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Im Interview: Aachens Chef-Steward Jacques Van Daele

"Eine zu enge Hals-Einstellung ist nicht mehr akzeptabel"

Besonders die Dressur-Abreiteplätze auf internationalen Turnieren geben immer wieder Anlass zur Diskussion. So auch im vergangenen Jahr auf dem CHIO in Aachen. Zum Start des Turniers hat sich Chef-Steward Jacques Van Daele zu seinem Job geäußert.

Jacques Van Daele vor dem Stadion in Aachen.

Aachen - Die Kritik am Abreiten einiger Top-Reiter auf dem vergangenen CHIO in Aachen reißt nicht ab. Deshalb setzt der Turnierveranstalter gemeinsam mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in diesem Jahr Info-Stewards ein, die dem Publikum am Vorbereitungsplatz Rede und Antwort stehen sollen. Einer, der sich ebenfalls intensiv mit der korrekten Vorbereitung der Pferde beschäftigen wird, ist Chef-Steward Jacques Van Daele. Der Belgier spricht im Interview mit dem CHIO-Team über seine Rolle und die Entwicklung des Sports.

Was sind Ihre Aufgaben als Chief Steward?
Jacques Van Daele: Die Reiter begleiten – da sein, im Stall, auf den Abreiteplätzen und dazwischen. Beobachten und alles, was dort passiert, kontrollieren.

Wie sehen diese Kontrollen aus?
Das steht klar im Reglement. Dort ist geregelt, was erlaubt ist, und was nicht. Halten sich alle dran, ist es einfach.

Und? Halten sich alle dran?
Die Situation heute ist klar, der Dressursport hat sich entwickelt, verändert. Eine zu enge Hals-Einstellung ist nicht mehr akzeptiert, nicht von der Presse, und erst recht nicht vom Publikum. Heute wird eben nicht mehr so geritten wie vor 20 Jahren. Die allermeisten Reiter haben das längst verstanden. Aber ich sage auch: Eben noch nicht alle. Und daran müssen wir gemeinsam arbeiten.

Das heißt, es gibt bei den Reitern ein Bewusstsein, dass sich der Sport verändert hat?
Ja natürlich! Sicher! In den meisten Ländern.

Das heißt aber auch: Noch nicht überall?
Es gibt noch Ausnahmen. Ein paar Leute sind noch nicht ganz überzeugt – aber das kommt! Ich werde weiter ruhig bleiben und mit den wenigen Reitern, die es betrifft, sprechen. Und wenn es wirklich nicht geht, dann müssen wir etwas anderes machen – was ich überhaupt nicht gerne mache.

Das bedeutet …
… dass ich in der Vergangenheit schon auch ein paar Schwierigkeiten mit Reitern gehabt habe. Die haben nicht verstanden, warum sie eine Gelbe Karte erhalten haben. Dann versuche ich das zu erklären. Ich nehme mir Zeit dafür, eine Stunde, eineinhalb Stunden. Die müssen damit nicht einverstanden sein, aber sie müssen sich wenigstens anhören, warum ich sage: „Hör mal…“. Wir sind keine Feinde, aber wenn es zu weit geht, dann geht es zu weit.

Wie sieht Ihre praktische Arbeit aus?
Reden, reden, reden. Die Leute, mit denen ich zusammen arbeite, das sind die Reiter. Wir sprechen viel und oft. Nicht immer nur auf dem Abreiteplatz, auch im Stall und nach oder vor dem Abreiten. Und wenn ich so ein Wochenende verbringen kann ohne Verwarnungen oder gelbe Karten, dann finden wir das doch alle viel besser.

Müssen Sie vielleicht als Stewards das offensiver zeigen? Also deutlicher einschreiten? Auf dem Abreiteplatz schon die Gelbe Karte zeigen? Auch, um nach außen zu dokumentieren, dass etwas passiert?
Wir schreiten ja ein, reagieren, und lassen das die Reiter auch wissen. Aber ja, vielleicht haben wir das nicht deutlich genug nach außen gezeigt. Ich sage immer zu meinem Stewards: „Nicht rufen! Hingehen und sagen, was gesagt werden muss.“ Und wenn das nicht hilft - dann bin ich da. Ich bin immer hier.

Ihr Credo ist miteinander sprechen?
Ja, das hilft so viel. Es gibt Reiter, mit denen ich mich ganz gut verstehe, es gibt aber auch schwierige Reiter. Es ist eben nicht immer nur einfach – schwer geht auch.

Hilft Ihnen Ihre Ausbildung als Kriminalpolizist bei diesen schweren Fällen?
Ja das hilft, sehr sogar.

Weil man den Anderen ausreden lässt …
Und respektiert und anhört! Und nicht schon die Antwort vorbereitet, anstatt wirklich zuzuhören. Dann fängt man nämlich an, zu schießen. Wenn die Leute aufgeregt sind, sage ich: „Warte mal eine halbe Stunde. Und dann sprechen wir. In 90 Prozent der Fälle funktioniert das. Für mich ist das wichtigste Integrität – Sagen, was man macht, und machen, was man sagt.

Glauben Sie, dass Ihre Arbeit in diesem Jahr anders sein wird als beim CHIO im Vorjahr?
Das Wichtigste wird sein, deutlich zu machen, dass wir etwas unternehmen. Die Zuschauer dachten wahrscheinlich: Die sitzen da … So werden die Stewards in diesem Jahr Westen tragen, um sofort erkennbar zu sein. Und ganz klar: Im letzten Jahr war auch nicht alles richtig, wir haben einmal auch zu spät reagiert, und ich bin verantwortlich dafür. Wenn jemand nicht fair reitet, werden wir uns darüber unterhalten. Nicht später, sondern sofort.

Freuen Sie sich auf den CHIO?
Natürlich! Warum nicht? Wissen Sie, letztes Jahr war nicht mein Highlight, aber es wäre falsch, nun aufzuhören. Das ist nicht meine Art. Ich kann nur meine Arbeit so gut wie möglich machen und versuchen, jeden im Team zu motivieren, es genauso zu machen. Und wenn ein Reiter vor der Rückfahrt „Danke“ sagt – mehr nicht. Nur „Danke“ – dann bin ich glücklich. Und dann sage ich immer: „Nicht mir gilt der Dank. Meinem Team!“