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Blog aus Balve: Männerreiten und die Frage nach der Doppelbesetzung in der Dressur

Was in der einen Disziplin zu viel ist, ist in der anderen Disziplin zu wenig. Kaderreiter bei einer Deutschen Meisterschaft. Das jedenfalls ist wie immer ein Diskussionspunkt am Rande von Balve.

Gewinnt die eine, freute sich auch die andere: die Schwestern Julie Mynou und Mylene Diederichsmeier.

Balve – Neun Reiter in der Dressur, mit Sönke Rothenberger wären es zehn gewesen, aber er cancelte seinen Start ja bekannterweise kurz vor Beginn, weil Cosmo Koliksymptome zeigte. Zum Glück geht es dem Wallach schon wieder besser, aber das Duell Cosmo – Bella Rose, das es bislang nur bei den Weltreiterspielen in Tryon gegeben hat, fiel damit ins Wasser. Im September vergangenen Jahres hatte Bella Rose klar die Nase vorn. Bei Horses and Dreams in Hagen a.T.W. vor gut sechs Wochen hatte sich allerdings abgezeichnet, dass Cosmo durchaus bereit ist, noch mal eine Schippe draufzulegen.

Aber zurück zur Deutschen Meisterschaft: Von den verbliebenen neun Reitern brachten vier gleich zwei Pferde an den Start, was das Feld im Grand Prix immerhin auf 13 Starter ansteigen ließ. Diese Pferde sind aber alles andere als zweite Wahl. Im Gegenteil: Emilio hat seiner Reiterin gestern die Silbermedaille gerettet und momentan hätten Reiter wie Dorothee Schneider und Isabell Werth problemlos die Möglichkeit, auch noch mit einem dritten Pferd um den Titel zu reiten. Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, ob die Zuschauer lieber die volle Bandbreite von Dressurdeutschland gesehen hätten, statt der immergleichen Gesichter auf verschiedenen Pferderücken. Die allerdings den meisten anderen Paaren derzeit haushoch überlegen sind. Ist es nicht sogar nachvollziehbar, dass manch ein Grand Prix-Reiter deshalb einen Start bei den Deutschen Meisterschaften für sich ausschließt, weil er definitiv weiß, dass er bestenfalls im hinteren Mittelfeld landet? Und die Zuschauer? Wollen sie nicht die besten Reiter und Pferde sehen? Sprich: Lieber zwei Mal Isabell Werth, Doro Schneider und Co. als jemanden, der sich noch im 60-Prozent-Bereich der Notenskala aufhält. „Es ist mehr eine Sichtung des Olympiakaders als eine Deutsche Meisterschaft“, stellte eine Pressekollegin gestern stirnrunzelnd fest. Ob es da wirklich einen Unterschied gibt, wage ich zu bezweifeln.

Bei den Springreitern ist genau das Gegenteil der Fall. Von den vier Olympiakader-Mitgliedern reitet lediglich Marcus Ehning. Weltmeisterin Simone Blum war mit einem Nachwuchspferd bei den Damen am Start, Daniel Deußer und Maurice Tebbel glänzen durch Abwesenheit. Deußer konnte beim Fünf-Sterne-Turnier in Sopot nach dem Großen Preis noch ein weiteres Hauptspringen gewinnen, heute startet er gemeinsam mit Patrick Stühlmeyer, Gerrit Nieberg und Jörne Sprehe im Nationenpreis. Bundestrainer Otto Becker ist Equipe-Chef und vermeldet gestern begeistert via Smartphone die Erfolge an FN-Pressesprecherin Julia Basic. Co-Trainer Heinrich-Herrmann Engemann hält in Balve die Stellung und gehörte zu den ersten Gratulanten nach dem sensationellen Titelgewinn von Julie Mynou Diederichsmeier in der Wertung der Springreiterinnen. Die 36-Jährige war so überwältigt, dass sie auch nach der Siegerehrung im Pressegespräch Tränen in den Augen hatte. Ihr kleiner Neffe Liam, Spross von Mylene Diederichsmeier und Carsten-Otto Nagel, schaute seine Tante zuvor auf dem Abreiteplatz irritiert an, bis Mama Mylene ihm strahlend mitteilte, dass Mynou gewonnen habe. Aus der Sicht eines Kindes sind Freudentränen durchaus verwirrend.

Ob heute noch welche fließen, wird man sehen. Das hängt ganz von den Überraschungen ab, die im Viereck oder im Parcours passieren. In der Konkurrenz der Springreiter ist seit vielen Jahren erstmals keine Frau am Start. Etwas, dass das Security-Personal so detailliert wahrscheinlich nicht wusste, als es sich auf dem Weg zum Stadion darüber unterhielt, was hier denn wohl heut noch passieren wird. „Männerreiten“, teilte einer seinen zwei Kollegen mit. Ja, so könnte man es sagen.