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Stressfrei den Stall wechseln

Die meisten Pferde müssen mindestens einmal in ihrem Leben umziehen. Die neue Umgebung, andere Abläufe, anderes Futter, neue Boxennachbarn und Menschen können Probleme machen. Stressfrei umziehen? Das geht. Wenn die Planung stimmt.

Eine Reise ins Ungewisse - zumindest fürs Pferd. Stallwechsel sind oft mit Stress verbunden.

Hatten Sie schon einmal Heimweh? Vielleicht auf Reisen oder weil Sie alleine in eine andere Stadt ziehen mussten? Einem Pferd kann es ähnlich gehen. Es bleibt zwar umstritten, ob Pferde sich wie wir Menschen auch nach alten Freunden, beziehungsweise Herdenmitgliedern sehnen. Doch Fakt ist, dass Pferde Gewohnheitstiere sind, denen eine bekannte Umgebung, bekannte Menschen, Artgenossen und Abläufe Sicherheit geben. Fehlende Sicherheit hingegen bedeutet Stress. Ein Umzug kann also die Welt eines Pferdes aus den Fugen reißen und im schlimmsten Fall ernsthafte gesundheitliche Folgen haben.

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Ortswechsel lassen sich jedoch nicht immer vermeiden. Zum Beispiel, weil man den Wohnort wechselt und deshalb auch das Pferd in einen neuen Stall ziehen muss. Weil man sein Pferd auf dem Turnier einstallen muss, einen mehrtägigen Lehrgang besuchen möchte, sein Pferd in professionellen Beritt gibt, mit dem Pferd in den Urlaub fährt oder weil man sich ein neues Pferd kauft. All das muss gut durchdacht sein, damit das Tier es möglichst stressfrei erlebt. Die Planung beginnt schon Wochen vorher.

„Generell ist jeder Ortswechsel immer Stress für ein Pferd“, macht Tierheilpraktikerin Heike Ponndorf deutlich. Für Dr. Barbara Schöning, Fachtierärztin für Verhaltenskunde, ist Ortswechsel nicht gleich Ortswechsel: „Man muss unterscheiden zwischen einem Turnierbesuch oder wenn ein Pferd permanent umzieht.“ Turnierpferde können es nämlich lernen, auf Achse zu sein. Dabei spielen die immer gleichen Routinen und Rituale eine wichtige Rolle. Von der Vorbereitung und dem Transport, über die Zeit auf dem Turnier bis hin zum Transport zurück und der Ankunft im Heimatstall. Bekannte Strukturen geben Sicherheit. „Außerdem werden die Pferde von vertrauten Menschen begleitet und es werden vertraute Dinge, wie Decken oder Futtereimer mitgenommen“, nennt Dr. Schöning einen weiteren Pluspunkt.

Zuhause ist wichtig

Die Rückkehr in den Heimatstall, also in die gewohnte Umgebung, ist dabei besonders wichtig für das Pferd. „Wenn meine Pferde von einem Turnier nach Hause kommen, dauert es keine 15 Minuten und alles ist wie immer“, bestätigt Grand Prix-Reiterin Fabienne Müller-Lütkemeier.

Weil wildlebende Hengste mit Einsetzen der Geschlechtsreife aus der Herde verstoßen werden oder sie freiwillig verlassen, vermutet man, dass Hengste und Wallache einen Umzug im Zweifel besser wegstecken können. Bewiesen ist das jedoch nicht.

Wenn ein Pferd jedoch ständig den Heimatstall wechselt, hat es gar keine Chance, sich an seine neue Umgebung und die neuen Abläufe zu gewöhnen. Geschweige denn, sich in eine neue Herde zu integrieren, bevor es erneut aus seinem Umfeld gerissen und in einen neuen Stall gebracht wird, wo es wieder bei null anfangen muss. Sensible Pferde haben deutlich länger an einem Umzug zu knapsen als weniger sensible. Darüber hinaus haben manche Pferde bessere Strategien entwickelt, um mit Stress umzugehen, als andere. „Negativer Stress entsteht, wenn das Pferd schwerpunktmäßig mit negativen Ereignissen konfrontiert ist und keine Bewältigungsstrategien oder Erfahrungswerte hat, auf die es zurückgreifen kann“, erklärt Barbara Schöning eine Stresssituation.

Stress hat viele Gesichter

Ob ein Pferd sich dann hineinsteigert oder nicht, hängt von seiner Sozialkompetenz ab. Pferde mit einer hohen Sozialkompetenz können beispielsweise ruhig und entspannt auf unbekannte Pferde oder Gegenstände zugehen, sie anschauen oder versuchen, mit ihnen zu kommunizieren. Pferde mit wenig Sozialkompetenz sind in einer solchen Situation schnell überfordert. Dr. Barbara Schöning warnt: „Dann kann der Stress chronisch werden.“ Und chronischer Stress ist immer ein Gesundheitsrisiko.

Heike Ponndorf differenziert die Anzeichen: „Sehr extrovertierte Pferde werden verhaltensauffällig. Introvertierte Pferde reagieren zurückhaltend, das bedeutet aber nicht, dass sie weniger Stress haben.“ Kolikanzeichen, Kotwasser, Husten, Appetitlosigkeit oder Infektanfälligkeit sind weitere Anzeichen für einen nicht verarbeiteten Ortswechsel.

Checkliste Stallwechsel: Das können Sie vorbereiten

Bis zu drei Monate vorher

➤ bisherigen Einstallervertrag kündigen, neuen Vertrag unterschreiben

➤ Pferd langsam an das neue Futter gewöhnen bzw. anweiden

➤ Gesundheitscheck: Was wird im neuen Stall verlangt (Impfungen, Wurmkuren)? Evtl. Kotprobe abnehmen und entsprechend entwurmen

➤ Transport organisieren (für lange Fahrten, z.B. ins Ausland, eine professionelle Spedition beauftragen); falls nicht vorhanden: Zugfahrzeug und Anhänger bzw. Abholung organisieren

➤ Begleitperson organisieren

➤ Verladen und Anhängerfahren üben

➤ ggf. für den Tag des Umzugs und die ersten Tage danach Urlaub nehmen

Einen Monat vorher

➤ sich erkundigen, welche Routinen im neuen Stall herrschen, wenn möglich langsam anpassen (z.B. Fütterungs-, Weide-, Trainingszeiten)

Eine Woche vorher

➤ Umzugstermin beim neuen Stall ankündigen, voraussichtliche Ankunft mitteilen

➤ Packliste schreiben: Was muss alles mit?

➤ evtl. unterstützende Therapie mit ergänzenden Futtermitteln beginnen

➤ Pferdeanhänger checken (Reifendruck, etc.)

Einen Tag vorher

➤ wenn möglich Dinge, die nicht mehr benötigt werden, in den neuen Stall bringen

➤ Sattelschrank aus- und aufräumen

➤ Equipment für den Umzugstag bereitlegen (Halfter, Strick, Transportgamaschen, etc.)

➤ wenn verlangt, Kopien von Versicherung, Equidenpass, etc. anfertigen

Der komplette Artikel ist erstmals erschienen in Reiter Revue 1/2019. Dort finden Sie viele weitere nützliche Tipps, wie Sie den Umzug für Ihr Pferd möglichst stressfrei gestalten können: In den Wochen davor, an Tag x sowie in den ersten Tagen und Wochen im neuen Stall. Das Heft können Sie hier bestellen.