Zum Inhalt springen

Drücken Sie Öffnen / Eingabe / Enter / Return um die Suche zu starten

Weltcup-Finale Göteborg

Blog 2: Tokio-Tetris, Flug-Blumen, Zimtkekse

Wie weit kann Isabell Werth eigentlich einen Blumenstrauß vom Pferd aus werfen? Was haben Regenschirme im Dressurviereck zu suchen? Fragen und Antworten im zweiten Blog vom Weltcup-Finale in Göteborg.

Tristan Tucker gab Einblicke in sein Training.

So langsam kommt an diesem Samstagmorgen Leben in die Pressestelle der Gothenborg Horse Show. Hinter mir plant unser Fotograf Stefan Lafrentz mit seinen Kollegen die Reisen zu den Europameisterschaften nach Rotterdam und zu den Olympischen Spielen in Tokio 2020 – nach dem Championat ist vor dem Championat. Oder der frühe Vogel hat den besten Überblick. Klingt nach komplizierten Tetris diese ganze Planung der Anreise, des Hotels, des Programms. Das hat meine Kollegin Sarah Schnieder noch vor sich.

Eine Turnhalle als Pressestelle, nicht ganz so hygge. Aber Platz haben wir hier ohne Ende.

Ich habe soeben einen neuen Favoriten aus der reichhaltigen Keks-Bar ausfindig gemacht: den Zimtkeks. Mit Zimt können die Schweden einfach. Grandios. Ich pack mir gleich mehrere ein. Im Gegensatz zu den kleinen grünen Kaffeemilch-Tetrapack-Tütchen. Meine Risikofreude, die weiße Flüssigkeit schnell in den Pappbecher zu drücken wird von Tag zu Tag größer, die Pfütze neben dem Pappbecher auch.

Schmuggelware. Die Kekse ganz rechts sind es! Zimtig, lecker.

Hier in unserer beschaulichen Hütte, der kalten Turnhalle, herrscht noch entspannte Stimmung. An einigen Tischen werden die gestrigen Sportereignisse final aufgearbeitet. Das hatte schon Thriller-Qualität, was sich da im Dressurviereck und Parcours abspielte. Heute Nachmittag wird Isabell Werth alles geben, um den Hattrick klar zu machen. Sie darf sich nicht einen Schnitzer erlauben, denn genau darauf wartet ihre ärgste Konkurrentin, Laura Graves, geradezu. Aber nicht nur sie: Da ist ja noch Daniel Bachmann Andersen oder Helen Langehanenberg. Sie schielen alle hungrig auf das Podium. Isabell Werth wird in diesem Jahr 50 Jahre alt, satt ist sie noch lange nicht. Und dass es ihr in solchen extrem engen Wettkampf-Situationen unter den Fingernägeln juckt und kribbelt, ist förmlich zu spüren – aber auch ihre Freude daran. Mal sehen, ob sie heute wieder Blumen fliegen lässt und einen Zuschauer glücklich macht. So wie gestern in der Siegerehrung. Das war mal ein respektabler Blumenstrauß-Hoch-Weit-Wurf von Frau Werth, „vom Allerfeinsten“, um im Reiterslang zu bleiben. „Der war schön schwer, den konnte man super werfen“, fand Isabell Werth, die in Göteborg zwischen allen Interviewterminen mit den internationalen Medien auch Zeit fand, um an ihrem Stand auf der Messe "Eurohorse" vorbeizuschauen und sogar ein kleines Mädchen beim T-Shirt-Kauf zu beraten.

Tristan Tucker ist mit seinem Rappen Zephir zu Gast im Scandinavium. Gestern gab er ein Training, unglaublich unterhaltsam und inspirierend, was er da präsentierte. Von Bodenarbeit mit raschelnden Tüten, wehenden Fahnen – nicht um die Pferde abzustumpfen, sondern um ihnen eine Idee zu geben, wie sie mit solchen Situationen umgehen können – bis Pirouetten-Training mit Regenschirmen. Die Dinger sind durch ihre runde Form doch multifunktionaler als gedacht. Ich werde das zu Hause mal ausprobieren – vermutlich sieht das Ergebnis in Sachen Lastaufnahme anders aus als bei Zephir. Geringfügig natürlich.

Gestern habe ich hier in der Pressestelle Claudia Meyer kennengelernt, sie ist die Gewinnerin der ersten FEI E-League Season – dafür hat sie während der gesamten Weltcup-Saison via Judging-App die Ritte aller Dressursportler in den Weltcup-Qualis bewertet. Mein Respekt vor so viel Disziplin! Claudia Meyer lebt in Lima, kommt ursprünglich aus Rosenheim, ist Dressurreiterin, Anwältin und möchte Richterin werden. Dass sie das Zeug und vor allem die Leidenschaft dazu hat, hat sie bewiesen. Für zehn Weltcups hat sie sich teilweise extra den Wecker gestellt, mit ihren Bewertungen lag sie oft richtig, aber bei weitem nicht immer. „Das war für mich sehr lehrreich. Wenn ich mit meiner Note deutlich abwich, habe ich mir die Lektion nochmal und nochmal angesehen und versucht zu verstehen, warum die Richter am Viereck anders geurteilt haben als ich“, erzählte sie. Weil sie die meisten Punkte gesammelt hat, hat sie ein VIP-Ticket zum Weltcup-Finale gewonnen. Dreimal stieg sie in den Flieger und wieder aus, um aus Peru nach Göteborg zu kommen. Jetzt ist sie hier und saugt alles auf. Beim Training der Dressurreiter morgens um sechs war sie eine der ersten. „Das Training ist für mich das interessanteste, man kann sich so viel abschauen.“ Und sie freut sich auf die Kür heute. Dann lässt sie die App mal App sein, „ich möchte mich einfach nur zurücklehnen und die Ritte genießen“. Damit ist sie heute sicherlich nicht allein am Nachmittag im Scandinavium von Göteborg.

Claudia Meyer, die Gewinnerin derFEI E-League-Season, ist den weiten Weg von Lima nach Göteborg geflogen, um interessante Menschen kennen zu lernen und vor allem den Dressur-Weltcup zu genießen. Mal ohne App.