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Zu Besuch im Reitzentrum Al Shaqab in Doha

Reitsportanlage der Superlative, doch Stimmung fehlt

Das Pferd hat in der arabischen Kultur einen hohen Stellenwert. Daher stampfte der Emir von Katar 1992 das Reitzentrum "Al Shaqab" aus dem Boden, eine Milliarden-Anlage. Zuschauer fehlen dennoch. Unser Fotograf Stefan Lafrentz durfte auf Einladung des Veranstalters das Fünf-Sterne-Turnier und die Anlage besuchen. Hier schildert er seine Eindrücke.

Blick ins gewaltige Reitstadion der Anlage "Al Shaqab".

Doha (KAT) – Mit dem Ölboom kam das Geld in die nur 11.500 Quadratkilometer grosse Halbinsel im Persischen Golf, die westlich an Saudi Arabien grenzt. Das Bundesland Bayern ist flächenmässig rund sechsmal so groß. Rund 2,6 Millionen leben in Katar. Das Pferd hat in der arabischen Kultur einen hohen Stellenwert und die Zucht des arabischen Vollblüters ist Tradition in der Herrscherfamilie. So wurde der Grundstein der Anlage 1992 vom Emir persönlich für die Zucht seiner Araberpferde gelegt. Ein Stalltrakt wurde so belassen, wie er vor rund 150 Jahren gebaut wurde. Der Rest ist mehr als modern: Die Trainings- und Rehabilitationsanlage beeindruckt auf den ersten Blick. Im Inneren des klimatisierten Gebäudes gibt es eine grosse Führanlage und einen rund 100 Meter langen Pool für die Pferde. Dabei ist der gesamte Boden, wie praktisch alle Untergründe auf der Anlage, auf der sich die Tiere bewegen, mit Gummimatten ausgelegt. Hier werden vor allem Distanzpferde behandelt.

Ein rund 100 Meter langer Pool gehört zur Anlage "Al Shaqab".

3,5 Millionen Tonnen Grünfutter importiert

Auch die Stallungen des Emirs sprechen für sich. Der Boden ist gummiert und gefedert. Die Einzelboxen sind mit Marmor ausstaffiert, aufwendige Ornamente zieren die Ställe. Betreuer schauen Tag und Nacht nach den Tieren und ja, die 60 Boxen haben auf der Rückseite auch einen Auslauf. Ein Computer überwacht zudem, wieviel Wasser die Pferde trinken. Ihre Gesundheit wird genau überwacht.

Blick in die mit Mamor ausgestatteten und reichlich verzierten Boxen.

An den Araberpferden hängt das Herz des Emirs.

Rund 150 Araber erblicken hier jährlich das Licht der Welt. Insgesamt beherbergen die Al Shaqab-Stallungen rund 800 Pferde. Heu gibt es aber in Katar keines – nur Sand. Also werden rund 3,5 Millionen Tonnen Grünfutter jährlich aus Lexington (USA) importiert. Quasi wöchentlich treffen die Heuballen mit dem Containerschiff im Hafen ein. Aus den USA? Ja, der erste Manager des Komplexes war Amerikaner – deshalb.

Futuristische Anlage

Das futuristische Hauptstadion mit seiner speziellen Architektur, die an eine Sanddüne erinnern soll, überstrahlt alles und wirkt auf Fotos viel kleiner, als es in Wirklichkeit ist. Der Außenplatz misst 120 mal 80 Meter, der gedeckte Abreitplatz dahinter ist 80 mal 50 Meter gross. Das Hauptstadion ist auf den Stirnseiten offen – auf der einen ist ein VIP-Zelt, auf der anderen haben die lokalen Fernsehstationen ihre Studios. Auf den Tribünen haben rund 6.000 Personen Platz – wenn denn überhaupt welche im Stadion sind.

Das Dressurstadion. Auf der 60 mal 90 Meter großen Reitfläche finden auch Wettbewerbe statt.

Im gleichen Komplex ist auch eine klimatisierte Halle, wo während des Turniers die Dressur- und Paradressurwettbewerbe stattfinden. Die Reitfläche beträgt hier 60 mal 90 Meter. Während des internationalen Turniers werden zudem Stallzelte installiert. Auch diese sind klimatisiert. Jetzt Ende Februar liegen die Tagestemperaturen bei angenehmen 25 Grad bei leichtem Wind – am Abend wird es aber kühl, ein Pullover ist Pflicht. Im Sommer hingegen wird es brütend heiss mit Spitzenwerten bis zu 50 Grad!

Daniel Deußer war einer der Reiter, die in den vergangenen Wochen in Doha geritten sind.

Das Stadion ist nur für den Reitsport konzipiert. Hier finden im Jahr drei Fünfsternturniere statt: der CHI, eine Etappe der Global-Tour sowie im November ein weiterer CSI. Die Anlage wird nicht für weitere Events wie beispielsweise Konzerte genutzt. Zum gesamten Komplex, der nahezu eine Milliarde US-Dollar gekostet haben soll, gehören zahlreiche Außentrainingsplätze, eine Galoppsandbahn, Weideflächen, verschiedenste Stallungen, eine Gartenanlage, ein Hotel, ein Besucherzentrum, eine Pferdeklinik sowie Verwaltungs- und weitere Gebäude.

2004 übergab die Herrscherfamilie die gesamte Anlage an die "Qatar Foundation" – eine private, gemeinnützige Institution. Geleitet wird die Stiftung, die vom Emir 1995 gegründet wurde, von seiner Frau. Investiert wird in Bildung, Wissenschaft und Forschung. Dazu soll das Gemeinwohl in Katar gefördert werden. Unter anderem wird auf der Anlage auch Reitnachwuchs an den Pferdesport herangeführt. Bekannt ist die Institution auch durch die Werbung auf den Trikots der Spieler des Fussballclubs Barcelona.

Schattenseiten des Wüstenstadions

Katar wird 2022 auch Austragungsstätte der Fussball-WM sein. Und die Baustellen sind omnipräsent, sei es bei den Stadien, die aus dem Wüstensand gestampft werden, oder bei der Infrastruktur, bei der primär das Auto im Mittelpunkt steht. Aber auch eine Metro und eine Strassenbahn sind im Bau. Ausserhalb des Wüstenstaates gibt es viele negative Schlagzeilen zu Korruption, miserablen Arbeitsbedingungen für die Bauarbeiter der Stadien und so weiter. Katar wird aber auch im Pferdesport stark kritisiert. Vor allem aufgrund zahlreicher tierschutzwidriger Vorfälle im Distanzsport. Ein weiteres großes Problem sind die fehlenden Zuschauer. "Die Bedingungen für die Pferde sind einfach nur super hier. Die Stallungen, die riesige Plätze, der grosse Abreitplatz. Es gibt wirklich wenig bis gar nichts Negatives, dass man über die Anlage berichten könnte. Klar wäre es toll, wenn die Zuschauertribünen voller wären und die Leute mehr mitfiebern würden. Am Ende bleibt aber der Sport und der ist hochklassig, auch wenn die Unterstützung vom Publikum fehlt", meint beispielsweise Springreiter Hans-Dieter Dreher.

"Es ist unglaublich hier", so auch Dressurreiterin Jill de Ridder, die zum ersten Mal in der Arena startete. "Ich durfte vor ein paar Jahren mal meinen Vater hierher begleiten und seit diesem Moment wollte ich unbedingt einmal selber in dieser Halle in den Sattel steigen. Die Bedingungen sind einfach erstklassig, jeder Wunsch wird einem erfüllt." Im Dressurstadion hatte es leider noch weniger Zuschauer als beim Springen.

Und so bleibt die Anlage mitten in der Wüste doch irgendwie irreal. Bis auf die wenigen Tage im Jahr, in denen die Reiter aus aller Welt sie mit Leben füllen.