damit das nicht passiert, trainiert sie auf dem eigenen Reiterhof in Nürtingen. „Für meine Pferde habe ich auch ein Laufband. Ich miste, füttere, reite täglich mehrere Pferde und gehe mit meinen Hunden spazieren. Das macht fit.“ Unterstützt werden Rebecca Arnold und Serpa in Tryon von ihrer Familie, mit dabei sind ihr Vater, ihr Lebensgefährte und ihr Sohn.

Bernhard Dornsiepen und Bekele El Djem

Bernhard Dornsiepen kam nicht ganz zufällig zum Distanzsport. Sein Vater gewann bei der ersten Weltmeisterschaft der Distanzreiter 1986 in Rom (ITA) Einzel-Bronze. Sein erstes Rennen ritt Bernhard Dornsiepen mit elf Jahren auf einem Isländer. Hauptberuflich arbeitet er als Hufschmied, nachmittags geht es dann aufs Pferd. In Tryon sattelt der 50-Jährige den zehnjährigen Wallach Bekele El Djem. „Bekele kam mit vier Jahren zu uns auf den Hof. Seitdem reite ich ihn. Er ist ein sensibles Pferd, manchmal ein bisschen schreckhaft und er hat ein bisschen Angst vor Wasser.“ Für ein Distanzpferd nicht ganz optimal, bekennt Dornsiepen. „Wenn er mal wieder ein bisschen nervös wird, versuchen wir beide erstmal durchzuatmen und dann geht es eigentlich von ganz allein.“

Bekeles Stärke sei allerdings seine Ausdauer. „Wir waren noch nie aus der Wertung, bei einem 160 Kilometer-Ritt ging er mir sogar kurz vorm Ziel nochmal durch. Dann fährt er aber unglaublich schnell wieder runter.“ Von welchem Elternteil er das hat, kann Dornsiepen nicht erklären. „Er war so eine Art Weideunfall. Ich würde ihn trotzdem unter Anglo-Araber kategorisieren. Und wie man sieht, war es wohl auch keine so schlechte Anpaarung.“ Die Faszination Distanzreiten besteht für ihn aus der Kombination Mensch-Pferd-Natur und den vielen Stunden allein im Sattel.

Der Trainingsplan für Tryon ist ähnlich wie bei anderen Championaten. „Ich reite aber vorher eher weniger lange Einheiten. Dafür geht’s dann an die Dressurarbeit, auch mal über Stangen und an die Bodenarbeit. Bekele braucht immer Abwechslung.“ In Tryon wird Dornsiepen sich die Strecke ganz genau ansehen und kalkulieren, wie schnell er reiten muss. „Es ist bergig. Das ist gut, ich mag es anspruchsvoll, denn da kann man nicht einfach losreiten, sondern muss mit den Ressourcen des Pferdes haushalten. Ich komme mit meinem Pferd zwar gern in der Zeit, aber noch lieber heile ins Ziel. Ich bin schließlich für mein Pferd verantwortlich.“