Öffentliche Kritik an der Deutschen Reiterlichen Vereinigung
Warendorf – In der gestrigen Ausgabe der Sportschau ist ein ausführlicher Beitrag über den aktuellen Zustand der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) ausgestrahlt worden. Der Dachverband sieht sich nach wie vor scharfer Kritik ausgesetzt – auch aus den eigenen Reihen.
Im Mittelpunkt des Beitrags stehen prominente Stimmen aus dem Reitsport, darunter die Olympiasieger Isabell Werth und Ludger Beerbaum. Beide äußern sich kritisch über den Zustand der FN. Werth spricht von einem „Sanierungsfall” und wundert sich, dass das Präsidium noch keine Konsequenzen eingeläutet habe. „In einer solchen Situation kann in keinem Unternehmen abwartend stillgesessen werden”, sagt die achtmalige Olympiasiegerin. Ihre größte Sorge gilt der schwierigen Finanzsituation des Verbands und den daraus resultierenden Auswirkungen auf den Spitzensport und den Nachwuchsbereich.
Zum Hintergrund
Rund eine Millionen Euro Verlust hat der Verband 2023 zu vermelden gehabt. FN-Präsident Hans-Joachim Erbel und FN-Finanzkurator Gerhard Ziegler traten daraufhin zurück. Ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer stellte heraus, dass die FN nicht insolvent, aber in einer angespannten wirtschaftlichen Lage sei. Im vergangenen Jahr habe es Liquiditätsengpässe gegeben und weitere Defizite könne die FN in Zukunft nicht gut verkraften, heißt es in dem Bericht. Wertpapiere in Höhe von 940.000 Euro seien allein in diesem Jahr verkauft worden.
Ludger Beerbaum fordert Aufklärung
Ludger Beerbaum, Olympiasieger von 1992, kritisiert vor allem die strukturellen Probleme innerhalb der FN. Er bemängelt die mangelnde Transparenz des Verbandes und beklagt die Altersstruktur in den Gremien, in denen viele Funktionäre „noch mal deutlich zehn Jahre älter” seien als er. Er fordert eine grundlegende Überprüfung der aktuellen Strukturen: „Die Decke hochnehmen, lüften und alles komplett hinterfragen.“ Ludger Beerbaum erachtet einen Neustart als zwingend notwendig.
Klaus Roeser sieht mehrmaligen Wertpapierverkauf als Warnsignal
Auch Klaus Roeser, Vorsitzender des Dressurausschusses im Deutschen Olympischen Komitee für Reiterei, äußert sich im Sportschau-Beitrag kritisch. Er verweist auf den umstrittenen Aktienverkauf der FN und die Frage, inwieweit solche Maßnahmen als Notlösung akzeptabel sind. „Wenn man das öfter in einem gewissen Zeitraum tut“, so Roeser, „dann frage ich mich, ob da nicht deutlich früher hätte die rote Lampe angehen müssen.“ Die Lage ist ernst. Dennoch habe es hohe Bonuszahlungen und Pensionsrückstellungen für die Oberen um FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach gegeben.
Wie geht es weiter?
Lauterbach steht im Zentrum der Kritik. Haben Kontrollmechanismen versagt? Oder wollte man Warnsignale nicht sehen? Roeser wirft Lauterbach auf jeden Fall vor, dass ihm „nicht blind, aber doch zumindest in einem sehr hohen Maße vertraut worden“ sei.
Und jetzt? Die FN hat Sparpläne, sucht aktuell einen neuen Präsidenten. Isabell Werth fürchtet um die Nachwuchsarbeit in ihrem Sport. Und noch gravierender: Die Staatsanwaltschaft Münster ermittelt aufgrund des Verdachts der Wirtschaftskriminalität.