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Wie fest soll der Sattelgurt angezogen werden?

Nachgurten gehört zum Reiten dazu. Doch wie stramm darf man den Sattelgurt eigentlich anziehen? Was zeichnet einen guten Sattelgurt aus? Und warum hilft es, den eigenen Gürtel mal ein Loch enger zu schnallen?

Wie fest darf der Sattelgurt angezogen werden?

Die Hose darf nicht rutschen. Wenn Sie Ihren Gürtel festziehen, schauen Sie in der Regel, dass die Hose nicht der Schwerkraft zum Opfer fällt. Gleichzeitig soll sich der Gürtel noch bequem um die Hüfte schmiegen. Diesen Vergleich findet Dr. Kathrin Kienapfel, Biologin und Expertin für Pferdewohl, besonders einprägsam, wenn man das richtige Maß beim Angurten eines Sattels beschreibt. „Ich würde den Sattelgurt immer nur so fest wie einen Gürtel schnallen“, empfiehlt die Forscherin.

Sie stellte in einer Studie fest, wie die Kräfte beim Anziehen von Nasenriemen wirken und hat dabei Parallelen zum Sattelgurt gezogen. „Beim Sattelgurt verhält es sich kräftemäßig wie beim Nasenriemen. Eine ovale Fläche wird verschlossen. Dabei verteilt sich der Druck beim Sattelgurt hauptsächlich über das Brustbein, den Trapezmuskel und den langen Rückenmuskel“, so Kienapfel. Wird zu eng gegurtet, ist das Pferd im Gang gehemmt, bekommt Sattelzwang, beißt oder tritt im schlimmsten Fall.

Wie stramm ist zu stramm?

In den Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung ist vermerkt, dass der Gurt eine Handbreit hinter den Ellenbogenhöckern liegen sollte. Sattler Boris Ravenschlag aus Schwerte weist darauf hin, dass der Gurt zunächst glatt, unverdreht liegen und vor allem den Ellenbogenbereich dringend frei lassen sollte, ohne Muskeln und Haut zu quetschen. Und wann ist der Gurt zu fest gezogen? „Wenn die Brustmuskeln, die sich rechts und links vom Brustbein befinden, aufgrund des angezogenen Sattelgurtes verspannt sind. Dann ist der Gurt zu fest, und dies hat eine direkte Auswirkung auf die Extremitäten und den Rücken“, so der Experte. Das Pferd kann nicht entspannt laufen. Ein gewisser phsysikalischer Druck beim Gurten lässt sich nicht verhindern, aber die Hebelwirkung bein Anzug der Strupfen sollte sich der Reiter stets vor Augen führen. Nicht umsonst lässt es sich vom Boden oft besser nachgurten, weil man seine ganze Kraft aufwenden und sich zusätzlich mit den Füßen gegen den Boden stemmen kann.

Je breiter desto besser?

Die punktuelle Druckbelastung ist beim Kurzgurt deutlich stärker als beim Langgurt, vermuten die Experten. Schon beim Satteln sollte deshalb geprüft werden, wie fest der Gurt anliegt, meint Kienapfel. „Dafür sollte eine Hand bequem von der Seite zwischen Pferdebauch und Sattelgurt passen. Eigentlich müsste am Brustbein geprüft werden, denn dort wirken die größten Kräfte. Aber in diesem Bereich kann das Pferd nach vorne treten“, so Kienapfel. Ein weiteres Augenmerk sollte beim Gurten auf besondere Körpersignale des Pferdes gerichtet werden. „Ein Stöhnen oder plötzliches Hochschnellen des Kopfes kann nicht nur ein Zeichen für einen zu festen Gurt, sondern tendenziell auch für einen unpassenden Sattel sein“, ist sich Kienapfel sicher.

Auch ein Blick auf die Schabracke sollte folgen, mahnt Sattler Boris Ravenschlag: „Jede Kantenbildung zwischen Gurt und Schabracke, die Druck auslöst, ist zu vermeiden. Deshalb sollten die Schnallen bei einem angegurteten Kurzgurt immer unterhalb der Schabracke liegen. Im Idealfall befinden sich die Schnallen unterhalb der Schabrackenkante im Abstand von vier bis zehn Zentimetern.“

Hat die Breite des Gurts auch Einfluss auf die Krafteinwirkung? Kienapfel weist daraufhin, dass der Druck deutlich größer ist, je schmaler der Gurt ausfällt. „Leider kann ich mir als Reiter keinen extrem breiten Gurt an den Sattel schnallen. Das klappt allein von der Anatomie her schon nicht“, sagt Kienapfel. Sie empfielt Gurte, die in der Bauchpartie breiter sind. Auch Boris Ravenschlag hat mit solchen Modellen in der Praxis gute Erfahrungen gesammelt.

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Bei empfindlichen Pferden können auch Sattelgurtschoner für Druckausgleich sorgen. Neopren-Schoner verteilen den Druck ein klein bisschen weniger als Lammfell-Schoner. Letztere werden vom Pferd oft als sehr angenehm empfunden, meint Ravenschlag: „Lammfell ist ein hochwertiges Naturprodukt, dass durch seine Lufteinschlüsse zwischen den Fasern generell gut Druck ausgleichen kann.“ Tendenziell raten beide Experten vor allem zu langen Sattelgurt-Modellen. „Je länger die Auflagefläche ist, desto angenehmer wird es für das Pferd beim Gurten, und der Ellenbogen bleibt frei. Die Kompression der Rücken–Bauchlinie, also der Druck, wird deutlich angenehmer“, erklärt Ravenschlag und Kienapfel ergänzt: „Die Kräfteverteilung ist so ideal. Noch besser ist es, wenn die Schnallen unter dem Sattelblatt liegen, dann kann auch nichts drücken.“

Vorsicht bei Elastikeinsätzen

Ebenso positiv fürs Pferd und die Auswirkung auf die physikalischen Kräfte ist ein Gurt aus starkem, nicht nachgebenden Material. „Wähle ich einen Gurt mit Elastik-Einsatz wird es schwer, dass der Sattelgurt symmetrisch unter dem Bauch liegen kann. Außerdem neigt der Reiter dann dazu, den Gurt viel zu fest zu ziehen“, so die Wissenschaftlerin. Ravenschlag mahnt: „Die Gummieinsätze sind sehr unterschiedlich. Manche Elastik-Materialien geben nur zwei, andere bis zu acht Zentimeter nach.“

Wann nachgurten?

Nach dem Satteln sollte der Reiter sein Pferd führen und anschließend zur Rückenschonung des Vierbeiners immer mit Hilfe einer Aufsteighilfe aufsitzen. „Der Gurt muss noch nicht fest liegen. Erst nach ein oder zwei Schrittrunden sollte ich nachgurten“, so Kienapfel. „Dabei ist es entscheidend abwechselnd von links und rechts zu gurten, damit der Sattelgurt wirklich von beiden Seiten gleich stark in seiner Lage gehalten wird.“ Gerade bei Mondgurten, anatomisch geformten Modellen, oder Stollengurten ist dies wichtig, damit der Gurt mit der breiten Fläche unter dem Bauch aufliegt. Noch ein Tipp der Wissenschaftlerin: „Versuchen Sie immer einhändig vom Sattel aus nachzugurten. So vermeiden Sie den Gurt mit zu viel Kraft anzuziehen.“ Ravenschlag gibt zu bedenken, dass man den Gurt auch jederzeit etwas weiter stellen kann: „Das Gefühl und die Beboachtung des Pferdes sollte jedwede Druckmessung ersetzen können.“ Letztendlich verhält es sich mit dem Angurten des Sattels wie mit dem Hosengürtel nach einem guten Mittagessen. Ein Loch weiter macht es dem Bauch direkt viel angenehmer.

Darauf sollten Sie beim Kauf achten:
Breite : Sie hat Auswirkung auf die Druckverteilung. Je breiter der Gurt, desto besser verteilen sich die Kräfte am Bauch des Pferdes.
Festigkeit: Je fester das Material, desto besser die Druckverteilung.
Form: Es gibt gerade, mondförmige oder „anatomische“ Gurte. Die Form kann dafür sorgen, dass der Sattel besser auf dem Rücken liegt.
Langgurt/Kurzgurt: Auswahl in Abhängigkeit von der Länge der Gurtstrupfen des Sattels wählen. Achtung: Langgurte verteilen den Druck meist besser.

Der Artikel ist erstmals in der November-Ausgabe 2015 veröffentlicht worden.