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Interview​

Karsten Lütteken: „In einer idealen Welt muss der Reitsport viel breiter aufgestellt sein“​

Profi-Sport auf höchstem Niveau ist die Nische, auf die Karsten Lütteken als Geschäftsführer von Riesenbeck International setzt. Wie blickt er auf die Entwicklung des Turnierlandschaft in Deutschland?

Karsten Lütteken, Geschäftsführer von Riesenbeck International

Profi-Sport auf höchstem Niveau ist die Nische, auf die Karsten Lütteken als Geschäftsführer von Riesenbeck International setzt. Wie blickt er auf die Entwicklung des Turnierlandschaft in Deutschland?

Karsten, im vergangenen Jahr habt ihr als Gastgeber der Dressur- und Para-Dressur-Europameisterschaften begeistert. Dazu hattet ihr erstmals die Global Champions Tour zu Gast und auch das war ein voller Erfolg – wo sind die Grenzen?

Wenn man ein Fünf-Sterne-Turnier und ein Championat macht, ist man sicherlich an der oberen Grenze angekommen. Wir haben in jedem Jahr aber auch zehn bis zwölf internationale Turniere auf Zwei-Sterne-Niveau, 25 nationale Turniertage – meist als Late-Entry – und dazu jedes Jahr ein bis zwei Highlight-Veranstaltungen. In diesem Jahrwerden es die Global Tour im Juli und Deutschen Jugendmeisterschaften im September sein.

Wo siehst du die größten Herausforderungen als Turnierveranstalter?

Es ist unwahrscheinlich aufwendig, wenn man Dinge auf gutem Niveau umsetzen möchte. Aufwand bedeutet unter anderem Manpower und Einsatz von guter Technik. Am Ende spiegelt sich Aufwand dann auch in Kosten wider. Wahnsinnig lukrativ ist es jedenfalls nicht, Reitturniere zu veranstalten.

Der Turnierstandort Deutschland erlebt aktuell nicht die besten Zeiten. Woran das liegt, wie die Deutsche Reiterliche Vereinigung damit umgeht und wie erfahrene Veranstalter die Lage einschätzen, lesen Sie in unserer Mai-Ausgabe, die Sie hier versandkostenfrei als Print-Ausgabe oder als ePaper bestellen können.

Was ist eure Motivation?

Wir sehen es unter zwei weiteren Gesichtspunkten: Wir sind mit den Beerbaum Stables ein großer Player im Sport auf der Seite der Reiter und da spielt der Pferdehandel eine wichtige Rolle, das muss man nicht verschweigen. Denn ohne den Handel könnten wir uns den Sport gar nicht leisten. Das wissend, nutzen wir die Plattform der Veranstaltungen natürlich auch selbst. Gleichzeitig hat es auch etwas mit „Etwas-zurückgeben“ zu tun. Wir sind ein Teil des Systems und wissen, dass es gut organisierte Turniere geben muss. Wenn wir Sport auf diesem hohen Niveau betreiben, dann sind wir auch in der Verantwortung, dieses System des Turniersports zu stützen.

Sponsoren zu gewinnen ist eines der Kernprobleme von Turnierveranstaltern: Wie gewinnt und pflegt ihr Sponsoren?

Da gibt es nicht die eine goldene Formel: Wir holen die Sponsoren da ab, wo sie sind und versuchen zu erfahren, was für sie wichtig ist. Unsere Philosophie ist, grundsätzlich mit einem großen Servicegedanken und mit Offenheit und Respekt den Partnern entgegenzutreten. Ob man dann zusammenkommt oder -bleibt, ist dann nochmal was anderes. Am Ende kann ich aber keine langfristige professionelle Partnerschaft nur auf einer Freundschaft aufbauen. In der Regel haben alle Sponsoren auch ein Interesse, das sich in Zahlen und Werten messen lässt. Das ist vielleicht der größte Unterschied zu ländlichen Turnieren, die das einmal im Jahr ehrenamtlich machen.

Wie blickst du auf die Turnierlandschaft Deutschland? Es gibt viele besorgte Blicke darauf.

Die Sorge teile ich. Ich fände es sehr schade, wenn die Struktur und Kultur der ländlichen Turniere in Deutschland noch weiter abnehmen würde. Ich kann mir das aber natürlich auch nur wünschen und nicht bestimmen. Aus meiner Perspektive sehe ich allerdings auch, dass wenn eine Professionalisierung im Sport einmal eingesetzt hat, es immer schwierig ist, das Rad zurückzudrehen. Und dann ist in vielen Dingen, das Bessere der Feind des Guten.

Die Grundidee des Vereins ist doch: jeder gibt ein bisschen was rein. Damit baue ich eine relativ kostengünstige Infrastruktur auf, um unseren Sport ausleben zu können. Dieses Konzept des Ehrenamts in einem Verein geht leider immer weniger auf, in der Gesellschaft ist dieser Grundgedanke nicht mehr weit verbreitet. Und so wird es schwierig. Dann bleiben im schlimmsten Fall nur noch die übrig, die sagen können, ich fahre dahin, wo ich mir diesen Service kaufen kann. Das ist vergleichbar, ob ich den Fitnesskurs günstig beim Übungsleiter im Verein mache oder mir einen Personal Trainer oder die Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio leiste. Ab einem bestimmten Punkt tauschen Sportler Ehrenamt durch Professionalisierung aus. Das ist eine Entwicklung, die man nicht nur – aber auch – im Pferdesport beobachten kann.

Genau darauf setzt ihr.

Die Professionalisierung ist unsere Nische im Reitsport. Aber in einer idealen Welt muss der Reitsport viel, viel breiter aufgestellt sein – und zum Glück ist er das ja auch. Wenn es ein Bestreben gibt, einen relativ günstigen Sport mit einer geringen Einstiegsschwelle zu behalten, funktioniert das nur, wenn eine Gemeinschaft das mitträgt und Arbeit reinsteckt. Dann ist es auch wertvoll, den Parcoursdienst zu machen, hinter der Kuchentheke zu stehen oder irgendwo die Pferdeäpfel einzusammeln. Denn das ist Turnier! Und wenn das gut funktioniert, hat auch ein ländliches Turnier eine Qualität, bei der die Leute sagen, da gehen wir gerne hin.

Wir haben auch Leute angestellt, damit sie die Stangen hochlegen, die Pferdeäpfel einsammeln oder sich um den Parkplatz kümmern. Weil wir hier auf einer professionellen Ebene unterwegs sind, wird das allerdings am Ende auch über eine Bezahlung der Arbeit geregelt.

Man muss die eigene Nische, die eigene Ausrichtung finden, das eigene Umfeld finden und da das machen, was Sinn macht. Da kann es auch passieren, dass man irgendwann nicht mehr das gleiche Turnier mit der gleichen Zeiteinteilung und der gleichen Ausschreibung wie in den zehn Jahren zuvor macht.

Wie kompliziert ist es, in Deutschland ein Turnier zu veranstalten?

Für uns ist es nicht so schwierig: weil wir es ständig machen, in Übung sind und wir Mitarbeiter haben, deren täglicher Job es ist, genau das zu tun. Dann ist es auch leichter, weil man immer wieder mit den gleichen Leuten bei den Verbänden und den Behörden zusammenarbeitet. Wenn dann ein organisatorisches Problem auftritt, greifen die zwei richtigen Leute zum Telefonhörer und suchen eine Lösung. Für jemanden, der einmal im Jahr ein Turnier veranstaltet, fühlt sich das womöglich viel aufwendiger und bürokratischer an.

Ein Problem, dass die FN beheben sollte? Auf sie wird meist als erstes geschimpft.

Vielleicht ist es auch richtig, dass sie – gerade wenn Ehrenamtlichkeit gefragt ist – es den Reitern und Veranstaltern in einem nicht professionellen Umfeld so leicht wie möglich machen sollte. Gerade dort, wo ich den Einstieg so niederschwellig wie möglich haben will, muss ich den Menschen entgegenkommen. Und wenn ich einen gesellschaftlichen Trend sehe, dass Leute nicht mehr so begeistert sind, ganz viel Arbeit reinzustecken, muss sich das auch in der Organisation des Turniersports widerspiegeln.

Ich glaube, man müsste sich auch auf der Verbandsebene mehr trauen, auch mal „out-of-the-box“ zu denken. Nur ein Gedanke: Muss es im Amateursport immer Preisgeld geben? Das ist ja auch etwas, was der Veranstalter erst mal aufbringen muss. Bis es in der Leichtathletik um Preisgeld geht, ist es ein langer Weg. Andererseits freut sich der Reiter natürlich über das Preisgeld und es hat ja auch eine Historie. Ich glaube aber, es gäbe kreativere Ansätze. Andererseits ist es für einen Verband auch schwieriger, weil er die Breite widerspiegelt und ganz viele Standpunkte und Sichtweisen unter einen Hut gebracht werden wollen. Da besteht die Gefahr, sich festzufahren und den Sprung nicht zu schaffen.

Welche Rolle spielt Social License in der Planung eines Turniers?

Sie spielt auf unterschiedlichen Ebenen eine wichtige Rolle für uns. Auf erster Ebene da, wo wir es direkt beeinflussen können: Das ist der Stall, die Qualität der Böden und Hindernisse, das ist der Zeitplan. Das sind auch die Arbeitsbedingungen für die Pfleger und Reiter: Wenn die gut sind, kommt es am Ende den Pferden zugute. Ebenso wichtig ist die Transparenz auf dem Wettkampfgelände und damit meine ich zum Beispiel die Zugänglichkeit der Abreiteplätze.

Auf der anderen Ebene heißt das, zu kommunizieren und die Menschen, die sich interessieren, willkommen zu heißen. Sie sollen sehen, dass es mehr als nur Wettkampf ist, sondern dass es Gemeinschaft und Event ist, aber eben auch nicht nur Show. Denn nur auf Effekte für die Masse abzuzielen, ist aus meiner Sicht nicht der richtige Weg. Der Pferdesport muss aus sich heraus, so attraktiv, so spannend und so fair und abwechslungsreich sein, dass die Leute gerne kommen und sich das gerne angucken. Als Veranstalter müssen wir uns fragen: Sind wir authentisch? Vermitteln wir an alle das, was wir vermitteln wollen? Wir sind in einer Zeit, in der wir den Pferdewohl-Gedanken nach außen transportieren müssen. Als Veranstalter habe ich direkten Einfluss darauf, in dem ich das Umfeld möglichst gut gestalte.