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Wie Pferde schwitzen

Es ist Sommer, es ist warm. Beim Reiten rinnt in diesen Tagen schnell der Schweiß - bei Reiter und Pferd! Experten erklären, warum schwitzen für das Pferd wichtig ist, wann es ein Alarmsignal sein kann und ob Pferde zu wenig schwitzen können.

Pferde schwitzen unterschiedlich stark. Das Hängt von Faktoren wie dem Fitnesslevel ab.

Ein Pferd, das nicht schwitzt, ist nicht richtig belastet.“ Eine deutliche Aussage des Direktors des Physiologischen Instituts der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Prof. Dr. Gerhard Breves. Doch warum ist Schweiß überhaupt wichtig? Beim Schwitzen geben Pferde die Wärme ab, die durch die Muskelanspannung entsteht. „Etwa 70 Prozent der im Muskel umgesetzten Energie geht als Wärmeenergie verloren“, sagt Prof. Dr. Korinna Huber von der Universität Hohenheim. Pferde haben neben dem Schwitzen noch die Möglichkeiten der trockenen Wärmeabgabe: Die Wärme wird vom Pferdekörper beispielsweise an einen kalten Körper weitergeleitet, an Stoffe wie Luft und Wasser abgegeben oder über elektromagnetische Strahlen freigesetzt. „Bei Arbeit reichen die trockenen Formen aber nicht aus“, erläutert Gerhard Breves. Denn durch erhöhte Muskelarbeit entsteht viel Wärme, die dann nur noch über das Schwitzen abgegeben werden kann.

Anna Siemer auf der Geländestrecke bei den Deutschen Meisterschaften in Luhmühlen. Da schwitzt auch FRH Butt's Avondale.

Eine hohe Belastung führt also immer zu viel Schweiß? Nicht ganz. Korinna Huber ergänzt: „Mitunter schwitzt ein Pferd während des gesamten Trainings, aber man sieht es nicht. Fitte Pferde sind in allen Bereichen gut trainiert. Ihre Verdunstung kann so effektiv funktionieren, dass der Reiter den Schweiß gar nicht bemerkt.“ Wie sehr ein Pferd im Training arbeitet, kann also nicht zwangsläufig am Schweißbild festgemacht werden.

Drüsen in Aktion

Auch wenn ein Pferd Angst oder Stress empfindet, kann es schwitzen. Das kennt Grand Prix-Ausbilder Hubertus Schmidt von jungen Pferden auf dem Turnier: „Auf dem Abreiteplatz ist oft noch alles normal, sobald sie aber ins Prüfungsviereck kommen, sind sie schneeweiß vor Schaum. Das ist die Aufregung.“ Sowohl beim Training, als auch in Angst- oder Stresssituationen wird der Sympathikus aktiviert. Das Nervensystem signalisiert dem Körper, dass er Leistungsreserven zur Verfügung stellen muss und setzt Vorgänge in Gang, die ihm eine höhere Belastung ermöglichen. Dazu gehört das Ansteigen der Herzfrequenz und das Ankurbeln der Schweißproduktion. „Wenn Pferde aus Angst fest im Rücken werden, die Muskeln anspannen und dadurch Wärme entsteht, ist das Schwitzen trotzdem auch eine thermoregulatorische Maßnahme“, erklärt Korinna Huber. Anhand des Schweißes oder der Körperstelle, an der das Pferd schwitzt, kann der Reiter aber nicht erkennen, ob es schwitzt, weil es Stress empfindet oder sich anstrengt.

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An welcher Körperregion der Schweiß zu sehen ist, sagt auch nichts über die beanspruchten Muskelpartien aus. Das Nervensystem misst an vielen Stellen im Pferdeinneren die Temperatur und gleicht die Messergebnisse mit dem Soll-Wert des eigenen Körpers ab. Pferde haben regulär eine Körpertemperatur von 37,5 bis 38,2 Grad Celsius im Ruhezustand. Liegen die gemessenen Werte höher, startet der Körper des Pferdes die Thermoregulation mithilfe der Schweißdrüsen. „Wenn die Drüsen aktiviert werden, dann alle. Die Drüsenanzahl kann aber an unterschiedlichen Körperstellen anders verteilt sein“, erläutert Huber die unterschiedlich stark verschwitzten Flächen auf dem Fell. Der Umkehrschluss: Wenn das Pferd zwischen den Hinterbeinen schwitzt, heißt das nicht automatisch, dass die Hinterhandmuskulatur stark arbeitet.

Die Körperstelle, an der am meisten Schweiß zu sehen ist, gibt keine Rückschlüsse auf besonders beanspruchte Muskelpartien.

Der Schweiß ist heiß

Damit der Schweiß verdunsten kann, muss die Wärme an die Körperoberfläche. Dies gelingt durch eine vermehrte Durchblutung der Haut. Die Wärme des Körpers kann dann über die Verdunstung des Schweißes abgegeben werden. So sinkt die Temperatur des Körpers. Das ist das Prinzip der Thermoregulation durch Schweiß. Die Funktionsweise ist bei Mensch und Pferd gleich, aber nicht die Zusammensetzung des Schweißes.

„Pferdeschweiß enthält deutlich mehr Elektrolyte“, weiß Gerhard Breves.

Wenn Pferde schwitzen, verlieren sie also verhältnismäßig mehr Salz als Menschen. Um diesen Verlust auszugleichen, füttert Reitmeister Hubertus Schmidt Elektrolyte als Granulat oder flüssig zusätzlich zum regulären Kraft- und Raufutter. Die Pferde, die Vielseitigkeitsreiter Andreas Dibowski trainiert, bekommen jeden Tag einen Teelöffel Salz. Korinna Huber sagt: „In jeder Pferdehaltung sollten ein Salzleckstein und ein Mineralleckstein zur Verfügung stehen. Das Salzempfinden von Pferden ist klar geregelt und sie werden nicht mehr aufnehmen als sie brauchen.“

Im Freizeitbereich rät sie neben dem Angebot von Lecksteinen von zusätzlichem Mineralfutter ab, da die körperliche Belastung der Pferde hier in der Regel nicht so hoch ist. Zufüttern sei auch nicht nötig. „Einem Pferd Elektrolytmangel anzureiten, das schafft ein Freizeitreiter gar nicht“, so ihre Einschätzung. Der Schweiß von Pferden enthält im Gegensatz zum menschlichen das Protein Latherin. Das ist dafür verantwortlich, dass der Schweiß bei Reibung aufschäumt. In der schaumigen Konsistenz verteilt er sich im Fell über eine größere Oberfläche. Auf dieser kann mehr Schweiß gleichzeitig verdunsten, was die Temperatur in kürzerer Zeit senkt. Breves vermutet, dass Pferde unterschiedlich viel Schaum beim Schwitzen produzieren, weil die Wasser- und Latheringehalte im Schweiß von Pferd zu Pferd variieren.

Wie viel ein Pferd schwitzt, ist nicht belegt. Alle Daten darüber sind Schätzungen. Der angegebenen Werte reichen von 3 bis zu 40 Litern am Tag. Bei Distanzritten ist die Schweißmenge am höchsten.

Jedes Pferd schwitzt unterschiedlich

„Als Reiter sollte man die Schwitzgewohnheiten seines Pferdes kennen“, rät Andreas Dibowski. Dann könne man anhand des Schweißbildes erkennen, ob sich das Pferd im Training anstrengt. Dibowski würde das Training aber nicht verlängern, nur weil sein Pferd nicht sichtbar schwitzt. Wenn das Pferd unter dem Sattel von Hubertus Schmidt deutlich stärker schwitzt, als er es von ihm kennt, macht der Dressurreiter längere Schrittpausen: „Ein Trainingsprogramm kann ja beispielsweise in 30 Minuten geritten werden, oder ich reite zwischendurch länger Schritt und nehme mir 45 Minuten.“ Abkürzen würde er sein Training aber nicht. Bei stark schwitzenden Pferden könne es hilfreich sein, sie auch im Sommer zu scheren, meint Gerhard Breves.

Er hat eine Vermutung, warum Pferde unterschiedlich stark schwitzen: „Man weiß, dass die Urform des Pferdes weniger tubuläre Schlauchdrüsen besaß, die den Schweiß an die Körperoberfläche bringen, als züchterisch stärker beeinflusste Pferde.“ Korinna Huber hat eine andere Theorie: „Neben dem Trainingszustand des Pferdes und seiner psychischen Natur vermute ich, dass es auch mit der Fütterung zusammenhängen könnte. Bestimmte Komponenten könnten vermehrt Stoffwechselwärme erzeugen. Ich habe leicht verdauliche Kohlenhydrate wie Rübenschnitzel im Verdacht. Dazu gibt es aber keine belastbaren Daten.“

Darüber, dass sich das Schweißverhalten von Pferd zu Pferd unterscheidet, sind sich Andreas Dibowski und Hubertus Schmidt einig. „Ich habe zwei extreme Pferde im Stall – der eine schwitzt total viel, der andere fast nie“, erzählt Hubertus Schmidt. Aber er macht sich um beide keine Sorgen: „In unseren Breitengraden macht es nichts, wenn sie nicht so stark schwitzen. Hier ist es nicht so heiß. Als ich in Florida geritten bin, bereiteten mir solche Pferde schon Sorgen. Wenn die Pferde Hitze nicht gut abführen können, besteht ein gesundheitliches Risiko.“

Aufmerksam sollte man werden, wenn Pferde ohne ersichtlichen Grund stark schwitzen. Schweiß kann ein Anzeichen für eine Erkrankung sein. „Auch Überforderung beim Reiten oder falsch sitzende Sättel können Stress auslösen, der als Schweiß sichtbar wird“, erklärt Korinna Huber. Ein Hinweis auf falsch liegende Sättel kann das Schweißbild liefern, denn der Schweiß sollte auf beiden Seiten der Wirbelsäule gleichmäßig verteilt sein.

Unsere 
Experten

Prof. Dr. Korinna Huber leitet die Fachgruppe Funktionelle Anatomie der Nutztiere im Institut für Nutztierwissenschaften an der Fakultät Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim.

Hubertus Schmidt gehörte zur Gold-Mannschaft der Dressur bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 und betreibt einen Ausbildungs- und Zuchtstall in Borchen-Etteln.

Prof. Dr. Gerhard Breves ist Direktor des Physiologischen Instituts an der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

Andreas Dibowski gewann 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking Mannschaftsgold im Vielseitigkeitsreiten.