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Die wichtigsten Fakten zum Fellkraulen

Den Hals in die Höhe gereckt, die Augen geschlossen – jedes Pferd hat diese eine Stelle, an der es am liebsten gekrault wird. Dabei ist das Kratzen viel mehr als nur Genuss. Alles über den heilsamen Freundschaftsknüpfer, lesen Sie hier.

Unabhängig von Rasse und Alter: Pferde lieben die gegenseitige Zuneigung.

Münster - Mit Marlitt Wendt, Verhaltensbiologin und Pferdeexpertin haben wir über das Fellkraulen von Pferden gesprochen. Diese sieben Dinge sollte wirklich jeder Reiter über das Kraulen wissen:

1. Was bedeutet es, wenn Pferde sich kraulen?

Fellkraulen gehört zum Sozialverhalten der Pferde. Sie kraulen sich gegenseitig, um Beziehungen zu knüpfen, Freundschaften zu vertiefen, sich gegenseitig Wohlbefinden zu schenken und das Stresslevel zu reduzieren. Allgemein gilt, je häufiger sich Pferde gegenseitig kraulen, desto sympathischer sind sie einander und desto enger sind sie miteinander befreundet. So erklärt es Verhaltensbiologin Marlitt Wendt und ergänzt: „Im Verlauf des Rossezyklus der Stute kommt es an den Tagen in der Nähe der Empfängnisbereitschaft zu besonders ausgeprägten Krauleinheiten zwischen Hengst und Stute. Hier steht die Paarbindung und das Paarungsvorspiel im Vordergrund.“ Zur Zeit des Fellwechsels dient das Fellkraulen außerdem der gegenseitigen Fellpflege.

2. Kann jedes Pferd ein anderes kraulen?

„Am Fellkraulen kann man sehr gut die Beziehungen und Freundschaften der Pferde untereinander erkennen“, sagt Wendt. Es lohnt sich, die Herde zu beobachten. Die Kraulaufforderungen können mehr oder weniger subtil sein. „Vorsichtig anfragen ob ein Kraulen erwünscht ist, kann jedes Pferd ein anderes. Es akzeptiert jedoch auch ein „Nein“ des anderen“, beschreibt die Expertin. „Das kann sein, wenn das Pferd gerade ein anderes aufgrund seiner Stellung innerhalb der Herde bevorzugt.“

3. Gibt es Körperbereiche, die Pferde sich bevorzugt kraulen?

„Sie kraulen sich gegenseitig gerne am Hals, am Widerrist und entlang des Rückens“, erklärt Wendt. „In diesen Regionen leiten körpereigene Sensoren die positiven Empfindungen direkt weiter an das Pferdegehirn. Berührungen in diesem Bereich, besonders am Widerrist, beruhigen Pferde. Die Herzfrequenz sinkt sogar nachweislich.“

4. Wie sollten Menschen das Fell ihrer Pferde kraulen?

Pferde sind je nach Rasse und Persönlichkeit unterschiedlich zu kraulen. Zum Beispiel haben Vollblüter im Allgemeinen eine dünnere Haut und sind berührungsempfindlicher als Ponys oder Kaltblüter. „Die meisten Pferde bevorzugen eher kräftiges Kratzen oder Kneten“, gibt die Verhaltensbiologin zu bedenken. „Sie mögen nur an bestimmten Körperregionen wie etwa an der Schweifrübe sanfte, zarte Berührungen.“ Besonders leicht kann sich der Mensch beim Kraulen am Genussgesicht des Pferdes orientieren. Das sieht so aus: vorgeschobene, verlängerte Oberlippe, in sich gekehrter Blick und ein erhobener Kopf. Manche Pferde möchten am liebsten zurückkraulen. Auch das ist ein Indiz, dass die Stelle stimmt.

5. Wie sollte ein Mensch reagieren, wenn das Pferd ihn „zurückkraulen“ möchte?

Das Zurückkraulen ist eine freundschaftliche Geste des Pferdes, die auf keinen Fall bestraft werden sollte. Solange es sanft krault, kann es je nach eigenem Empfinden einfach zugelassen werden. Sollte es zu kräftig kraulen, schiebt man einfach den Kopf zur Seite und beendet seinerseits das Kraulen. So lernt das Pferd, dass Menschen nur sanft gekrault werden mögen.

6. Ist das Kraulen für die Lebensqualität der Pferde so wichtig wie das Wälzen?

„Ja, das gegenseitige Fellkraulen ist ein intensives Bedürfnis eines Pferdes“, so Wendt. „Es braucht funktionierende Beziehungen und Freundschaften zu anderen Pferden und drückt den Grad der Freundschaft unter anderem über das Fellkraulen aus.“ Ganz allgemein fördern positiv empfundene Berührungen von befreundeten Individuen das gesunde Immunsystem, sowie die Wundheilung und reduzieren Stress. Es hat also nur positive Effekte.

7. Was ist das bessere Lob – Kraulen oder Leckerei?

„Was ein gutes Lob ist, bestimmt der Empfänger, nicht der Schenkende“, sagt Marlitt Wendt schlicht. „Manche Pferde reagieren sehr gut auf Kraulen, andere können gezielter mit Leckerlis belohnt werden. Leckerlis lieben alle Pferde. Über die Gabe von kleinen Aufmerksamkeiten können sehr punktgenau Lektionen belohnt und Verhaltensweisen trainiert werden.“ Das Kraulen sei dagegen nicht ganz so punktgenau und direkt einsetzbar. Es eignet sich bei vielen Pferden eher zum allgemeinen Beziehungsaufbau oder für die Ruhe- und Entspannungsarbeit und weniger zum Erarbeiten von Lektionen.

UNSERE EXPERTIN

Marlitt Wendt ist Verhaltensbiologin und hat sich auf Verhalten und Kommunikation von Pferden spezialisiert. Als Autorin diverser Fachbücher, auf Seminaren und bei Vorträgen informiert sie über die komplexen Persönlichkeiten und das Lernvermögen der Pferde. Mehr zu ihrer Person finden Sie unter www.pferdsein.de