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Kolik-Mythen entlarvt

Mit einer Kolik ist nicht zu spaßen. Doch um dieses Thema ranken sich viele Mythen und Halbwahrheiten. Was ist richtig, was ist falsch, wenn das Pferd eine Kolik hat? Wir klären auf!

Vermehrtes Wälzen kann auf eine Kolik hindeuten.

Die Zeichen sind eindeutig. Um eine Kolik zu erkennen, muss man kein Sherlock Holmes der Diagnostik sein. Wälzen, Gähnen, Flehmen, zum Bauch schauen und mit den Beinen dagegen schlagen sind die deutlichsten Anzeichen für tierische Bauchschmerzen. In akuten Fällen, sollte der Pferdebesitzer einen Tierarzt rufen. Doch was ist dran an den ganzen Ratschlägen, die sich rund um dieses Krankheitsbild ranken? Wir sind 15 Kolik-Mythen auf den Grund gegangen, die durch unsere Ställe geistern.

1. Wälzen ist tabu

„Natürlich darf sich das Pferd bei einer Kolik wälzen“, klärt Dr. Kathrin Rasch, Leiterin der Pferdeklinik Duisburg, auf. „Das Wälzen kann den Pferden sogar guttun, da das Gas im Verdauungstrakt dadurch bewegt wird und abgehen kann.“ Das sei jedoch nur bei leichteren Formen, wie der Krampf- oder der Verstopfungskolik, der Fall.

2. Wenn das Pferd äppelt, ist die Kolik vorbei

„Nein, das ist definitiv nicht der Fall“, so die Tierärztin. „Im Enddarm und in der Ampulle des Rektums ist so viel Platz, dass das Pferd vier bis fünf Mal äppeln kann, ohne dass die Kolik vorüber ist.“

3. Anhängerfahren hilft

„Ja, eine Runde Anhängerfahren kann helfen“, weiß Dr. Rasch. „Das Pferd verbindet mit dem Anhänger aufregende Situationen, wie die Fahrt zum Turnier. Die Aufregung kann dazu führen, dass die Darmtätigkeit wieder angeregt wird.“

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4. Trinken verboten

Hartnäckig hält sich der Mythos, das Pferd dürfe bei einer Kolik nicht saufen. „Bei einer Krampfkolik oder bei Verstopfung ist trinken sogar sehr wichtig“, hält Rasch dagegen. Bei der schlimmsten Form der Kolik, also bei einem abgedrehten Dick- oder Dünndarm, sei das Pferd jedoch in so schlechtem Zustand, dass es freiwillig nicht mehr trinke.

5. Kopper haben öfter Koliken

„Auch das ist nicht bewiesen“, so Rasch., „Wir wissen nur, dass der Schlund bei Koppern vergrößert und schlaffer ist als bei Nicht-Koppern. Außerdem ist der Kopper-Magen gereizter.“ Kopper ließen einen Großteil der eingesaugten Luft auch gleich wieder heraus. Dass sie häufiger an Koliken leiden, ist also ein Mythos.

6. Das Kolik-Wetter

Gerade bei windigem Wetter oder großen Temperaturschwankungen von kalt zu sehr warm werden Pferde laut Rasch häufiger von Koliken geplagt. „Bei Wind liegt es daran, dass dieser die Pferde nervös machen kann. Das bedeutet Stress, der Koliken auslösen kann“, so die Tierärztin.

7. Bei einer Kolik ist der Pferdebauch stumm

Die Tiermedizinerin klärt auf: „Bei einer dramatischen Kolik höre ich tatsächlich keine Darmgeräusche mehr.“ Dann gehe es dem Pferd bereits so schlecht, dass es sofort behandelt werden müsse. Bei einer milderen Form der Kolik seien jedoch weiterhin Geräusche zu hören.

8. Die Sandkolik

„Die Sandkolik gibt es wirklich“, weiß Rasch. „Dabei sammelt sich Sand im vorderen Teil des Dickdarms und verstopft diesen.“ Häufig komme dies bei Pferden vor, die auf Sandpaddocks oder abgefressenen Wiesen gehalten werden. „Kommt dann Langeweile auf, fressen die Tiere tatsächlich Sand.“ Der Sand könne aber auch an den letzten Grashalmen hängen, die Pferde von den kargen Weiden abrupfen. Eine Sandkolik kann sich über mehrere Monate entwickeln. Oft kann der Sand nur operativ entfernt werden.

9. Das Kolik-Pferd muss geführt werden

„Bewegung ist sehr wichtig für ein Pferd, das mit einer Kolik zu kämpfen hat“, so die Klinikleiterin. „Ich kann das Pferd im Schritt führen oder longieren. Noch besser bei einer Kolik sind wenige Minuten Trab im leichten Jogging-Tempo.“ Durch die Bewegung wird die Darmtätigkeit des Pferdes aktiviert. Leichte Koliken können sich lösen.

10. Ein Kräuterschnaps hilft

Der sogenannte „Absacker“ soll nach einem reichhaltigen Essen das Völlegefühl lindern – zumindest beim Menschen. So die Theorie. Manche Pferdebesitzer schwören auch bei Pferden mit leichter Kolik auf den Kräuterschnaps. „Die Wirkung geht gegen Null“, macht Dr. Rasch die Hoffung auf den Effekt des Hausmittelchens zunichte. „Der Verdauungstrakt des Pferdes ist vollkommen anders als der des Menschen. Und wenn die Kolikursache im hinteren Dickdarm des Pferdes liegt, wird der Schnaps dort niemals ankommen.“

11. Mash regt die Verdauung an

Dieser Mythos kann für ernsthaft kranke Pferde sehr gefährlich werden. Denn bei einer akuten Kolik darf das Pferd auf keinen Fall zusätzlich gefüttert werden. „Kein Futter, die Einstreu entfernen und am besten einen Maulkorb anziehen“, lautet der Rat der Tierärztin. „Wenn das Pferd verstopft ist, darf es auf keinen Fall fressen. Manche Pferde sind so gierig, dass sie trotz Schmerzen einfach weiterfressen. Dies kann dann zu einer Überladung des Darms und im schlimmsten Fall zu Durchbrüchen führen, die für das Pferd oft tödlich enden.

12. Ab und an eine Kolik ist normal

Dass Pferde heutzutage nicht mehr so leben, wie Mutter Natur es einmal für sie vorgesehen hat, ist eine Tatsache. Daher sind auch Koliken bei unseren Hauspferden keine Seltenheit. „Man sollte jedoch nicht immer die Boxenhaltung als Ursache der Kolik verurteilen“, so Rasch. „In Aktivställen beispielsweise sind sehr sensible Pferde häufig Stress ausgesetzt. Die Rangordnung wird ständig neu ausgefochten oder andere Pferde blockieren Futterplätze. Dieser Stress kann durchaus auch eine Kolikursache sein“, so die Tierärztin. Eine leichte Kolik sei demnach im Einzelfall als normal einzustufen.

13. Zu viel Stroh ist schuld

„Das ist nur der Fall, wenn das Pferd bei mangelnder Bewegung und geringer Flüssigkeitsaufnahme zu große Mengen Stroh frisst“, erklärt die Tierärztin. „Im Winter kann es nützlich sein, das Trinkwasser leicht anzuwärmen, denn zu kaltes Wasser mögen Pferde nicht besonders. Trinkt das Pferd genügend, sind größere Mengen Stroh kein Problem.“

14. Wärme hilft

Dr. Rasch erklärt: „Mit Wärme kann ich dem Pferd eine Art Wohlfühl-Atmosphäre schaffen, die zu Entspannung führt. Dies kann bei leichten Koliken helfen.“

15. Öl macht, dass es flutscht

„Das ist leider nicht so – jedenfalls nicht, wenn man dem kranken Pferd Futteröle, wie beispielweise Leinöl gibt“, klärt die Expertin auf. „Bei Verstopfungen gibt der Tierarzt dem Pferd in der Regel Paraffinöle, die eine abführende Wirkung haben.“ Generell seien Futteröle gut für Verdauung und Stoffwechsel, in akuten Situationen haben sie jedoch keine Wirkung.

Dieser Artikel ist erstmals erschienen in Reiter Revue 4/2015.