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Weltmeisterschaften Pratoni del Vivaro

Geliefert! – Kurs auf zweimal Gold

„Super super happy” ist Sandra Auffarth, „einfach geil” beschrieb Julia Krajewski ihr Gefühl beim Ritt über die 30 Hindernisse der 5.600 Meter langen Geländestrecke und Michael Jung nennt sein Pferd „eine Maschine“. Rückblick auf einen sensationellen Geländetag.​

Kurs auf Doppel-Gold: Michael Jung und fischerChipmunk FRH.

Pratoni del Vivaro/ITA – Die deutschen Reiter haben in den Albaner Bergen heute im Gelände abgeliefert. Und wie! Stand jetzt liegt das Team vor dem morgigen Springen mit dem Dressurergebnis von 76,1 Punkten vor der Mannschaft aus den USA (77,4 Punkte). Die als heiße Favoriten auf den Mannschaftstitel gehandelten Reiter aus Großbritannien rangieren mit 80,9 Punkten aktuell an dritter Stelle. Noch komfortabler ist die Führung in der Einzelwertung: Michael Jung liegt mit seinem Dressurergebnis von 18,8 Punkten vor der Britin Yasmin Ingham, die den elfjährigen in Frankreich gezogenen Banzai du Loir gesattelt hatte und 23,2 Punkte auf dem Konto hat. Auf Rang drei: die US-Amerikanerin Tamra Smith mit dem aus Sachsen-Thüringen stammenden Rappen Mai Baum (24,0 Punkte). Das heißt, Michael Jungs fischerChipmunk FRH hat morgen im Springen „einen gut“, wie die Reiter sagen. Soll heißen: Mit einem Abwurf wäre Jung auf jeden Fall Weltmeister!

Der Pfadfinder legt vor

Aber der Reihe nach. Man kann sagen: Es flutschte einfach. Den Anfang – als erster Starter des gesamten, 89 Paare starken WM-Feldes – machte Christoph Wahler mit Carjatan S, dem 13-jährigen Holsteiner Schimmel von Clearway. Der erste Reiter und die erste „clear round“ fürs deutsche Team. 9:50 Minuten war als Idealzeit vorgegeben, nach 10:14 Minuten galoppierten die beiden über die Ziellinie – 24 Sekunden „über der Zeit“, das waren 9,6 Minuspunkte on top. Addiert zum Dressurergebnis gibt das 42,4 Punkte und aktuell Rang 35. Der erste Teamreiter war „zu Hause“ und hatte den Weg bereitet.

Suoer zufrieden mit seinem Carjatan S, weniger zufrieden mit dem Geländekurs: Christoph Wahler.

So richtig zufrieden war er aber nicht. „Ich wäre gerne 24 Sekunden schneller geritten“, analysierte der Mann vom Klosterhof Medingen seinen Ritt. „Aber der Kurs war nicht schön zu reiten, er ist kringelig, die ständigen Wendungen sind anstrengend für die Pferde.“ Kann man nachvollziehen, der großrahmige Schimmel hat auch eine entsprechend große Galoppade. So sehr Christoph Wahler mit dem Kurs haderte, so zufrieden war er mit seinem Pferd: „Er gibt einfach alles, er ist superehrlich,“ lobte er.

Ein Honigkuchenpferd

Gut eine Stunde später schossen Sandra Auffarth und Viamant du Matz aus der Startbox. Und bei diesen beiden lief alles nach Plan. Fehlerfrei und mit einem Zeitpolster von drei Sekunden kamen die Pferdewirtschaftsmeisterin und ihr 13-jähriger Fuchswallach aus französischer Zucht ins Ziel. „Super super happy“ war sie. Klar. „Ich hatte das Gefühl, er hat es vom ersten bis zum letzten Meter genossen“, erklärte sie nach ihrem Ritt, strahlend wie das sprichwörtliche Honigkuchenpferd. „Er hat nach jedem Hindernis gefragt, wo das nächste ist. Alles ist nach Plan gelaufen, es war toll von Anfang bis Ende.“ Auch die deutschen Fans an der Strecke, die sie jubelnd anfeuerten, habe sie bemerkt. Und jetzt freut sie sich auf morgen, zu Mats' Stärken gehört auch das Springen über bunte Stangen. 31,3 Punkte – aus Rang 38 nach der Dressur wurde der vorläufige Platz 14.

Meisterten das Gelände souverän und spritzig bis zum Ende: Sandra Auffarth und Viamant du Matz.

Staub zwischen den Zähnen

Und dann kam das zweite Honigkuchenpferd ins Ziel: Julia Krajewski und ihre ebenfalls aus Frankreich stammende Amande de B’Neville, Stallname „Mandy“. „Ich habe Staub zwischen den Zähnen und in den Augen“, erklärte sie. „Und ich will nicht sagen, es war easy, aber es war supercool, einfach geil.“ Und sie schwärmte weiter: „Ich bin der größte Fan meines Pferdes. Sobald Raum genug da war zum Galoppieren, ging der Kopf runter und der Turbo an.“ 9:44 Minuten waren ihre Zeit, mit 26,0 Punkten liegt sie vorläufig auf Platz fünf. Hindernisse wie der Tiefsprung in den recht steilen Hang von Pratoni sind typisch für die Strecke. Julia Krajewski hat sich darauf vorbereiten – auch in dem sie beim Bergabgaloppieren schon mal überstreicht. Und das Gelände – wenn auch natürlich ohne die WM-Hindernisse – kannte sie auch, sie ist hier schon die Hügel hinauf und hinunter galoppiert. Ihr Freund ist Italiener, da ist sie öfter mal im Land.

Mit Staub in den Augen und einem Turbo namens Amande de B'Neville unterm Sattel: Julia Krajewski.

Die Maschine trotzt den Löchern

Als letzter des Quartetts der deutschen Teamreiter startete Michal Jung mit fischerChipmunk FRH ins Gelände. Und auch diese beiden blieben fehlerfrei und knackten die Zeit: 9:41 Minuten, neun Sekunden unterhalb der „Bestzeit“, es blieb beim Dressurergebnis von 18,8 Punkten und der Führung. Ungewöhnlich für Michael Jung, dessen Geländeritte in aller Regel auch die schwersten Kurse wie Springgymnastik aussehen lassen – auf diesem Kurs gab’s ein paar Irritationen und „das zweite Wasser bin ich nicht ideal geritten“, so der Reiter selbst. Einige Male stolperte der Hannoveraner Wallach auch leicht, was Michael Jung mit den Bodenverhältnissen erklärte. „Zu viele Löcher,“ meinte er lapidar. „bei so einem Championat, wenn man eigentlich fighten möchte fürs Team, ist das nicht ideal,“ kritisierte er. Und ergänze: „Aber fischerChipmunk ist ein fantastisches Pferd, eine Maschine, und wie er kämpft!“ Das hat der Wallach heute wahrlich bewiesen!

Michael Jungs Kritik an den Bodenverhältnissen teilt auch Bundestrainer Peter Thomsen, wie er am Abend in kleiner Presserunde bestätigte: „Das war keine Katastrophe“, erklärte er, „aber einer Weltmeisterschaft nicht würdig.“

Die verflixte Fahne

Das „Küken“ dieser WM, Einzelreiterin Alina Dibowski, übrigens rechtfertigte ihre Nominierung glänzend. Auch wenn sie etwas Pech hatte. Auch die 21-Jährige und ihr polnischer Wallach Barbados waren flott unterwegs – nur 2,8 Punkte für Zeitüberschreitung ihr Ergebnis. „Der volle Saft war da,“ freute sie sich. Leider aber standen da zusätzliche Punkte für eine „missed flag“, was bedeutet, dass das Hindernis zu weit seitlich gesprungen wurde und somit als nicht korrekt überwunden gilt. Zunächst war sich die Reiterin da nicht ganz sicher: „Das wird noch besprochen, vom Gefühl her war er drin,“ erklärte sie im Ziel. Bundestrainer Peter Thomsen allerdings berichtete, man habe sich mit Alinas Vater Andreas Dibowski zusammen die Stelle angeschaut, festgestellt, dass laut Regelwerk tatsächlich der Fall „missed flag“ gegeben war und die Entscheidung folglich akzeptiert. Alina Dibowski und Barbados liegen vor dem Springen auf Rang 43.

Tough durch die erste Weltmeisterschaft bei den Senioren: Alina Dibowski und Barbados.

Ende gut, alles gut

Von den ursprünglich 89 Startern sind noch 72 im Rennen, elf Paare kamen fehlerfrei „in der Zeit“ ins Ziel. Zwei Pferde wurden bereits vor der Dressur zurückgezogen, drei Reiter gaben im Gelände auf, 13 schieden aus. Auch zwei Schreckmomente gab es: Der französische Teamreiter Nicolas Touzaint, Olympiasieger mit der Mannschaft 2004, musste nach einem Sturz ebenso zunächst behandelt werden wie Carlos Diaz Fernandez, der für die spanische Mannschaft am Start war. Zwar wurde nach dem Sturz des Franzosen der Wettbewerb knapp eine halbe Stunde unterbrochen, doch kurz darauf konnte Entwarnung gegeben werden: Beiden Reitern geht es gut.

Morgen steht zunächst mal ab 9 Uhr die abschließende Verfassungsprüfung auf dem Programm. Das Springen beginnt um 11:30 Uhr, für die „Top 25“ wird es ab 14:30 ernst.

Ergebnisse