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Leseprobe: Wenn die Sinne schwinden

Der Sehsinn des Pferdes

Knabstrupper Topolino war drei Jahre alt, als er zu Simone Bachmann kam. Er hatte ein überzeugendes Interieur und sollte von ihr in den nächsten Jahren zum Therapiepferd ausgebildet werden. Im Alter von sieben Jahren wurde er plötzlich schreckhaft und kopfscheu, vor allem auf der linken Seite.

Pferde können fast 330 Grad überblicken.

„Er zuckte zusammen, wenn man ihn berührte,“ erzählt Simone Bachmann. Schon beim Kauf war sie sich darüber im Klaren, dass er von der so genannten „Tigerschecken-Krankheit“ betroffen sein könnte: Weltweit leiden etwa 90 Prozent aller Appaloosas und Knabstrupper unter einer rassebedingten Form der Periodischen Augenentzündung. Der Tierarzt bestätigte Simone Bachmanns Befürchtung. Das linke Auge war bereits komplett blind, drei Jahre später folgte das rechte Auge. Über Facebook tauschte sie sich mit anderen betroffenen Pferdehaltern aus und gründete mit ihnen 2018 die „Interessengemeinschaft blinde Pferde e.V.“. „Unsere ursprüngliche Idee war, Hilfe zu geben, so dass blinde Pferde nicht sofort euthanasiert werden“, berichtet sie. „Wir wollten Pferdehaltern beweisen, dass es mit gewissen Voraussetzungen funktionieren kann.“ Heute beraten die Mitglieder, nehmen Pferde in Obhut oder helfen bei der Vermittlung. „In den letzten drei Jahren haben wir für über 70 Pferde neue Besitzer gefunden.“ Simone Bachmann kümmert sich auch um die Erstellung von individuellen Trainingsplänen, begleitet betroffene Reiter in der Phase der Erblindung ihrer Pferde und berät, wie Haltung und Umgang sicher möglich sind. Denn wird ein Pferd blind, ist nichts mehr wie vorher.

Pferde müssen als Fluchttiere ihre Umgebung überwachen können, um rechtzeitig Gefahren und Feinde zu erkennen. Ihre Sinne sind dementsprechend ausgebildet und unterscheiden sich in vielen Punkten von denen des Menschen. Das trifft auch auf den Sehsinn zu: Pferde haben ein sehr großes Gesichtsfeld und können, ohne den Kopf zu drehen fast 330 Grad überblicken. Lediglich hinter ihrem Schweif haben sie einen toten Winkel von maximal zehn Grad. Außerdem sehen sie nicht, was oberhalb ihres Kopfes geschieht. Das liegt an der seitlichen Anordnung der Augen und an ihrer länglichen Pupille.

„Wir Menschen haben einen relativ großen Bereich, in dem wir nichts sehen“, erklärt Prof. Dr. József Tóth, Professor für Chirurgie und Augenheilkunde für Pferde am Tierärztlichen Kompetenzzentrum Karthaus in Dülmen. Dafür sehen Menschen dreidimensional in einem Sichtfeld von etwa 120 Grad, beim Pferd sind es nur etwa 65 Grad. Es nimmt einen Großteil seiner Umgebung nur zweidimensional wahr, außerdem funktioniert die Scharfstellung nicht so gut wie bei Menschen und Raubtieren. „Es sieht etwa sechs bis zehn Meter relativ scharf und dahinter schon etwas verschwommen. Das ist aber kein Problem, da es die Aufgabe seiner Augen ist, Bewegungen zu erkennen und darauf zu reagieren.“ (...)

Der Titel der Mai-Ausgabe
Den kompletten Artikel zum Verlust des Sehsinns, mit praktischen Tipps, wie Pferdehalter ihre Tiere unterstützen können, lesen Sie in der Ausgabe 0522 der Reiter Revue. Hier können Sie sie versandkostenfrei bestellen. Sie möchten nicht auf die Print-Ausgabe warten? Dann schließen Sie jetzt ein Digital-Abo ab. Damit können Sie die Ausgabe schnell und einfach auf jedem digitalen Endgerät lesen.