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Aufgedeckt: So schlafen Pferde

Mit einem mobilen Schlaflabor hat Dr. Anna-Caroline Wöhr die Schlummerstunden der Pferde erforscht. Die Ergebnisse sind spannend. Warum Pferde nicht umkippen, wenn sie im Stehen schlafen und wovon sie wirklich träumen ... Hätten Sie‘s gewusst?

Im Vergleich zu erwachsenen Pferden haben Fohlen ein besonders hohes Schlafbedürfnis – rund zehn Stunden eines 24-Stunden-Tages schlummern sie.

Schlafmütze – von wegen!

Pferde schlafen in mehreren Etappen. Zwischen fünf und 20 Minuten dauert eine Schlaf-Periode. Dr. Anna-Caroline Wöhr von der Ludwig-Maximilians-Universität in München erklärt: „Es gibt auch unter Pferden unterschiedliche Schlaf-Typen. Unruhige Schläfer schlafen in mehreren kurzen Phasen hintereinander. ‚Langschläfer‘ unter den Pferden können auch durchaus 20 Minuten am Stück durchschlafen.“ Nur circa drei bis fünf Stunden verbringt das Pferd in 24 Stunden mit Schlafen.

Am liebsten in Ruhe

Den Großteil seines Gesamtschlafs, rund 200 Minuten, verbringt das Pferd in der Nacht. „Pferde ruhen sich aber auch tagsüber aus, gerne zur Mittagszeit“, fügt Dr. Wöhr hinzu. Am liebsten legt sich das Pferd ab Mitternacht bis in die frühen Morgenstunden zum Schlafen hin. „In dieser Zeit haben wir die häufigsten und längsten liegenden Schlafphasen messen können“, sagt die Pferde-Schlafexpertin.

Phasenweise

Schlaf ist nicht gleich Schlaf – beim Pferd gibt es drei unterschiedliche Phasen: „Die Einschlafphase bezeichnen wir auch als Leichtschlafphase. Pferde haben, wie wir Menschen, außerdem eine Tiefschlafphase und eine REM-Phase, die wir auch Traumschlafphase nennen“, unterscheidet Dr. Wöhr. REM steht für Rapid-Eye-Movement, weil sich in diesem Stadium die Augen sehr schnell gegenläufig bewegen.

Lieblingsposition

Legt sich ein Pferd zum Schlafen hin, hat es drei Möglichkeiten: Es kann sich flach auf die Seite legen oder in Brustlage den Kopf entweder am Boden abstützen – übrigens die beliebteste Schlafposition unter Pferden – oder den Kopf in Brustlage tragen. Auf dem Weg ins Schlummerland begibt das Pferd sich in der Einschlaf- oder Leichtschlafphase zu gleichen Teilen im Stehen und Liegen, das dauert zusammengerechnet rund 40 Minuten. Der REM-Schlaf, der nur im Liegen möglich ist, nimmt mindestens 30 bis 40 Minuten der Gesamtschlafzeit von rund fünf Stunden ein. Für den Tiefschlaf nimmt sich das Pferd mit 130 Minuten am meisten Zeit; rund 80 Minuten davon im Stehen und 50 Minuten im Liegen. Etwa die Hälfte der gesamten Schlafzeit steht das Pferd.

Das Liegen in Brustlage mit abgestütztem Kopf ist die Lieblings-Schlafposition unter Pferden.

Bequem im Stehen

Pferde können im Stehen schlafen. Dass sie dabei nicht umkippen, verdanken sie einem ausgeklügelten System in ihrem Kniegelenk, der sogenannten Spannsägenkonstruktion. Das Pferd kann seine Kniescheibe über den Oberschenkelknochen schieben und dort einhaken, so blockiert das Kniegelenk und wird unbeweglich. Sehnen fixieren und stabilisieren dabei das Sprunggelenk. Das andere Hinterbein wird entlastet. Etwa alle zehn Minuten wechselt das Pferd das Standbein. Pferde können im Stehen Leichtschlaf- aber auch Tiefschlafphasen haben. Einzig der REM-Schlaf ist im Stehen nicht möglich.

Ausgeschlafen?

„Das größte Problem ist, wenn sich ein Pferd nicht mehr hinlegt“, sagt Dr. Wöhr. Das kann am Boxennachbarn liegen, an falscher oder zu wenig Einstreu oder auch an der Decke, die das Pferd trägt. Hat ein Pferd sich innerhalb von zwei bis drei Tagen nicht einmal hingelegt, bricht es irgendwann einfach zusammen und kann sich dabei schwer verletzen. Die Besitzer vermuten Narkolepsie, also die „Schlafkrankheit“, die es beim Pferd so aber nicht gibt. Dr. Wöhr erklärt: „Pferden, die sich nicht hinlegen, fehlt der REM-Schlaf, der nur im Liegen möglich und für das Pferd unverzichtbar ist. In einer Untersuchung haben wir bei einem Pferd in 24 Stunden tatsächlich 190 Zusammenbrüche gemessen. Wir nennen das statt Narkolepsie ‚atonischen Kollaps‘ .“ Meist passiert es um drei Uhr nachts, dann nämlich wenn normalerweise die meisten REM-Phasen auftreten. Der Körper nimmt sich, was er braucht. Ob sich ihr Pferd hinlegt, können Besitzer nur mit einer Videoüberwachung herausfinden. Tut es das nicht, beginnt die Ursachenforschung. Legen sich die Pferde wieder regelmäßig hin, ist auch die vermeintliche Narkolepsie verschwunden.

Erholung für Sportler

Wenn wir uns einmal so richtig verausgabt haben, brauchen wir auch mehr Schlaf. Zumindest glauben wir das. Bei Pferden konnte das so nicht bewiesen werden. „Wir haben mehrere Pferde, die gut trainiert waren, an einem Tag stark belastet und danach deren Schlaf gemessen. Das haben wir auch an den Folgetagen getan, an denen die Pferde nicht so stark belastet wurden“, beschreibt Wöhr. „In den Ergebnissen konnten wir keinen Unterschied feststellen.“

Und die Wildpferde?

Dr. Wöhr beobachtete eine Przewalski-Junghengstherde in freier Wildbahn und sagt: „Obwohl Wildpferde ihren Tagesrhythmus nicht vom Menschen vorgegeben bekommen, konnten wir weder bei den Schlafzeiten noch bei den Schlafpositionen große Unterschiede zu unseren Hauspferden beobachten.“ Einzig der Ranghöchste und der Rangniedrigste bekommen weniger Schlaf, als der Rest der Herde. Ersterer, weil er seine Herde beschützen und bewachen muss, letzterer, weil er häufig von den Schlafplätzen verdrängt wird.

Babypause

Fohlen brauchen mehr Schlaf als erwachsene Pferde. Rund zehn Stunden eines 24 Stunden-Tages verbringen die Kleinsten mit Schlafen. Immer im Schutze der Mutter und hauptsächlich in Seitenlage. Das enorme Schlafbedürfnis nimmt schon im Alter von drei Monaten ab, dann liegen sie auch nicht mehr ganz so viel. Warum erwachsene Pferde eher selten liegen, ist noch nicht ausreichend erforscht. „Es könnte sein, dass aufgrund des großen Gewichts im Liegen der Druck auf die Lunge zu groß wird“, vermutet Dr. Wöhr. „Bewiesen ist das aber nicht.“

Im Land der Träume

„Ich denke, dass Pferde durchaus träumen können“, ist Dr. Wöhr überzeugt. „Pferde zeigten bei unseren Messungen im REM-Schlaf die gleichen Hirnströme wie Menschen. Wir konnten Laufbewegungen im Schlaf beobachten, die beim Menschen der Traumphase zugeordnet werden. Im REM-Schlaf verarbeiten sowohl Menschen als auch Pferde die Erlebnisse des Tages. Wir nennen das nondeklarative Gedächtnisbildung, also Lernen, das keine bewusste Gedächtnisleistung fordert“, erklärt die Expertin. „Der REM-Schlaf muss eine sehr wichtige Bedeutung für das Pferd haben, sonst hätte die Natur ihn längst abgeschafft. Ein Pferd als Fluchttier ist im Liegen ja auch deutlich angreifbarer.“ Wer weiß, vielleicht träumt Ihr Pferd ja von der ersten Piaffe.