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Richterin Katrina Wüst zu Fake-Schaum: „Reiter wollten uns für dumm verkaufen"

Klebrige Zuckerpaste am Maul, um eine rege Maultätigkeit des Pferdes vorzutäuschen. Jahrelang war das Praxis in Dressurprüfungen. Nun will der Weltreiterverband den Marshmallow-Fluff und andere weiße Pasten am Maul verbieten. Wir haben Fünf-Sterne-Richterin Katrina Wüst nach ihren Erfahrungen gefragt.

Gebisskontrolle auf dem Turnier. Spätestens hier fällt der Fusch mit dem falschen Schaum auf. Bisher hatten die Stewards jedoch keine Handhabe. Das soll sich nun ändern. (Symbolbild)

Lausanne/SUI – Seit Jahren verwenden Reiter zuckrige Pasten, um Schaumbildung am Pferdemaul vorzutäuschen. Nun will der Weltreiterverband (FEI) dagegen vorgehen: "Es ist strengstens verboten jedwede weiße Substanz rund um das Pferdemaul zu verwenden, um Schaum zu imitieren. Dies stellt einen Betrugsversuch dar und verstößt gegen das Wohlbefinden des Pferdes, weil es Verletzungen an der Lippe überdecken könnte. Wer dies tut, wird verwarnt oder erhält eine gelbe Karte", heißt es im Vorschlag zur Regeländerung der FEI.

Reiter Revue International hat FEI-Richterin Katrina Wüst gefragt, wie sie die Täuschung bisher empfunden hat und wie der falsche Schaum die Notengebung beeinflusst hat.

Wie schätzen Sie die Verwendung der Pasten ein? Können sie wirklich offene Mäuler, fehlende Maultätigkeit oder sogar kleine Wunden kaschieren?

Katrina Wüst: Der zuckrige Marshmallow-Schaum oder andere Präparate sind seit einigen Jahren 'in Mode' gekommen, um eine verbesserte Maultätigkeit des Pferdes vorzutäuschen. Oft bringen sie nicht so viel, wie sich die jeweiligen Reiter erhoffen, trocknen diese künstlichen Substanzen doch im Verlauf des Rittes ein und haften dann nur noch als Kruste an Lippen und Maulwinkeln – im Gegensatz zum echten Schaum, der von den Pferden ständig neu gebildet wird. Offene Mäuler und ernsthafte Zungenprobleme lassen sich in der Regel dadurch nicht verstecken. Im Gegenteil, durch die unnatürlich weiße – und manchmal auch grüne! – Konsistenz wird die Aufmerksamkeit des Richters erst recht auf das Maulproblem gelenkt. Kleine Wunden an den Lippen kann man aus der Distanz ohnehin nicht erkennen, dafür gibt es die Gebissprüfung durch den Steward nach jedem Ritt.

War die Verwendung der Pasten in der Vergangenheit häufig Thema unter den Richtern?

Katrina Wüst: Wenn ein Maul auffällig präpariert erschien, haben wir uns in den Pausen oder nach der Prüfung darüber unterhalten, schon allein deshalb, weil wir es als unfair empfanden, dass Teilnehmer sich auf Kosten der anderen Reiter Vorteile verschaffen und gleichzeitig die Zuschauer und uns dabei für dumm verkaufen wollten. Allerdings hatten wir bisher keine Handhabe, gegen diese Täuschung vorzugehen, als überaus genau auf das Gesamtbild des Pferdes in Bezug auf Anlehnung, Durchlässigkeit und Losgelassenheit zu achten.

Konnten Sie aus dem Richterhäuschen erkennen, wann eine Paste im Spiel war und wann nicht? Wussten Sie vielleicht auch irgendwann schon, welche Reiter sie verwendeten?

Katrina Wüst: Es war nicht immer einfach, aber meist hat man aufgrund der Farbe und der festeren Konsistenz erkennen können, dass es sich nicht um natürlichen Schaum handelt. Ich habe das Maul in solchen Fällen noch genauer im Blick behalten, allerdings keine „Strichlisten“ geführt, wer wann und wie den Fake-Schaum verwendet hat. Flächendeckend war es auf keinen Fall, aber es kam in letzter Zeit immer häufiger vor. Deshalb ist es gut, dass die Schaumtätigkeit nun zum Thema gemacht und die Maultätigkeit des Pferdes noch mehr in den Fokus gerückt wird. Allerdings sollte man sich gleichzeitig darüber Gedanken machen, wie der Nachweis zu führen ist. Hier werden die Stewards gefragt sein … aber dann? Muss der Schaum zum Testen ins Labor geschickt werden? So sehr das Vorgehen der FEI zu begrüßen ist – die Diskussion ist noch nicht zu Ende.