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Was tun bei Heuknappheit?

„Ich habe den Verdacht, dass Heu gebunkert wird“

Der Extremsommer 2018 hat seine Spuren hinterlassen. Heu ist zur heißen Ware geworden. Wer mit seinem Heu nicht durch den Winter kommt, braucht Alternativen. Sind gehäckseltes Stroh-Heu-Gemisch, „Heu aus der Tüte“ oder Maissilage Alternativen? Mikrobiologin und Tierärztin Dr. Dorothe Meyer aus Hohenpeißenberg bewertet die Möglichkeiten.

Um gesund zu bleiben, brauchen Pferde genügend Heu.

Reiter Revue: Ist Maissilage geeignetes Pferdefutter?

Dr. Dorothe Meyer: Maisstärke ist deutlich schlechter im Dünndarm des Pferdes abbaubar als zum Beispiel die Haferstärke. Vermehrter Stärke-, wie auch Milchsäureanflutung [Anm. d. Red.: Silage wird durch Milchsäuregärung konserviert] kann zu Störungen der Magenverdauung führen. Ich würde aus Gründen der Verdauungsphysiologie des Magens, wie auch des Dünndarms eher davon abraten. Da die Trockenheit aber alle Pflanzen betroffen hat, ist anzunehmen, dass es auch deutlich weniger Maissilage gibt. Zudem ist aufgrund der schnellen Nachgärung an den Schnittflächen des Silos, die Fütterung von Maissilage nur in Betrieben möglich, die auch Rinder halten.

Kann Stroh das Heu ersetzen?

Stroh gilt auch als Raufutter, ist aber nicht mit Heu gleichzusetzen. Es ist bedingt geeignet, das Heu etwas zu strecken, ist jedoch kein alleiniges Raufutter. Zu viel Stroh in der Fütterung kann nämlich Verstopfungskoliken zur Folge haben. Auch Magengeschwüre sind häufiger, wenn ein Pferd hauptsächlich Stroh als Raufutter bekommt. Außerdem hat Stroh viel weniger Energie als Heu. Das Pferd braucht dann also auch mehr Kraftfutter. Zu viel stärkehaltiges Kraftfutter kann jedoch Magengeschwüre verursachen. Mehr als ein Drittel der Raufutterration kann Stroh nicht ersetzen.

Sind Strukturmischungen, Heucobs oder ein gehäckseltes Heu-Stroh-Gemisch Alternativen?

Um das Kaubedürfnis des Pferdes zu befriedigen und die Darmtätigkeit in Gang zu halten, braucht es generell lange Fasern [Anm. d. Red.: Strukturmischungen und Heucobs sind generell kurzfasrig, da gehäckselt]. Heucobs können höchstens ein Drittel der gesamten Heuration ersetzen. Auch Luzerne- und Esparsettecobs oder unmelassierte Rübenschnitzel können keine kompletten Heurationen ersetzen. Bei Luzerne sind außerdem der hohe Eiweiß- und Calciumgehalt eine Einschränkung. Dabei kommt es zu vermehrter Ammoniakbildung mit pH-Wert-Änderung im Dickdarm und das Calcium-Phosphor-Verhältnis der Ration stimmt nicht mehr. Zu viel Calcium begünstigt Steinbildung [Anm. d. Red.: zum Beispiel Nieren- und Blasensteine].

Was raten Sie dem Pferdehalter, der einfach zu wenig Heu hat?

Heute lautet die Empfehlung der Wissenschaft, mindestens 1,7 Prozent der Körpermasse an Heu zu füttern und entsprechend weniger Krippenfutter. Man kann sich umsehen, ob man ein paar Bündel Heu bei einem Bauern kaufen kann. Oder man schließt sich einem Pensionsbetrieb an, wenn dort eingekauft wird. Ich habe den Verdacht, dass Heu derzeit „gebunkert“ wird, also nicht verkauft wird, weil man auf steigende Preise hofft. Aber in der Regel ist es so, wer seinem Heulieferanten über Jahre treu ist, der bekommt auch in diesem Jahr sein Heu – und das meist sogar zum üblichen Preis.

Hintergrund: Pferde brauchen täglich ausreichend rohfaserreiches Raufutter, um gesund zu bleiben. Die Faustformel lautet mindestens 1 kg, bestenfalls jedoch 1,8 kg Heu pro 100 kg Lebendmasse und Tag. Ein 600 Kilogramm schweres Pferd braucht also täglich um die zehn Kilogramm Heu. Das hält nicht nur die Verdauung des Pferdes auf Trab. Auch die Zähne, die sich kontinuierlich aus den Zahnfächern Stück für Stück vorschieben, also ständig wachsen, bleiben durch den natürlichen Abrieb beim Kauen langer Fasern im gesunden Maß. Bekommt ein Pferd zu wenig Heu, drohen Magengeschwüre. Denn der Pferdemagen produziert pausenlos Magensäure, die nur der Pferdespeichel neutralisieren kann. Und Speichel fließt ausschließlich beim Kauen. Darüber hinaus dient die tägliche Heuration dem Pferd als Beschäftigung.