Zum Inhalt springen

Drücken Sie Öffnen / Eingabe / Enter / Return um die Suche zu starten

Stuttgart German Masters 2022

Vogel fliegt in seinem Ländle allen davon​

Per Wild Card kam Richard Vogel zu seinem ersten Weltcup-Start. Dann im Ländle, vor Familie und Freunden setzte er alles auf eine Karte – und gewann. Und das mit einem Pferd, das einer der besten Reiter der Welt für das Langsamste überhaupt hielt.​

Richard Vogel und United Touch, beflügelt.

Stuttgart –Es war sein erster Start in einem Weltcup-Springen und das im Ländle, seiner Heimat. Richard Vogel kommt aus Mannheim, trainiert aber mittlerweile im hessischen Dagobertshausen und lebt als vielreisender Springreiter mehr aus dem Koffer. In Stuttgart aber fühlte er sich mal kurz nicht als Reisender, sondern als einer, der zu Hause ist. Und für alle anderen war „Richi“ Vogel die nächste Stuttgarter Sensation perfekt machte, als er am Sonntagnachmittag mit United Touch die Weltcup-Etappe in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle gewann. 13 Reiter-Pferd-Paare hatten es ins Stechen von Parcoursdesignerin Christa Jung geschafft. Auf dem zweiten Rang landeten gleich zwei Reiter: Der Ire Denis Lynch mit Brooklyn Heights und der Schweizer Steve Guerdat mit Dynamix de Belheme. 36,80 Sekunden brauchten sie für den Stechparcours – fehlerfrei. Damit verwiesen sie den Schweden Henrik von Eckermann und seine kleine, wieselflinke Iliana auf Rang vier (0/37,03).

Ließ sich von seinen Ländle-Leuten tüchtig feiern: Richard Vogel.

„Mit Wildcard zu Worldcup-Victory“ oder „One shot, one hit“ wurde Turnierleiter Kai Huttrop-Hage bei dem Überraschungssieger Richard Vogel direkt kreativ. Vogel hatte mit dem westfälisch gezogenen Untouched-Lux Z-Sohn eine derart schnelle Runde im Stechen zurückgelegt, dass selbst das spannungserprobte Stuttgarter Publikum den Atem anhielt. „Oft ist es so, dass man abwägt, wieviel man riskieren will. Heute war ich durch das Publikum im Ländle, durch meine Familie und Freunde hier in der Halle sehr beflügelt, also habe ich entschieden, die Risikovariante zu wählen.“ Und das mit einem Pferd, von dem selbst die Profis nicht gedacht hätten, dass es schnell gehen kann. United Touch hat eine riesige Galoppade. Der Zweitplatzierte Steve Guerdat hatte den Hengst in Riesenbeck vergangenes Jahr einmal gesehen, „ich habe für mich gedacht, ‚das ist jetzt wirklich das Pferd mit dem größten Galoppsprung, das ich je gesehen habe‘. Damit hatte ich recht. Aber ich habe auch gedacht, ‚das ist das langsamste Pferd, das ich je gesehen habe‘“, erzählte er lachend in der Pressekonferenz. Er lag damit er eindeutig nicht richtig. United Touch kann verdammt schnell!

Julius-Peter Sinnack ist Züchter und Besitzer dieses Pferdes, der Niederländer Willem Greve und dann Bart Bles haben den Hengst in den vergangenen Jahren in kleineren internationalen Springen geritten, seit zehn Wochen ist United Touch nun in Dagobertshausen bei Richard Vogel im Stall. „Ich glaube, es gibt wenig Pferde mit ähnlich viel Vermögen und sein Galopp ist gewaltig“, sagt Vogel. Mit seinem Sieg hat sich der 25-Jährige mit einem Mal auf Rang sieben im Weltcup-Ranking katapultiert. Ob er nun weiter im Weltcup angreifen wird, weiß er noch nicht. Geplant war es bisher zumindest nicht. „Theoretisch fliegen die Pferde nach Amerika“, sagte er.

Steve Guerdat mit seiner ganz großen Zukunftshoffnung: Dynamix de Belheme.

Ein versöhnliches Ende brachte das Weltcup-Springen für den Schweizer Steve Guerdat, so recht mochte es in den Tagen zuvor nicht klappen. Doch Guerdat nahm es sportlich und meinte in Richtung Turnierleitung. „Dass wir unseren Sport vor so einer Bühne mit so einer Stimmung zeigen können, ist etwas besonderes. Ich habe in den letzten Tagen viele Stechen live nur als Zuschauer angeschaut, ich hatte 15 Mal Gänsehaut.“ Dem werden viele Reiter und noch mehr Zuschauer beipflichten. Dass ein Turnier wie das in Stuttgart keine Selbstverständlichkeit ist, ist den meisten nach der langen Coronabedingten Pause noch bewusster geworden. Dazu kommen Aussichten, die den Stuttgartern Sorgenfalten auf die Stirn treiben: Das Global Turnier in Prag soll künftig zeitgleich mit dem Weltcup-Turnier in Stuttgart stattfinden, dazu ist mit Mercedes ein extrem wichtiger Sponsor in diesem Jahr abgesprungen und noch dazu ist die Zukunft der Hanns-Martin-Schleyer-Halle ungewiss - so wird Deutschlands wichtigstes Hallenturnier zu der Baustelle wie es die Stadt selbst auch eine ist. Aber zurück zum Sport und zu den Gänsehautmomenten.

Gänsehaut hat der Steve Guerdat auch bei Dynamix de Belheme. Neun Jahre alt ist die Stute, die Snaike de Blondel als Vater und Cornet Obolensky als Muttervater hat. Fünfjährig hat Guerdat sie in Ausbildung bekommen und von Anfang an sie geglaubt. „Und jetzt trau ich mich auch zu sagen, dass das wahrscheinlich das beste Pferd ist, das ich je in meiner Karriere hatte. Sie hat das gesamte Paket, das alle meine guten Pferde hatten. Und jetzt zeigt sie uns auch auf diesem Niveau, dass sie zu den besten gehört. Ich glaube, sie hat eine große Zukunft vor sich.“ Und da kann man sich bei Guerdat sicher sein: Wir werden's erleben.

Ergebnis