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Leseprobe

Der Tastsinn des Pferdes

Der Tastsinn der Pferde ist ein hoch entwickeltes System. Überreizen wir Reiter ihn mit permanenter Hilfengebung, kann er ermüden. In der August-Ausgabe lesen Sie dazu ein Interview mit Janet L. Jones, Hirnforscherin und Pferdetrainerin aus den USA. Hier geht's zur Leseprobe.

Ein Pferd spürt jede Fliege, die auf ihm landet. Die Reiterhilfen nimmt es sensibler war, als wir Menschen oft denken.

Frau Jones, in Ihrem Buch „Horse Brain, Human Brain“ bezeichnen Sie die taktile Wahrnehmung als einen „pferdischen Supersinn”. Warum?

Trotz ihrer Größe verfügen Pferde über eine enorme Sensibilität gegenüber Berührungen. Das durchschnittliche Pferd wiegt 50 Millionen Mal mehr als eine Fliege – und kann sofort spüren, wenn diese Fliege auf seinem Körper landet. In Tests konnten Pferde das Gewicht von drei Sandkörnern wahrnehmen. Das vermag nicht einmal der Mensch mit seiner Fingerspitze! Diese Sensibilität gegenüber Berührungen ermöglicht es Pferd und Reiter über die Körpersprache miteinander zu kommunizieren. Das Pferd spürt winzige Veränderungen im Körper des Reiters, zum Beispiel eine leichte Bewegung eines Fingers am Zügel oder eine Anpassung der Schulter um nur wenige Zentimeter. Es lernt auf diese Hilfen mit seinen eigenen Bewegungen – wie den Schritt zu verlangsamen oder den Rücken aufzuwölben – zu antworten.

Sie beschreiben auch, dass viele Reiter fälschlicherweise annehmen, dass Pferde die Welt genauso wahrnehmen wie sie selbst. Ihre Sinne funktionieren jedoch anders und sie nehmen Sinnesreize anders wahr. Was bedeutet das für den Tastsinn?

Über den Berührungs- und Geruchssinn der Pferde wissen wir deutlich weniger als über ihren Seh- und Hörsinn. Das liegt daran, dass die Forschung sich auf die Sinne konzentriert, die für Menschen am wichtigsten sind: Sehen und Hören. Aber die am besten ausgeprägten Sinne der Pferde sind Fühlen und Riechen. Heutzutage wissen wir zumindest, welche Nervenzellen für Berührung in der Haut und in den Muskeln bei Menschen und Pferden gleich sind. Pferde sind, genau wie Menschen, in der Lage Unterschiede in der Berührungsgeschwindigkeit, wie einen schnellen Schlag oder ein Tätscheln, oder dem Grad an Druck – leicht oder fest – zu spüren. Wir richten unsere Hilfen anhand dieser Fähigkeiten unserer Pferde aus: Eine leichte schnelle Berührung mit dem Schenkel hat also eine andere Bedeutung als konstanter Druck, den wir damit ausüben. Pferde verfügen außerdem über Nozizeptoren: Nervenzellen, die Schmerz wahrnehmen und deuten.

Pferde nehmen Sinnesreize in verschiedenen Regionen ihres Körpers wahr. Neben der Haut spielen Hufe und Tasthaare mit Tausenden von Neuronen entscheidende Rollen für den Tastsinn.

Tasthaare vermitteln dem Pferd verschiedene Informationen. Pferde können die Region nahe ihrem Maul und ihrer Nase nicht sehen, also wählen sie ihr Futter über ihre Tasthaare und Lippen aus. Beispiel Grasen: Verschiedene Gräser haben verschiedene Geschmacksrichtungen, kürzeres Gras kann süßer als langes Gras derselben Sorte sein. Weil die Augen der Pferde an der Seite ihrer Köpfe liegen, haben sie Schwierigkeiten Dinge zu sehen, die unterhalb ihres Gesichts sind. Die Tasthaare ermöglichen es ihnen jedoch, diese Dinge zu fühlen. Sie sind eine wichtige Informationsquelle, da sie für das natürliche Essverhalten, die Erkundung und die Bewegung des Pferdes eine zentrale Rolle spielen. Ich glaube, dass Hufe künftig in der Forschung zum Tastsinn der Pferde neue Erkenntnisse bringen werden. Pferde können mit den Hufen fühlen, wie sicher sie sich im Matsch, Wasser, Schnee und Eis bewegen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Rezeptoren für Berührung in der Sohle der Hufen anders sind als die in der Haut oder den Tasthaaren.

Das komplette Interview zum Tastsinn des Pferdes und über die Folgen, wenn dieser gestört ist, lesen Sie in der August-Ausgabe 2022. Hier können Sie das Einzelheft versandkostenfrei bestellen oder direkt als E-Paper kaufen. Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier können Sie sich kostenlos anmelden.