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Die besten Tipps für das mühelose Aufsteigen

Stressfrei aufsitzen

Kaum ist der Fuß im Bügel, legt das Pferd den Vorwärtsgang ein – was der Reiter prompt mit beherztem Zügelzug quittiert. Unschön fürs Pferd – und vor allem unnötig. Denn entspannt aufs Pferd zu kommen, ist gar nicht so schwer.

Eine Aufstiegshilfe macht es dem Reiter leichter in den Sattel zu kommen und schont gleichzeitig den Pferderücken.

„Steh! Jetzt steh‘ doch endlich. Kannst du nicht einfach stehenbleiben?! Bleibst du ...!“ Ein Monolog aus dem Alltag eines Reiters, dessen Pferd nichts davon hält, ruhig zu warten, bis er im Sattel Platz genommen und die Zügel sortiert hat. Doch der Stress beim Aufsteigen ist unnötig. Denn entspannt aufs Pferd zu kommen, ist schlicht und einfach eine Frage der Erziehung.

Die Technik des richtigen Aufsitzens

Die meisten Reiter steigen von links auf ihr Pferd, schließlich hat man es so in der ersten Reitstunde gelernt. Aber warum ist das eigentlich so? Thies Kaspareit, Leiter der Abteilung Ausbildung und Wissenschaft der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), kennt die Geschichte dahinter: „Zunächst einmal spricht man korrekterweise vom Aufsitzen und nicht vom Aufsteigen. Das Aufsitzen von links kommt noch aus der Militärzeit“, erklärt er. „Die Soldaten trugen ihren Säbel auf der linken Seite. Beim Aufsitzen von links konnten sie ihn bequem über den Pferderücken schwingen. Der Einheitlichkeit halber wurde die linke Seite zum Aufsitzen festgelegt.“ Es ist, wie man heute weiß, durchaus sinnvoll im Wechsel – mal von links, mal von rechts – aufzusteigen. Der Reiter bleibt flexibel und eignet sich keine einseitigen Automatismen an. Beim Pferd steigert es das Vertrauen zum Menschen, wenn es diesen mit beiden Augen, also regelmäßig auch mit dem rechten, wahrnimmt.

Um auf den Pferderücken zu kommen, stellt sich der Reiter dann mit dem Rücken zum Pferdekopf, um von vorne in den Bügel zu treten. Denn viele glauben, es sei falsch von hinten in den Bügel zu treten und sich dabei parallel zum Pferd hinzustellen. „Das stimmt nicht ganz“, korrigiert Thies Kaspareit. „Wenn ein Reiter ohne Aufsitzhilfe auf sein Pferd kommen möchte, stellt er sich mit dem Rücken zum Pferdekopf, um mit einer halben Drehung mehr Schwung zu bekommen.“ Bei kleineren Pferden oder einer hohen Aufsitzhilfe könne der Reiter durchaus auch mit Blickrichtung zum Pferdekopf von hinten in den Bügel treten, so Kaspareit weiter.

Aufstieghilfe: Dem Pferd zuliebe

Mittlerweile hat die Aufstieghilfe in den meisten Ställen Einzug gehalten. Und ihre Nutzer werden nicht mehr für ungelenkig oder gar gebrechlich gehalten. Eine Aufstieghilfe macht es dem Reiter leichter, in den Sattel zu kommen und schont gleichzeitig den Pferderücken. Ohne Aufstieghilfe sollte ein Helfer im Moment des Aufsitzens „gegenhalten“ – den gegenüberliegenden Steigbügel also mit der Hand herunterdrücken und ihn so mit Gewicht belasten. Das verhindert, dass der Sattel beim Aufsteigen zu stark verrutscht.

Sabrina Hüntelmann, Physiotherapeutin für Mensch und Pferd, bestätigt den Schoneffekt der Aufstieghilfe: „Steigt der Reiter vom Boden aus auf, wirken große Hebelkräfte an der Wirbelsäule des Pferdes. Je größer das Pferd und je schwerer der Reiter, desto höher ist die Belastung.“ Verspannungen und Blockaden beim Pferd seien oft die Folge. „Außerdem ist es besser, mit Blickrichtung zum Pferd aufzusteigen“, findet Sabrina Hüntelmann. „Man steht dann näher am Pferd und kann die Hebelkräfte, die sonst bei der Drehung enstehen, reduzieren.“

Auch Sattlermeister Heiner Eck ist pro Aufstieghilfe: „Schwingt der Reiter sich dauerhaft vom Boden aus in den Sattel, kann sich der Sattelbaum verziehen.“ Der Baum dreht sich dabei um bis zu einen halben Zentimeter um die eigene Achse. „Steigt der Reiter immer von der gleichen Seite auf, sollte er alle paar Monate die Steigbügelriemen tauschen“, empfiehlt Eck. „Leder dehnt sich bei Belastung, der eine Riemen wird auf Dauer länger und der Reiter sitzt nicht mehr im Gleichgewicht.“

Man hat schon so einiges gesehen. Manche Reiter steigen in der Bahnmitte auf, um niemanden zu stören. Andere an der Bande, damit ihr Pferd sich nicht beim Aufsteigen wegdreht, wieder andere bevorzugen die Stallgasse als Ort zum Aufsitzen. Doch wo ist nun der beste Ort, um sich in den Sattel zu schwingen? „Aus Sicherheitsgründen und auch um andere Reiter nicht zu stören, sollte der Reiter sein Pferd zum Aufsitzen gerade auf die Mittellinie oder in die Zirkelmitte stellen“, so Kaspareit. „Der Pferdekopf zeigt zur langen Seite. So können Spannungen – die oft bei jungen Pferden entstehen – direkt durch zügiges Losreiten gelöst werden, ohne mit der Bande in Konflikt zu geraten.“

Kaspareit rät davon ab, bereits auf der Stallgasse aufzusitzen und in die Bahn oder nach draußen zu reiten: „Der Sattelgurt wird auf der Stallgasse nur sehr locker geschlossen“, erklärt er. „In der Bahn wird das erste Mal nachgegurtet. Nach einer Runde im Schritt an der Hand ein zweites Mal. Erst dann kann der Reiter aufsitzen, ohne dass der Sattel dabei zur Seite rutscht.“

Mit einer selbst gebauten Aufstieghilfe geht es auch. Bierkisten können eine Idee sein.

Was tun beim Zappelphilipp?

Doch nicht allein die richtige Technik entscheidet über ein gelungenes Aufsitzen. Auch das Pferd muss mitspielen. Rennt es los, sobald der Reiter nur den Fuß in Richtung Steigbügel bewegt, muss am Grundgehorsam gearbeitet werden. „Die Erziehung beginnt bereits auf der Stallgasse“, weiß Thies Kaspareit. „Das Pferd muss lernen, geduldig abzuwarten. Das gilt besonders für die Situation des Aufsitzens, die sonst schnell gefährlich werden kann.“ Hier seien laut Kaspareit Ruhe und Konsequenz sowie zu Anfang eine Hilfsperson gefragt.

Dressurreiterin und Jungpferde-Ausbilderin Jana Freund hat schon so manchem Zappelphilipp das Stehen beigebracht. Rund 30 Pferde und Ponys reitet sie jedes Jahr an. Und dazu gehört eben auch die gute Kinderstube. „Die Erziehung fängt am ersten Tag an“, erklärt Jana Freund. „Schon beim Putzen muss ich konsequent sein. Das Pferd soll ruhig stehenbleiben. Ich muss es überall anfassen dürfen.“ Freund bindet die jungen Pferde dabei nicht an, sondern hält den Strick in der Hand. Jedes Mal, wenn ein Pferd losmarschieren möchte, bremst sie es: „Ich gebe ein kurzes Stimmsignal, beispielsweise ein ‚Hey‘ und drücke es an der Brust wieder einen Schritt zurück. Irgendwann genügt das Stimmsignal und die Pferde wissen Bescheid. Ich muss schnell reagieren, sonst versteht das Pferd nicht, was ich von ihm möchte.“

Außerdem wichtig: Ruhe bewahren. „Sonst wird das Pferd ängstlich und möchte erst recht weglaufen“, so die Ausbilderin. Bei Hengsten hat sie einen Trick: „Wenn ich in die Kuhle zwischen Schulter und Halsansatz drücke, löst das bei Hengsten den Reflex zum Rückwärtsgehen aus. Warum das so ist, weiß ich allerdings auch nicht.“ An dieser Stelle reiche schon sehr wenig Druck aus, so Freund. Steigt sie das erste Mal auf ein junges Pferd, lässt sie es von einer Hilfsperson festhalten. „Die Person, die das Pferd hält, kann es dann – genau wie ich vorher auf der Stallgasse oder bei der Arbeit an der Hand – bremsen, sobald es loslaufen möchte“, erklärt Jana Freund. Dann sei das Aufsteigen an sich keine große Sache mehr. „Das Pferd hat Vertrauen zu mir und weiß, dass nichts Schlimmes passiert. Ich bleibe immer ruhig und entspannt. Dann bleibt auch das Pferd in der Regel brav stehen“, so die Dressurreiterin.

Vorwärts oder rückwärts?

Bei sehr nervösen Pferden rät Freund vom Rückwärtsgang ab: „Drücke ich ein nervöses Pferd rückwärts, nachdem es versucht hat beim Aufsteigen loszulaufen, kann das Spannungen aufbauen. Der Drang loszulaufen wird dann noch größer.“ Besser sei es, ein solches Pferd in einer Volte oder auf kleinem Zirkel kurz zu führen. „Dann stelle ich es wieder in die Ausgangsposition und versuche es erneut. Geht es gar nicht, muss noch einmal jemand zu mir in die Bahn kommen und festhalten“, erklärt die Ausbilderin.

Ist niemand da, der festhalten kann, bleibt dem Reiter noch, sein Pferd mit dem Kopf in Richtung Bande zu stellen. Der Abstand zur Bande darf dabei nicht zu klein sein, sonst fühlt das Pferd sich eingeengt und möchte fliehen. „Die Bande dient lediglich als optische Begrenzung“, erklärt Jana Freund. „Ich muss allerdings aufpassen, dass mein Pferd dann nicht in die falsche Richtung läuft.“ Nur an den Zügeln zu ziehen, sobald das Pferd sich in Bewegung setze, sei falsch. „Dann verbindet es mit dem Aufsteigen immer etwas Schlechtes“, warnt Freund. „Besser, ich breche das Aufsitzen ab, korrigiere den Fehler in Ruhe und versuche es einfach noch einmal. Irgendwann begreift jedes Pferd, wie es sich zu benehmen hat.“

Eine Frage der Erziehung

Manchmal ist das Loslaufen beim Aufsteigen auch einfach das Resultat mangelnden Gehorsams des Pferdes. „Gerade bei den Ponys, die hier hauptsächlich von Kindern geritten werden, schleicht sich diese Marotte schnell ein“, berichtet Jana Freund. „Dann ist es an der Zeit, dass man wieder konsequent am Gehorsam des Pferdes arbeitet.“ Oft reichen schon wenige Korrekturen aus und das Pferd wisse wieder, was ihm einmal beigebracht wurde.