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Kotwasser: Schlecht, wenn's läuft

Wegschauen bringt nichts, wegwaschen auch nicht. Eine Sisyphusarbeit, denn vor und nach jedem Äppeln rinnt bei manchen Pferden braunes Kotwasser die Beine hinunter. Doch Pferdebesitzer können viel tun, um den Teufelskreis zu durchbrechen.

Manche Pferde verlieren beim Äppeln stets Kotwasser. Ein Problem, das es in den Griff zu bekommen gilt.

Wenn es läuft, dann läuft’s. In jedem anderen Zusammenhang haben diese Worte einen positiven Klang. Denn vermutlich läuft’s gerade richtig gut. Pferdebesitzer können eben diesen aber auch eine durchaus negative Bedeutung beimessen – besonders dann, wenn vom Kotwasser die Rede ist. Das Problem ist bekannt und äußert sich in bräunlichen Streifen und Flecken an den Hinterbeinen des Pferdes.

Doch was genau ist Kotwasser eigentlich? Fütterungsexperte Dr. Heiner Westendarp von der Hochschule Osnabrück klärt auf: „Es handelt sich dabei um nicht gebundenes Wasser, das lösliche Nährstoffe enthält. Im Gegensatz zum Durchfall ist die Konsistenz des Kotes aber normal. Vor und nach dem Kotabsatz fließt jedoch bräunliches Wasser aus dem After, das dann an den Beinen herunterläuft.“ Laut Westendarp werde dadurch die Haut stark in Mitleidenschaft gezogen, was mit Hautreizungen und im Extremfall sogar mit offenen Stellen einhergehe. Im Winter sei es besonders schlimm. „Das Pferd kann bei niedrigen Temperaturen gar nicht mehr richtig trocknen und die Feuchtigkeit gefriert auf der Haut“, warnt Heiner Westendarp. Besitzer von Kotwasser-Pferden waschen und putzen was das Zeug hält. Doch da der Verdauungsapparat des Pferdes ständig auf Hochtouren arbeitet, ist die Sauberkeit nur von kurzer Dauer. „Der Pferdebesitzer selbst kann viel tun, um dem Kotwasser beizukommen“, weiß Westendarp. „Das Kotwasser-Problem ist ein Kreislauf, den man durchbrechen muss“, so der Tierernährungs-Experte weiter. Wodurch genau Kotwasser hervorgerufen wird, konnte bislang noch nicht eindeutig belegt werden. Es gibt jedoch einige Faktoren, die der Pferdehalter prüfen und gegebenenfalls sofort ändern sollte, wenn sein Pferd betroffen ist.

Was vorne reinkommt

„Zunächst einmal spielt die Fütterung eine große Rolle“, beginnt Heiner Westendarp. „Hat das Grundfutter, also Silage, Heu oder Heulage, mangelnde Qualität, bilden sich Schimmelpilze, die dann sogenannte Mykotoxine produzieren. Auch im Kraftfutter können Schimmelpilze enthalten sein“, so Westendarp. „Diese schädigen dann den Blinddarm und die Blinddarmwand und auch die Leber kann in Mitleidenschaft gezogen werden.“ Schlechtes Futter sei laut Westendarp eine der Hauptursachen für Kotwasser beim Pferd. Er plädiert für einen ausgewogenen Speiseplan: „Sehr einseitige Ernährung beeinflusst die Verdauung des Pferdes negativ. Grundsätzlich sollte immer auf ein ausgewogenes Grund-Kraftfutter-Verhältnis geachtet werden, wobei nur Futtermittel höchster Qualität den Weg in den Trog oder die Box finden dürfen. Für das Pferd als Dauerfresser ist es wichtig die Rationen auf den Tag zu verteilen.“ Fünf kleinere Mahlzeiten seien besser als zwei große. Auch der Grundsatz „Raufutter vor Kraftfutter“ müsse beachtet werden.

Fachtierärztin Kathrin Rasch, Leiterin der Pferdeklinik Duisburg, fügt hinzu, dass auch Sand im Verdauungstrakt des Pferdes der Auslöser sein könne: „Gerade wenn die Pferde auf Paddocks oder abgegrasten Weiden gehalten werden, kann es passieren, dass sie um ihrem Fressdrang nachzukommen große Mengen Sand oder Erde aufnehmen. Diese sammeln sich dann im vorderen Dickdarm und rufen Kotwasser auf den Plan“, so Rasch. Doch auch das Gegenteil kann zum gleichen Problem führen: „Ist man beim Anweiden nicht vorsichtig genug, hat die Pferde also zu lange auf eine frische, üppige Weide gestellt, resultiert das auch in Kotwasser“, erklärt die Tierärztin. Die Pferde könnten das Überangebot an Nährstoffen dann einfach nicht verwerten. Ebenso verhalte es sich laut Rasch bei einer Überfütterung mit Getreide, wie Gerste oder Hafer.

Gutes Futter ist entscheidend für eine gute Verdauung des Pferdes.

Eher Robustpferde betroffen

Bezüglich der Fütterung habe sie außerdem beobachtet, dass gerade Robust- oder eher genügsame Rassen, wie Haflinger, Norweger, Tinker oder Isländer häufiger Kotwasser-Probleme haben. Sie hat eine einfache Erklärung dafür: „Diese Tiere stammen ursprünglich aus Regionen, in denen es kein besonders reichhaltiges Nahrungsangebot gibt oder sind einfach andere Lebensumstände gewohnt. Die Besitzer solcher Pferde füttern sie jedoch neben dem Rau- und Kraftfutter außerdem mit Zusatz- und Mineralfutter oder importiertem Superheu, wie Luzerneheu“, so Rasch, „Diese Pferde wollen aber gar nicht so reichhaltig gefüttert werden. Sie können die ganzen Nährstoffe nicht verwerten und scheiden sie daraufhin im Kotwasser wieder aus.“ Letztendlich müsse man als Besitzer wissen, welche Bedürfnisse das eigene Pferd bezüglich der Fütterung habe.

Eine Futterumstellung sollte laut Rasch jedoch immer in Absprache mit dem Tierarzt erfolgen: „Der Verdauungsapparat des Pferdes ist sehr sensibel. Bei krasser Futterumstellung sind Koliken nicht selten“, warnt die Tierärztin. Auch sollte der Pferdebesitzer darauf achten, was er seinem Tier zu fressen gebe: „Konservierungs- und Farbstoffe haben im Pferdefutter nichts zu suchen“, so Rasch, „Gerade bei Leckerlis ist das jedoch manchmal anders. Ein Blick auf die Zutatenliste ist durchaus angebracht.“ Kotwasser ist jedoch nicht allein das Resultat schlechter oder für das Pferd unpassender Fütterung. Es spielen noch eine Reihe weiterer Faktoren mit in die Problematik hinein.

Robustpferderassen sind häufiger von Kotwasser betroffen.

Dauergestresst

So sind auch ein erhöhter Stresspegel und hohe psychische Belastung bei Pferden ein großer Problemkomplex, der zu Kotwasser führen kann. „Stress kann viele unterschiedliche Gründe haben“, beginnt Heiner Westendarp. „Steht ein Pferd dauerhaft mit Artgenossen zusammen auf der Weide oder im Offenstall, mit denen es sich nicht versteht, ist das mit enormem psychischen Stress verbunden. Genauso verhält es sich, wenn das Pferd seinen Boxennachbarn nicht leiden kann. Aber auch Über- oder Unterforderung im Training sind ausschlaggebend für den Stresspegel des Tieres. Ebenso wie häufige und lange Transporte“, weiß der Futterexperte. Tierärztin Rasch rät dazu auch Haltungsformen wie beispielsweise Aktiv-ställe, die allgemein als sehr pferdegerecht gelten, kritisch zu prüfen: „Es geht hierbei immer um das einzelne Pferd als Individuum. Ich muss als Besitzer prüfen, ob diese Haltungsform die richtige für mein Pferd ist. Ist es in der Gruppe dauerhaft gestresst und zeigt Kotwasser, muss ich über eine Veränderung nachdenken." Dauerhafter Stress könne laut Heiner Westendarp im Extremfall sogar Magengeschwüre hervorrufen, die mit Schmerzen verbunden seien. Krankheit und Schmerzen bedeuteten wiederum Stress für das Pferd, der letztendlich im Kotwasser sichtbar werde.

Ein Kreislauf, den es durch gut organisiertes Stall- und Haltungsmanagement zu durchbrechen gilt. Beobachtet man also fortwährend Unruhen in der Herde, sollte die Gruppe neu zusammengestellt werden. Doch damit nicht genug: „Auch wenn das Pferd von Parasiten befallen ist, ist Stress programmiert“, weiß Heiner Westendarp. „Der Parasitenbefall beeinträchtigt die Lebensqualität des Pferdes erheblich, womit man wieder beim Faktor Stress angelangt ist.“ Zudem ist auch der Zustand der Zähne ausschlaggebend: „Wenn das Pferd Zahnprobleme hat, kann es das Futter nicht ausreichend zerkleinern. Es wird zu wenig Speichel gebildet, was dann letztendlich dazu führt, dass der pH-Wert im Magen absinkt und die Magenschleimhaut angegriffen wird“, erklärt Westendarp. Die bräunlichen Flecken an Beinen und Schweif ließen nicht lange auf sich warten.

Kathrin Rasch macht jedoch auch darauf aufmerksam, dass ernsthafte Erkrankungen Schuld am Kotwasser sein können: „Eine Herzschwäche führt zur Verdickung der Dickdarmwand, sodass Flüssigkeit zurückbehalten wird und die Resorption, also die Aufnahme von Nährstoffen, nicht mehr funktioniert. Auch Leber- oder Nierenversagen können sich im Kot-wasser zeigen, ebenso wie eine chronische Bauchfellentzündung.“ Verschwinden die Symptome also trotz Änderung der Haltungs- und Fütterungsbedingungen nicht, sollte der Tierarzt zu Rate gezogen werden. Dieser fertigt dann ein Blutbild an, um schwerwiegende Erkrankungen des Pferdes ausschließen zu können.

Kotwasser kann auch darauf hindeuten, dass das Pferd sich im Herdenverband nicht wohl fühlt.

Nachgeforscht

Einen Versuch, das wenig erforschte Phänomen des Kotwassers zu ergründen, startete der Lehrstuhl für Tierernährung und Diätetik der Universität München. Carolin Zehnder führte unter Betreuung der Lehrstuhlinhaberin Ellen Kienzle eine Feldstudie mit Kotwasser-Pferden durch. Kienzle gibt Einblicke in die Ergebnisse der Studie, in der 50 von Kotwasser betroffene Pferde untersucht und analysiert wurden: „Wir haben die Besitzer betroffener Pferde interviewt und sie unter anderem nach den Haltungsbedingungen und der Fütterung ihrer Pferde befragt“, erklärt Ellen Kienzle das Vorgehen. „Außerdem haben wir das Blut der Pferde auf Entzündungen untersuchen lassen, um beispielsweise chronische Blinddarmentzündungen, die auch für Kotwasser verantwortlich sein können, auszuschließen. Es kam heraus, dass bei diesen Pferden weder Parasiten noch schlechte Zähne das Kotwasser hervorriefen.“ Denn laut Kienzle seien bei allen Pferden die Zähne in gutem Zustand gewesen und auch fütterungstechnisch war alles in Ordnung. „Die Pferde bekamen genügend Heu und hatten größtenteils regelmäßig Weidegang“, so Kienzle.

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Doch als die Forscher dann die Haltungsbedingungen der Pferde analysierten, zeigte sich ein klares Muster, das für das Kotwasser verantwortlich gemacht werden konnte: „Auffallend viele Besitzer gaben an, dass ihre Pferde in der Gruppe eher eine rangniedrige Position innehaben. Das ist verwunderlich, denn normalerweise überschätzen Pferdebesitzer die Rangordnung ihres Pferdes in der Gruppe eher, als dass sie sie unterschätzen“, sagt Ellen Kienzle. „Die Vermutung lag nah, dass besonders rangniedrige Pferde betroffen sind, da sie einem höheren Sozialstress ausgesetzt sind.“ Die Professorin erinnert sich an einen Fall, bei dem ein Pferd sogar innerhalb weniger Stunden anfing Kotwasser zu zeigen. Nämlich genau dann, wenn „sein Kumpel“ aus der Gruppe geholt wurde. Sobald der Artgenosse wieder zurückkehrt, war das Kotwasser wieder verschwunden. Laut Studie seien besonders Wallache häufig betroffen, vielleicht weil sie in der Rangordnung oft eine niedrige Position einnehmen. Doch auch ranghohe Pferde können mit Kotwasser zu tun bekommen, etwa dann wenn sie ihren Rang dauerhaft verteidigen müssen. „Das hat wieder etwas mit Sozialstress zu tun“, schlussfolgert Ellen Kienzle.

Warum nun ausgerechnet Schecken in dieser Studie häufiger Kotwasser zeigten als andere Pferde, darauf kann sich die Expertin bis heute keinen Reim machen. Interessant sei dieses Ergebnis jedoch allemal. Auch wenn es sich in der Studie der Universität München nicht zeigte: Kotwasser könne laut Kienzle auch aufgrund eines Futterproblems auftreten. Jedoch nur dann, wenn das Problem im gesamten Stall Einzug gehalten habe. Bei Einzelfällen sei es vielmehr in der Regel der Sozialstress, der den Tieren zu schaffen mache.

Besonders häufig von Kotwasser betroffen, sind übrigens Schecken.

Nicht das Problem bekämpfen, sondern die Ursache

Den Teufel mit dem Beelzebub treibe man laut Ellen Kienzle genau dann aus, wenn man versuche dem Kotwasser mit speziellen Futtermitteln beizukommen. „Natürlich wird sich das Kotwasser einstellen, wenn man den betroffenen Pferden wasserbindende Substanzen, wie beispielsweise Kleie, gibt. Jedoch bekämpft man so nur das Symptom, nicht aber die Ursache.“ Letztendlich müsse man ausfindig machen, was genau für den Sozialstress des Pferdes verantwortlich sei und diesen Faktor schnellstmöglich beseitigen. So könne beispielsweise ein einfacher Stallwechsel schon Abhilfe schaffen.

Tierärztin Kathrin Rasch fügt dem noch hinzu, dass man dem Pferd mit speziellen Futtermittelpräparaten gegen die akuten Hautprobleme, die mit Kotwasser einhergehen, helfen kann: „Man kann dem Problem sehr schnell beikommen, indem man beispielsweise das Immunsystem des Darms stärkt. Das funktioniert mit dem homöopathischen Mittel Echinaceae, das aus der Sonnenhut-Pflanze gewonnen wird, recht gut. Man kann dem Darm jedoch auch etwas Gutes tun, indem man Hefen, wie beispielsweise Bierhefe zu füttert“, so Rasch, „Manchmal tut es auch schon ein geraspelter Apfel mit Schale, da das enthaltene Pektin Kotwasser bindet.“

Trotzdem sollte der Pferdebesitzer nicht eigenmächtig am Speiseplan seines Pferdes herumexperimentieren. „Um Koliken oder andere negative Reaktionen zu vermeiden, muss jede Neuerung in der Fütterung oder auch die Gabe von Zusatzfutter mit dem Tierarzt abgesprochen werden“, so Rasch. Nichtsdestotrotz müsse man letztendlich die eigentliche Ursache des Kotwassers finden, um dem Problem langfristig Herr zu werden. Grundsätzlich ist Kotwasser kein Grund dafür, gleich den Tierarzt zu rufen. Das Pferd zeigt damit allerdings, dass etwas in der Haltung, der Fütterung oder mit seiner Gesundheit nicht ganz in Ordnung ist. Deshalb gilt es, die Ursache zu erforschen und auszuschalten, um dem Partner Pferd das Leben so angenehm wie möglich zu machen.

Der Artikel stammt aus unserem Archiv und wurde erstmals 2014 in der Printausgabe der Reiter Revue International veröffentlicht.