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2024 weiter mit neuem Olympia-Modus

Steht die Nationenvielfalt über dem Wohl der Pferde?

Trotz des Appells des Schweizer Springreiters Steve Guerdat und einiger nationaler Föderationen, wie der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), stimmten die meisten Verbände für das Beibehalten der Dreier-Teams im Olympia-Modus. Hier die Infos mit einem Kommentar.

In Tokio ritten die Mannschaften nur zu dritt, ohne Streichergebnis. Dafür konnten mehr Nationen an den Start gehen.

Antwerpen/BEL - Olympiasieger Steve Guerdat hatte mit Nachdruck appelliert: Lasst uns zum alten Olympiamodus zurückkehren. Vier Reiter in einem Team und somit ein Streichergebnis. "Wir müssen zum alten Format zurückkehren. Das ist zum Wohle der Pferde", sagte er. Doch die Mehrheit der nationalen Pferdesportverbände stimmte in Antwerpen jedoch dafür, das Format mit Dreierteams auch für Paris 2024 zu erhalten.

Wie die Deutsche Reiterliche Vereinigung schreibt, sei die Verteilung der Startplätze nun wie folgt:

  • Im Springen gibt es 75 Quotenplätze (für 60 Teamreiter und 15 Einzelstarter). Insgesamt sind 20 Mannschaften mit jeweils drei Paaren startberechtigt, darunter auch das Gastgeberland Frankreich sowie die besten fünf Nationen der WM 2022 in Herning/DEN.
  • In der Dressur sind 60 Quotenplätze vorgesehen (für 45 Teamreiter und 15 Einzelstarter). 15 Nationen können sich mit einem Dreierteam qualifizieren. Neben dem Gastgeberland sind unter anderem die sechs besten Nationen der WM 2022 in Herning/DEN startberechtigt.
  • In der Vielseitigkeit können maximal 65 Paare starten (darunter 48 Teamreiter und 17 Einzelstarter). 16 Nationen können sich mit einem Dreierteam qualifizieren. Auch in der Vielseitigkeit sind neben dem Gastgeberland unter anderem die sechs besten Nationen der WM 2022 in Pratoni/ITA startberechtigt.
  • Für jede mit einem Team qualifizierte Nation darf ein Ersatzpaar mit zu den Olympischen Spielen nach Paris reisen. Dieses Ersatzpaar zählt jedoch nicht zu den Quotenplätzen.
  • In der Para-Dressur gibt es 78 Quotenplätze. Die Plätze werden den jeweiligen Nationalen Paralympischen Komitees (NPC) zugewiesen. Einem NPC können maximal vier Quotenplätze zugewiesen werden. In der Mannschaftsentscheidung dürfen maximal drei Athleten antreten. Für das Gastgeberland sind automatisch vier Quotenplätze vergeben. Die sieben bestplatzierten Nationen der Weltmeisterschaften 2022 in Herning/DEN erhalten jeweils vier Quotenplätze.

„Wir stellen besonders hohe Ansprüche an den Tierschutz im Pferdesport. Das Format mit Streichergebnis ist pferdefreundlicher, denn es nimmt den Druck von Reitern, wenn sie Fehler gemacht haben oder eine schlechte Runde zum Wohle des Pferdes nicht fortsetzen möchten. Mit einem Streichergebnis könnte die Mannschaft den Wettbewerb auch dann mit Erfolgsaussichten fortsetzen, wenn ein Reiter-Pferd-Paar ausgeschieden ist“, sagte FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach. Doch die FN konnte mit einer Stimme wenig ausrichten. 70 Stimmen gingen an das neue Format, 30 Stimmberechtige plädierten für das alte. Der Vorteil im neuen System liegt klar darin, dass mehr Nationen an den Olympischen Spielen teilnehmen können. Aus diesem Grund sprach sich auch das IOC für diese Regelung aus.

„Auch wenn wir mit der finalen Entscheidung für Dreierteams nicht zufrieden sind, müssen wir anerkennen, dass eine Mehrheit der anderen Verbände – auch innerhalb Europas – für das Dreierformat ist“, sagte Lauterbach und ergänzte: „Auf der anderen Seite betrachte ich 30 Gegenstimmen nicht nur als einen Achtungserfolg. Das Ergebnis ist im Vergleich zum Abstimmungsverfahren vor fünf Jahren sehr, sehr gut. Damals gab es nur elf Stimmen für die Viererteams. Mit dem Ergebnis von Antwerpen wurde sehr deutlich, dass hier für die Spiele in Los Angeles 2028 Überarbeitungsbedarf besteht. Daher wurde vereinbart, dass das Qualifikationsformat schon 2023 auf der Agenda des FEI Sports Forums stehen wird und damit in einem langfristigen Prozess diskutiert wird.“

Im Dezember 2022 wird die FEI die Liste der Veranstaltungen veröffentlichen, bei denen Reiter und Pferde die individuelle Mindestqualifikation für Paris erfüllen können.

Negative Bilder kann sich der Sport nicht mehr leisten!

Ein Kommentar von Chefredakteurin Sarah Schnieder

Steht die Nationenvielfalt über dem Wohl der Pferde? Dieser Eindruck entsteht. Bei den Olympischen Spielen in Tokio gab es viele wunderbare Momente aus Reitsportsicht. Momente, die belegten, dass dort die besten Reiter der Welt am Start waren. Doch es gab auch Szenen, die zeigten, dass nicht ausschließlich diejenigen ritten, die man aus Überzeugung als olympiareif bezeichnen kann. Im Parcours fielen einige Stangen - und auch Reiter - aufgrund mangelnden Könnens und fehlender Erfahrung, in der Vielseitigkeit mussten Starter den Geländeritt abbrechen, weil sie und ihre Pferde mental und körperlich überfordert waren.

Der olympische Leitsatz "Dabeisein ist alles" mag seine Berechtigung haben, doch beim Reiten bergen fehlende Fähigkeiten im Springen und in der Vielseitigkeit hohe Risiken für Reiter und Pferd, in der Dressur sorgen sie für Bilder, die keiner sehen möchte. Für alle drei Disziplinen sollte gelten, dass das Tierwohl an erster Stelle steht. Wie soll dies aber garantiert werden, wenn man eben denjenigen Startmöglichkeiten einräumt, die den Anforderungen nicht gewachsen sind?

Bei der Benennung der Veranstaltungen, auf denen die Qualifikationen für die Spiele 2024 stattfinden werden, müsse es sich "um hochklassige internationale Prüfungen und Nationenpreise handeln, um sicherzustellen, dass alle Reiter und Pferde tatsächlich in der Lage sind, in einem Wettbewerb auf olympischem oder paralympischen Niveau zu bestehen", betonte Soenke Lauterbach nicht ohne Grund. Denn es sollte sich nicht erst bei den Olympischen Spielen vor den Augen der gesamten Welt die Spreu vom Weizen trennen. Negative Bilder kann sich der Sport nämlich nicht mehr leisten.