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Frag den Profi

#fragdenprofi: Folge 1 mit Julia Mestern

Immer wieder freitags beantworten Experten rund um den Reitsport unter dem #fragdenprofi die Fragen unserer Follower auf Instagram. Pferdewirtschaftsmeisterin Julia Mestern widmete sich für uns spannenden Fragen rund um das Vielseitigkeitsreiten, die korrekte Hilfengebung und die altersgerechte Ausbildung des Pferdes. Die besten Fragen und Antworten haben wir hier für Sie zusammengestellt.

Julia Mestern beim Training. Die Pferdewirtschaftsmeisterin bildet ihre Pferde möglichst vielfältig aus. Dazu gehört auch die Dressur im Gelände.

Wie reite ich eine ganze Parade korrekt?

Julia Mestern: „Eine ganze Parade führt immer zum Halten. Sie wird über viele halbe Paraden eingeleitet. Das bedeutet, dass mein Pferd die halben Paraden gut annehmen muss, ehe ich eine ganze Parade üben kann. Es soll durchlässig sein.

Daher möchte ich erst noch einmal auf die halbe Parade eingehen: Die reite ich, indem ich mein Kreuz vermehrt anspanne und meinen Schenkel an den Bauch des Pferdes anlege. Mein Gesäß kommt tiefer in den Sattel und so bringe ich das Hinterbein meines Pferdes vermehrt unter den Schwerpunkt. Der Rücken des Pferdes kommt mir dann entgegen und ich bekomme ein wenig mehr Druck in meine Hand, diesen fange ich mit den Fingern ab, muss aber sofort auch nachgeben, so dass ich nicht fest in der Hand werde. Das Pferd wird dadurch aufmerksamer, das Hinterbein nimmt mehr Last auf und ich kann mich zudem eines kleinen Tricks bedienen, ehe ich die ganze Parade gebe: Ich atme tief ein und bei der ganzen Parade atme ich ganz tief aus. Dann entspannt sich mein Pferd und pariert zum Halten durch. Damit es sich von hinten nach vorne schließt, muss ich mein Bein gut am Pferd haben.

Beim jungen Pferd ist es anfangs für mich nicht so entscheidend, dass es schon geschlossen steht. Vielmehr geht es darum, dass es die Parade durchlässt und stehen bleibt. Es geht sozusagen vom Groben zum Feinen. Daher übe ich mit jungen Pferden das Halten zunächst an der Bande. So hat es auf der einen Seite eine Anlehnung. Außerdem kann es sinnvoll sein, über den Schritt durchzuparieren, denn so hat der Reiter mehr Zeit zu fühlen, welches Bein noch weiter herantreten muss. Auf der Seite treibt er dann vermehrt und gibt zudem einen kleinen Impuls mit dem Zügel."

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Wie bekomme ich wieder Vertrauen zu meinem Pferd?

„Wenn einem etwas Schlimmes mit dem Pferd passiert ist, muss man sich als Erstes fragen, warum es geschehen ist. Und was macht einem genau zu schaffen? Wo liegt das Problem? Wenn man das ausgemacht hat, kann man daran arbeiten. Oftmals kann nur ein Profi, der Spaß daran hat, Pferd und Reiter wieder zueinander zu bringen, wirklich helfen. Es ist wichtig, das Problem anzugehen. Der größte Fehler ist, das Problem zu ignorieren. Meist verstärkt es sich dann nur."

Was tue ich, wenn ich Angst habe?

„Angst ist eine Eigenschaft, die wir alle haben. Sie schützt uns, sie macht uns vorsichtig, lässt uns aufmerksam werden und der ganze Körper ist in dem Moment etwas fester. Die Losgelassenheit des Reiters geht durch die Angst oft verloren und das merkt auch das Pferd. Die Angst überträgt sich auf das Pferd und da dieses mit uns mitarbeitet, verspannt es sich ebenfalls. Daher ist Angst im Reitsport fehl am Platz, vielmehr geht es um Respekt vor den gestellten Aufgaben.

Wer Angst hat, sollte sich überlegen, wovor er genau Angst hat. Die Höhe des Hindernisses? Die Geschwindigkeit? Einen möglichen Sturz? Wenn man das weiß, kann man die Aufgabe anpassen. Zum Beispiel so oft über ein Cavaletti springen, bis man sich absolut sicher ist. Erst dann kommt der nächste Schritt. Niemand springt von einer hohen Skischanze, ohne sich ganz sicher zu sein und so sollte man es auch im Reitsport handhaben. Wichtig ist, dass man zu seiner Angst steht und sich nicht verunsichern lässt. Angst ist menschlich und gehört dazu. Wer darüber lacht, hat keine Ahnung."

Mein fünfjähriges Pferd ist erst seit kurzem unter dem Sattel, wird konstant geritten, will aber nicht auf dem zweiten Hufschlag bleiben. Was kann ich tun?

„Das Pferd kämpft mit der natürlichen Schiefe, vorausgesetzt, es ist gesund und die Ausrüstung passt. Es kann sich auf dem zweiten Hufschlag noch nicht ausbalancieren und ist noch nicht dazu bereit, an der Geraderichtung zu arbeiten. Takt, Losgelassenheit und Anlehnung müssen sicher gegeben sein, ehe man den nächsten Schritt gehen kann, daher würde ich dazu raten, erst einmal weiter auf dem ersten Hufschlag zu reiten. Wenn es da ganz sicher ist, kann man weiter daran arbeiten, es auch mal auf dem zweiten Hufschlag zu reiten."

Wie bereite ich mein vierjähriges Pferd auf einen Turnierstart vor?

„Bei meinen Vielseitigkeitspferden steht ein Turnierstart in diesem Alter noch gar nicht im Fokus. Sie können mal mit, um die Atmosphäre kennenzulernen, aber ich konzentriere mich nicht darauf. Vielmehr geht es um die ersten drei Punkte der Skala der Ausbildung: Takt, Losgelassenheit und Anlehnung. Da lege ich immensen Wert drauf, da sie die Basis für alles weitere bilden.

Generell sieht mein Training in etwa so aus:

Meine Jungpferde haben einen Tag pro Woche frei, gehen einmal die Woche Freispringen mit sehr unterschiedlichen Aufbauten und an der Longe arbeite ich einen Tag mit ihnen, auch mit Trabstangen oder im Gelände, um sie an unterschiedliche Aufgaben zu gewöhnen. An den anderen Tagen reite ich meine Pferde, aber auch das durchaus auf unterschiedlichen Plätzen und im Gelände, um sie möglichst vielfältig zu schulen. Auch die unterschiedlichen Bodenverhältnisse sind für die jungen Vielseitigkeitspferde wichtig, um Sehnen und Bänder bestmöglich auf verschiedene Belastungen vorzubereiten."