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EUROPAMEISTERSCHAFTEN VIELSEITIGKEIT

Gold für Großbritannien und Nicola Wilson, Silber fürs schwarz-rot-goldene Team – Michael Jung bester Deutscher

Chris Bartles Traum ging heute in Erfüllung, wie er mir eben am Rande der Siegerehrung sagte. Aber auch Hans Melzer ist mit den Leistungen seiner Reiter glücklich. Michaela Weber-Herrmann berichtet noch einmal aus Avenches.

Michael Jung und fischerWild Wave waren am Ende als Viertplatzierte die besten deutschen Teilnehmer.

Avenches/SUI – „Es war mein Traum, das was ich 2011 in Luhmühlen als Co-Trainer der Deutschen geschafft habe, hier und heute mit Großbritannien zu wiederholen“, sagte der Mann aus Yorkshire, der wie bis 2001 seit 2017 wieder seine Landsleute coacht. Damals, vor zehn Jahren, schafften die deutschen Reiter die maximale Medaillenausbeute: Michael Jung wurde Europameister, Sandra Auffarth gewann Silber, Frank Ostholt Bronze und auch die deutschen Teamreiter – neben Jung und Auffarth auch Ingrid Klimke und Andreas Dibowski – galoppierten bei der Siegerehrung mit Goldmedaillen um den Hals vorneweg. Die Mannschaft aus Großbritannien gewann Silber.

Chris Bartles Traum wurde wahr: Diesmal führten die Reiterinnen aus Großbritannien – die Briten setzten auf ein Damenquartett – an der Spitze vor der deutschen Mannschaft. Und nicht nur, dass auch bei der Siegerehrung der Einzelreiter „God Save the Queen“ gespielt wurde, auch auf dem Silber- und dem Bronzerang folgten Britinnen.

Eine Stange purzelte bei Ingrid Klimke und SAP Hale Bob OLD. Leider kostete sie die Medaille im Einzel.

Eine Stange zuviel

Noch vor dem Springen lag Titelverteidigerin Ingrid Klimke auf Silberkurs. Doch die Paare an der Spitze lagen dicht beieinander, Springfehler konnte sich keiner leisten. Leider fiel bei der Reitmeisterin aus Münster und SAP Hale Bob OLD einmal eine Stange – damit beendeten sie diese EM mit dem Gesamtergebnis von 25,4 Minuspunkten auf dem fünften Platz. Aus der Traum von der Titelverteidigung! „Manchmal hat man Glück, manchmal eben nicht“, so die 53-Jährige. Heute war das Glück nicht auf ihrer Seite.

Ingrid Klimke und SAP Hale Bob OLD lieferten eine tolle Leistung.

Das Glück der Tüchtigen hatte Nicola Wilson, die die Führung im Gelände übernommen hatte und auch im Parcours mit JL Dublin fehlerfrei blieb. Sie beendete diese EM mit ihrem Dressurergebnis von 23,3 Punkten. Auch die Mannschafts-Europameisterin von 2017 lobte ihr Pferd. Immerhin war es das erste Championat für den zehnjährigen Diarado-Sohn, der als Vierjähriger über eine Auktion des Holsteiner Verbandes den Besitzer gewechselt hatte. Das erste Championat, aber vermutlich nicht das letzte.

Nicola Wilson heißt die neue Europameisterin im Einzel.

Ebenfalls fehlerfrei im Parcours blieben Piggy March und Brookfield Innocent und auch sie fügten dem Ergebnis aus dem Viereck keine weiteren Punkte hinzu. – 23,3 Punkte, Silber für die Team-Weltmeisterin von 2018 und den zwölfjährigen Iren Brookfield Innocent.

Das rein britische Podium komplettierte Einzelreiterin Sarah Bullimore, die im Gelände 0,8 Zeitstrafpunkte kassiert hatte und im Parcours ebenfalls eine „weiße Weste“ behielt, 23,6 Punkte der Endstand für sie. Sarah Bullimore hatte Corouet gesattelt, mit dem sie schon 2017 bei der Weltmeisterschaft der jungen Vielseitigkeitspferde in Le Lion d’Angeres Platz sechs belegt hatte. Das Besondere an diesem Paar: Die Reiterin ist nicht nur Besitzerin des zehnjährigen Oldenburger Fuchses, sie hat den Balou du Rouet-Sohn auch selbst gezogen. Und zwar aus der Stute Lilly Corinne, mit der sie ihr erstes Championat bestritt. 2015 war das, bei den Europameisterschaften in Blair Castle in Schottland. Damals belegte sie Platz 26.

Piggy March war überglücklich und herzte ihr Pferd.

Bester deutscher Reiter war Michael Jung, der in Avenches mit „Doppel-Null“, also fehlerfreier Gelände- und Parcoursrunde glänzte. Er war mit dem erst neunjährigen Holsteiner fischerWildWave in der Dressur, wie bereits berichtet, mit 23,9 Minuspunkten nicht eben „gut weggekommen“, aus eigener Kraft konnte er den Richterspruch nicht wettmachen. Er sah’s gelassen: „Mein Pferd hat alles richtig gemacht“, so sein Fazit. Er sieht in ihm ein Pferd für die Zukunft: „Ich glaube, da steckt noch einiges drin,“ so seine Prognose. Man hat’s gesehen. Im kommenden Jahr sind Weltmeisterschaften – und Michael Jung sieht sich auch mit Blick auf Pratoni del Vivaro, den Austragungsort der Vielseitigkeits-EM 2022, mit fischerChipmunk und fischerWild Wave „gut aufgestellt“.

Michael Jung und fischerWild Wave zeigten eine souveräne Nullrunde.

Auch Einzelreiter Christoph Wahler glänzte im Parcours. „Wenn das Springen so leicht ist wie hier, ist ein Fehler extrem teuer“, so der Mann vom Klosterhof Medingen, aber Carjatan S, der zwölfjährige, ebenfalls aus Holsteiner Zucht stammende Clearway-Sohn, habe es ihm „leicht gemacht“. 26,8 Punkte – Platz sieben.

Anna Siemer freute sich sehr über die Leistung von FRH Butts Avondale.

Mannschaftsreiterin Anna Siemer dagegen ärgerte sich über einen Abwurf, der ihr am Ende den 17. Platz einbrachte: „Sie hat das nicht verdient“, sagte sie und meinte damit ihre Stute FRH Butts Avondale. „Ich hätte einfach besser reiten müssen. „Aber ich ärgere mich jetzt nur kurz“, blickte sie auch gleich wieder nach vorne. „Wir fahren mit einem tollen, gesunden Pferd nach Hause. Und das ist das Wichtigste.“

Andreas Dibowski und FRH Corrida dagegen, die gestern nach einer langsamen Geländerunde auf Rang 30 gelegen hatte, beliesen es bei 40,8 Punkten und rückten dadurch acht Plätze vor. Auch für Dirk Schrade, gestern mit einer Verweigerung und Zeitfehlern im Ziel der Geländestrecke, war der Abschluss versöhnlich. „Casino ist ein hervorragendes Springpferd“ hatte er schon zu Beginn der EM gesagt. Dass er damit recht hatte, hat der elfjährige Schimmel heute bewiesen.

Auch Andreas Dibowski und FRH Corrida blieben Null.

13 Teams – drei „geplatzt“

Wie gesagt, die britische Dominanz war gewaltig. Fünf der sechs Reiterinnen von der Insel platzierten sich unter den Top Ten. Das britische Team – Nicola Wilson, Piggy March, LKitty King mit Vendredi Biats und Rosalind Canter mit Allstar B – ist Europameister (Gesamtpunktzahl 73,1 Punkte), die deutschen Reiter – Michael Jung, Ingrid Klimke, Anna Siemer und Andreas Dibowski – gewannen Silber (86,4 Punkte). Bronze ging mit deutlichem Abstand an Schweden – Sara Algotsson-Ostholt/Chicuelo, Malin Josefsson/Golden Midnight, Malin Petersen/Charly Brown und Christoffer Forsberg – mit 113,9 Punkten. Es folgten die Teams aus der Schweiz (114,9), Frankreich (116,8), Österreich (129,5), Irland (141,4), Italien (157,8), Spanien (169,5), der Tschechischen Republik (227,5) sowie die Nationen, die keine komplette Mannschaft „ins Ziel brachten“ Belgien (1130,4), Russland (1183,9) und die Niederlande (2061,6).

Hans Melzer übrigens war über die Silbermedaille seines Teams alles andere als unglücklich und zollte den Europameistern Respekt: „Man muss das sportlich nehmen, die waren einfach besser“, so der Bundestrainer. „Sie hatten in der Dressur – von Ingrid abgesehen – schon die Nase vorn und im Gelände waren sie auch schneller. Wir hatten nur ein Paar in der Zeit. Man muss das voll anerkennen, die Briten hatten hier ein tolles Team. Wir dagegen hatten bis auf Ingrid und Bobby ja nicht unsere Toppaare hier. Und ich finde, das Team hat sich toll geschlagen.“

Andreas Dibowski verband bei der abschließenden Pressekonferenz ehrliche Anerkennung mit einer charmanten Kampfansage: „Das britische Team war einfach unschlagbar. Deshalb haben wir nicht Gold verloren, sondern Silber gewonnen.“ Und an die neuen Europameister gewandt, fügte er lachend hinzu: „Aber seid sicher, wir arbeiten dran.“ Gute Einstellung.

Das komplette Ergebnis gibt es hier.