Zum Inhalt springen

Drücken Sie Öffnen / Eingabe / Enter / Return um die Suche zu starten

EUROPAMEISTERSCHAFTEN VIELSEITIGKEIT

Blog 2 aus Avenches: Die letzte „Déjeuner-Pause“ und warum unser Herz eine Minute lang für Irland schlägt

Die Europameisterschaften sind auf der Zielgeraden. Am Nachmittag geht’s um Titel und Medaillen. Möge der Beste gewinnen! Und Leochen eine gute Runde drehen. Michaela Weber-Herrmann aus Avenches.

Andreas Dibowski (Bild von der Verfassungsprüfung) hat allen Grund zur Freude: Er zeigte auf FRH Corrida eine Nullrunde im Springen.

Avenches/SUI - Schön hier in der Schweiz. Nicht nur der Landschaft wegen. Alle sind so freundlich: „Bonjour Madame“ – ich hab‘ mitgezählt, neun Mal wurde ich von „Staff“-Mitgliedern begrüßt heute Morgen auf dem Weg vom Parkplatz auf der grünen Wiese bis zum Pressezentrum. Ausnehmend freundlich, diese „Staff“-Leute, die nicht nur am lila Outfit zu erkennen sind. „Staff“ steht auch drauf, so weiß man gleich, was drin ist im Shirt.

Der letzte Championatstag. Doch es ist zu früh, Bilanz zu ziehen, die Entscheidung um Titel und Medaillen steht noch aus, aktuell ist Mittagspause. Die dauert … in der französischsprachigen Schweiz legt man wohl so viel Wert auf ein gepflegtes „Déjeuner“ wie im Nachbarland jenseits des Jura.

Die ersten deutschen Reiter am Morgen im Springen waren Dirk Schrade mit seinem Casino und Andreas Dibowski mit FRH Corrida. Casino hielt, was sein Reiter versprochen hatte. „Ein sehr sehr gut springendes Pferd“ hatte er seinen Schimmel schon nach der Dressur charakterisiert. Fehlerfrei im Parcours, EM beendet – ein versöhnlicher Abschluss für den Einzelreiter. Andreas Dibowski, erster Starter für die Mannschaft, tat’s ihm nach. Er liegt vor dem zweiten Block Springen in Führung. Das heißt natürlich nichts, in der Vielseitigkeit wird bekanntlich im Parcours in umgekehrter Reihenfolge der aktuellen Rangierung geritten, heißt: Die Besten kommen noch. „Das Springen ist sicher nicht zu schwierig, nicht zu hoch aufgebaut. Eine Herausforderung ist eher der riesengroße Platz mit den langen Wegen. Man muss sein Pferd bei sich haben und geschlossen halten, andererseits genügend galoppieren lassen“, so „Dibo“. Das ist den meisten gut gelungen heute Morgen. Mal sehen, ob der eher wenig fehlerträchtige Parcours fürs deutsche Gesamtergebnis von Vorteil ist. Oder eben eher nicht.

Nächste Reiterin fürs deutsche Team am Nachmittag ist Anna Siemer. Dann folgen der zweite Einzelreiter Christoph Wahler (aktuell Achter), Michael Jung (jetzt auf Platz sechs) und Ingrid Klimke (auf dem Silberrang). Aber vorher schlägt unser Herz mal schnell für Irland. Denn Padraig McCarthy wird direkt nach Anna Siemer in den Parcours galoppieren. Der Doppel-Vizeweltmeister von 2018 hat Leonidas II unter dem Sattel. Und diesen Holsteiner kennt in der deutschen Pressetruppe jeder. Nicht etwa, weil er unter der Vielseitigkeitslegende aus Neuseeland, Mark Todd, bei den Weltreiterspielen 2014 in Caen und den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro am Start war – in Rio wurde er 7. der Einzelwertung – sondern weil seine Züchterin Gabriele Pochhammer eine Kollegin ist. Als „Leo“ gestern auf der Geländestrecke unterwegs war, stand sie neben mir. „Lasst das Leochen doch in Ruhe“, murmelte sie noch, nachdem das irisch-holsteinische Paar gerade gestartet war. Immerhin ist ihr Leo mittlerweile 17. Doch nach „Ruhe“, gar nach Rente sah das, was der Braune und sein Reiter da leisteten, nun wirklich nicht aus. Fehlerfrei, in der Zeit und zusammen mit Cartania, der Stute des Schweizers Felix Vogg, am nächsten an der Idealmarke, galoppierte „Leochen“ frisch über die Ziellinie. Bestes Pferd im Gelände! Da war sie denn doch ein wenig stolz, die Züchterin. Zurecht. Angestoßen haben wir auf dieses Ergebnis natürlich auch – mit einem Gläschen Landwein im malerischen Avenches. Man muss die Feste bekanntlich feiern, wie sie fallen.

Und so werden wir also am Nachmittag mal kurz mit dem Tross von der Grünen Insel fiebern. Mit Leochen. Und mit Gabriele. Wie mit jedem guten Reiter und mit jedem tollen Pferd. Man möge es uns nachsehen.